Leitsatz
1. Ein im Ausland (hier in Frankreich) belegenes Einfamilienhaus ist wegen des Fehlens eines Einheitswerts nach § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG 1987 zu besteuern und unterfällt nicht der pauschalen Nutzungswertbesteuerung des § 21a EStG 1987 (Bestätigung des Senatsurteils vom 11.4.1990, I R 63/88, BFH/NV 1990, 705).
2. Negative Einkünfte i.S.d. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG 1987 gehören zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens i.S.d. § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. a EStG 1987 (Bestätigung des BFH-Urteils vom 26.3.1991, IX R 162/85, BStBl II 1991, 704).
3. Ein in Frankreich wohnender, jedoch in Deutschland gem. § 1 Abs. 3 EStG 1987 fiktiv unbeschränkt Steuerpflichtiger ist nicht i.S.v. Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA Frankreich in Deutschland ansässig (Abweichung vom Senatsbeschluss vom 13.11.2002, I R 13/02, BFH-PR 2003, 242).
4. § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG 1987 beschränkt den Steuer mindernden Ausgleich der von der Vorschrift erfassten negativen ausländischen Einkünfte grundsätzlich auch mit Wirkung für den negativen Progressionsvorbehalt gem. § 32b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG 1987 (Bestätigung des Senatsurteils vom 17.10.1990, I R 182/87, BStBl II 1991, 136). Diese Beschränkung verstößt jedoch gegen Gemeinschaftsrecht und gilt deswegen nicht innerhalb der EU (Anschluss an EuGH-Urteil vom 21.2.2006, Rs. C-152/03"Ritter-Coulais", BFH-PR 2006, 192).
Normenkette
§ 1 Abs. 3, § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 21a, § 32b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG 1987, Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA-Frankreich, Art. 48 EWGV (= Art. 48 EGV, Art. 39 EG) , * Leitsatz nicht amtlich
Sachverhalt
Die Kläger wurden im Streitjahr 1987 als gem. § 1 Abs. 3 des EStG 1987 unbeschränkt steuerpflichtige Eheleute zusammen zur ESt veranlagt. Sie erzielten in Deutschland Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, wohnten aber in einem in Frankreich belegenen eigenen Einfamilienhaus.
Die Kläger begehren die Berücksichtigung negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wegen der Selbstnutzung des Einfamilienhauses (vgl. § 21 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG 1987) im Weg des sog. negativen Progressionsvorbehalts gem. § 32b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 EStG 1987. Das FA lehnte das unter Hinweis auf § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG 1987 ab.
Das FG folgte dem FA und wies die Klage gegen den ESt-Bescheid 1987 als unbegründet ab. Es bezog sich dabei auf das BFH-Urteil vom 17.10.1990, I R 182/87 (BStBl II 1991, 136, dort unter IV.). Eine gemeinschaftsrechtswidrige Diskriminierung der Kläger scheide schon deswegen aus, weil Inländer entsprechende Auslandsverluste ebenfalls nicht ausgleichen und hierfür ebenfalls nicht den negativen Progressionsvorbehalt in Anspruch nehmen könnten.
Entscheidung
Der BFH hatte daraufhin durch Beschluss vom 13.11.2002, I R 13/02 (BFH-PR 2003, 242) den EuGH angerufen. Dieser hat durch sein Urteil vom 21.2.2006, Rs. C-152/03 "Ritter-Coulais" (BFH-PR 2006, 192) entschieden, die Auslandsverluste seien im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen. Der BFH hat seine bisherige entgegenstehende Rechtsprechung nunmehr aufgegeben und den Progressionsvorbehalt gewährt.
Ob die negativen Einkünfte aus der Nutzungswertbesteuerung nicht nur den Steuersatz beeinflussen könnten, sondern auch in die Bemessungsgrundlage eingingen, ließ er dahinstehen. Er sah die Klage insoweit als unzulässig an, weil sie erst im Lauf des Revisionsverfahrens entsprechend erweitert worden war. Auch der EuGH hatte sich deswegen einer Äußerung hierzu enthalten.
Weil aber unklar war, ob die Nutzungswertbesteuerung im Rahmen der sog. Großen Übergangslösung gem. § 52 Abs. 21 EStG für die Kläger im Streitjahr 1987 überhaupt noch einschlägig war, musste die Sache an das FG einmal mehr zurückverwiesen werden. Auf diesem "Umweg" kann die offene Frage nach der Einbeziehung der VuV-Einkünfte in die Bemessungsgrundlage also nach allem doch noch einmal relevant werden und den EuGH (sowie ggf. den BFH) erreichen. Denn im 2. Rechtsgang kann der Klageantrag (anders als der Revisionsantrag) problemlos erweitert werden.
Hinweis
1. Das Urteil hat für den Rechtspraktiker vor allem nachrichtlichen Wert. Denn es handelt sich um die abschließende Entscheidung des BFH zu der berühmt-berüchtigten und vielfach beschriebenen Rechtssache "Ritter-Coulais". Dazu ist sowohl auf den seinerzeitigen Vorlagebeschluss des BFH vom 13.11.2002, I R 13/02 (BFH-PR 2003, 242) als auch auf das daraufhin ergangene EuGH-Urteil vom 21.2.2006, Rs. C-152/03"Ritter-Coulais" (BFH-PR 2006, 192) zu verweisen.
2. Im Ergebnis stellt der BFH heraus, dass und unter welchen Umständen ein im Ausland belegenes Einfamilienhaus der früheren Nutzungswertbesteuerung gem. § 21 und § 21a EStG 1987 unterlag. Das Ganze betrifft seit langem "ausgelaufenes" Recht; Einzelheiten dazu ergeben sich aus den ersten beiden Leitsätzen.
3. Sodann berichtigt der BFH sein Verständnis, wonach die Ansässigkeit eines Steuerpflichtigen im Abkommen...