Dipl.-Finanzwirt Rüdiger Happe
[Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften → Anlage KAP Zeilen 7 und 8 bzw. 18 und 20]
Unter die Einnahmen aus Kapitalvermögen und die Abgeltungsteuer fallen seit 2009 auch Vorgänge, die bisher als Spekulationsgewinne bezeichnet wurden. Für diese gilt keine Spekulationsfrist, d. h. Gewinne werden unabhängig von der Behaltenszeit besteuert. Allerdings sind diese Regelungen nicht auf alle Veräußerungsvorgänge anzuwenden. Siehe folgende Übersicht:
Vorgang |
Gilt für |
Veräußerung von Anteilen an Körperschaften (z. B. Aktien) |
Anteile, die nach dem 31.12.2008 erworben wurden |
Veräußerung von Dividenden- und Zinsscheinen ohne Stammrecht |
Veräußerungen nach dem 31.12.2008 |
Gewinne aus Termingeschäften |
Rechte, die nach dem 31.12.2008 erworben wurden |
Veräußerung eines Anteils an einer stillen Gesellschaft bzw. eines partiarischen Darlehens |
entsprechende Wirtschaftsgüter, Rechte oder Rechtspositionen, deren Anschaffung oder Erstellung nach dem 31.12.2008 erfolgte |
Rechtsübertragung bei Hypotheken, Grundschulden, Renten |
Veräußerung einer Rechtsposition i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG (z. B. Anspruch aus Gewinnausschüttung) |
Veräußerung einer Kapitallebensversicherung |
Abschluss des Versicherungsvertrags nach dem 31.12.2004; Veräußerung nach dem 31.12.2008 |
Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen |
Zufluss nach dem 31.12.2008; Ausnahmen |
Für die anderen (Alt-)Vorgänge gelten die Altregelungen. Wegen Einzelheiten zur Verlustverrechnung → Anlage KAP – Abschnitt Verluste und Verlustverrechnung und → Anlage SO – Veräußerungsverluste Zeile 62.
Nach § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG gilt als Veräußerung, neben der entgeltlichen Übertragung des (wirtschaftlichen) Eigentums, auch die Abtretung einer Forderung, die vorzeitige oder vertragsmäßige Rückzahlung einer Kapitalforderung oder die Endeinlösung einer Forderung oder eines Wertpapiers. Eine Veräußerung ist nicht von der Höhe der Gegenleistung und der anfallenden Veräußerungskosten abhängig. Damit ist auch die Überlassung wertloser Anteile zwischen fremden Dritten ohne Gegenleistung steuerlich wirksam (BFH, Urteil v. 12.6.2018, VIII R 32/16, BFH/NV 2018 S. 1184). Es liegt kein Gestaltungsmissbrauch vor (BFH, Urteil v. 29.9.2020, VIII R 9/17, BFH/NV 2021 S. 210). Auch die ersatzlose Ausbuchung endgültig wertlos gewordener Aktien durch die das Depot führende Bank führt als "ausbleibende Rückzahlung" zu einem einkommensteuerlich berücksichtigungsfähigen Verlust aus Kapitalvermögen (FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 12.12.2018, 2 K 1952/16, EFG 2019 S. 365, die Frage wurde dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt, Az. 2 BvL 3/21). Der Tausch von Wertpapieren gegen andere Wertpapiere ist grds. keine steuerpflichtige Veräußerung.
War der Veräußerer irgendwann innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % qualifiziert beteiligt (früher "wesentliche Beteiligung"), ist der Gewinn aus der Veräußerung nicht nach § 20 EStG bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, sondern bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 17 EStG) zu erfassen.
Werden nach dem 31.12.2008 erworbene Aktien dem Aktionär entschädigungslos entzogen, kann dieses als Aktienveräußerungsverlust steuerlich geltend gemacht werden (BFH, Urteil v. 3.12.2019, VIII R 34/16, BFH/NV 2020 S. 640). Die neue Verlustverrechnungsregelung gilt hierfür nicht.
Die Überführung von vor 2009 erworbenen Aktien vom Betriebs- in das Privatvermögen steht einem Erwerb nicht gleich. Werden diese später veräußert, führt der Vorgang nicht zu Einkünften aus Kapitalvermögen (FG Münster, Urteil v. 26.3.2020, 8 K 1192/18 F, rkr., EFG 2020 S. 927).
Nach § 43 Abs. 1 Satz 4 f. EStG gilt für den Kapitalertragsteuerabzug jede Übertragung auf einen anderen Gläubiger als Veräußerung, es sei denn, der Schenkende teilt der Bank mit, dass es sich um eine unentgeltliche Übertragung handelt.
Die Berechnung der Veräußerungsgewinne erfolgt nach der folgenden Methode:
Veräußerungspreis |
– AK |
– Veräußerungskosten |
= Veräußerungsgewinn/Veräußerungsverlust |
Veräußerungskosten dürfen entgegen dem Werbungskostenabzugsverbot abgezogen werden. Voraussetzung ist, dass diese in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang zum Veräußerungsgeschäft stehen. Auch bei der Gewinnermittlung für Termingeschäfte sind die Aufwendungen i. Z. m. diesen abziehbar. Bei der Veräußerung von Wertpapieren wird unterstellt, dass die zuerst angeschafften Wertpapiere auch zuerst veräußert wurden ("First-in-first-out-Prinzip").
Bei der verdeckten Einlage tritt an die Stelle der Einnahmen aus der Veräußerung der Wirtschaftsgüter ihr gemeiner Wert (§ 20 Abs. 4 Satz 2 EStG). Bei einem Termingeschäft wird als Gewinn der Differenzausgleich oder der durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmte Geldbetrag oder Vorteil angesetzt (§ 20 Abs. 4 Satz 5 EStG).
Das Kreditinstitut muss die Kapitalertragsteuer nach der Ersatzbemessungsgrundlage (§ 43a Abs. 2 S. 7 EStG abzgl. 30 % des Veräußerungspreises) erheben, wenn ihm keine AK bekannt sind. Eine geringere Bemessungsgr...