Verpflichtung eines Steuerpflichtigen, eine Steuererklärung zu berichtigen
Rechtliche Grundlage
§ 153 AO betrifft die Verpflichtung eines Steuerpflichtigen, eine Steuererklärung zu berichtigen. § 153 AO begründet hierbei 4 besondere – jeweils rechtlich selbstständige – Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen:
- Anzeige- und Berichtigungspflicht bei fehlerhaften Steuererklärungen (§ 153 Abs. 1 Nr. 1 AO)
- Anzeigepflicht fehlerhafter Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern (§ 153 Abs 1 Nr. 2 AO)
- Anzeigepflicht bei unberechtigten Steuervergünstigungen ( 153 Abs. 2 AO)
- Anzeigepflicht bei bedingungswidriger Warenverwendung (§ 153 Abs. 3 AO)
Das Gesetz trifft hiermit in § 153 AO Grundsatzregelungen, die durch besondere Anzeigepflichten in Einzelsteuergesetzen ergänzt oder modifiziert werden können. Gegenstand der neuen Ausführungen im AEAO ist nicht § 153 Abs. 3 AO.
Einzelheiten der Ergänzung des AEAO
Die Ausführungen im AEAO zu § 153 AO sind in insgesamt 5 Abschnitte gegliedert. Dies sind im Einzelnen:
1. Allgemeine Ausführungen
In Abschnitt 1 werden allgemeine Aussagen vorwegestellt. Hierbei wird klargestellt, wann eine Anzeige- und Berichtigungspflicht im Sinne der Norm besteht, nämlich wenn einer der Verpflichteten erkennt, dass eine von ihm oder für ihn abgegeben Erklärung objektiv unrichtig oder unvollständig ist und es hierdurch zu einer Steuerverkürzung gekommen ist. Hierbei handelt es sich um eine steuerrechtliche Pflicht.
Weiter wird klargestellt, dass nach der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens- oder Bußgeldverfahrens Zwangsmittel für die Durchsetzung der Berichtigung nicht mehr eingesetzt werden können, da der Steuerpflichtige in einem solchen Verfahrens nicht mehr gezwungen werden kann, sich selber zu belasten. Man spricht hierbei vom dem nemo-tenetur Grundsatz. Die entsprechenden Umsetzung im steuerrechtlichen Verwaltungsverfahrensrecht findet sich in § 393 Abs. 1 Satz 2 und 3 AO.
2. Abgrenzung der Anzeige- und Berichtigungspflicht von einer Selbstanzeige
Zentrale Bedeutung kommt den Ausführungen in Abschnitt 2 zu, da in diesem die Abgrenzung einer Berichtigung nach § 153 AO von einer Selbstanzeige nach § 371 AO erörtert wird. Gemeinsam haben § 153 AO und § 371 AO, dass die Erklärung im Zeitpunkt der Abgabe objektiv unrichtig gewesen sein muss. Dies ist der Fall, wenn nicht alle steuerlich erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offengelegt worden sind (Tz. 2.1.).
Erkennt der Steuerpflichtige erst im Nachhinein die Fehlerhaftigkeit der Steuererklärung, die er abgegeben hat, und kommt er sodann unverzüglich – also ohne schuldhaftes Zögern – seiner Pflicht nach § 153 AO nach, liegt keine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vor, wenn es an Vorsatz oder Leichtfertigkeit fehlt (Tz. 2.2.). An dieser Stelle zeigt sich der wesentliche Unterschied zwischen einer Selbstanzeige und der Berichtigung nach § 153 AO. Bei einer Selbstanzeige ist eine Steuerhinterziehung vorausgegangen, bei einer Berichtigungspflicht hat der Steuerpflichtige bei Abgabe der Steuererklärung nicht gewusst, dass diese falsch war. Die Grenze liegt dabei beim bedingten Vorsatz. Hierzu trifft der Erlass die Aussage, dass eine Pflicht nach § 153 AO auch dann besteht, wenn der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit nur billigend in Kauf genommen hat und erst später zu der Erkenntnis gelangt, dass die Angaben falsch waren. Diese Ansicht erscheint m.E. bedenklich; denn eine Steuerhinterziehung liegt auch bei bedingtem Vorsatz vor. Der Steuerpflichtige würde also gezwungen werden, sich selbst durch eine Anzeige nach § 153 AO zu belasten, Nach Ansicht des Erlasses bedarf in diesen Fällen keiner Selbstanzeige. Fraglich ist, ob die Strafgerichte, die nicht an den Erlass gebunden sind, dem folgen werden.
In der Alternative des § 153 Abs. 2 AO ist eine Berichtigungspflicht für den Fall normiert, dass eine zunächst richtige Steuererklärung nachträglich objektiv unrichtig wird. Auch in diesem Fall liegt dann keine Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung vor, wenn der Steuerpflichtige seiner Anzeigepflicht unverzüglich nachkommt. Spezialgesetzliche Anzeigepflichten gehen vor (Tz. 2.3.). Ungeklärt ist die Frage, in welchen Fällen konkret die „Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung, Steuerermäßigung oder sonstige Steuervergünstigung nachträglich ganz oder teilweise wegfallen“. Müssen die Voraussetzungen des § 175 Abs.1 Nr.2 AO (rückwirkendes Ereignis) erfüllt sein? Der Erlass schweigt hierzu.
Damit die Pflichten nach § 153 AO greifen, muss der Verpflichtete tatsächliche Erkenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Erklärung haben. Dies setzt voraus, dass der Betroffene von der Fehlerhaftigkeit weiß und auch die Erkenntnis hat, dass es hierdurch zu einer Verkürzung von Steuern kommt bzw. schon gekommen ist. Dies muss bis zum Ablauf der Festsetzungsverjährung der Fall sein (Tz. 2.4.).
Sodann grenzt das BMF die Anzeige- bzw- Berichtigungspflicht von der Straftat bzw. einer Ordnungswidrigkeit ab. Diese setzen insbesondere Vorsatz bzw. Leichtfertigkeit voraus. Nicht jede objektive Unrichtigkeit legt deshalb eine Straftat bzw. Ordnungswidrigkeit nahe. Der Finanzverwaltung wird deshalb aufgelegt, sorgfältig zu prüfen, ob ein Anfangsverdacht vorliegt, wobei nicht allein die Höhe der Steuerauswirkungen den Anfangsverdacht begründen (Tz. 2.5.). Angesichts der erheblichen Auswirkungen, die die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens für den Betroffenen hat, bleibt zu hoffen, dass sich die Finanzverwaltung dieses zu Herzen nimmt. In der Praxis erscheint es teilweise allerdings eher so zu sein, dass erst einmal ein Strafverfahren eingeleitet wird, um sich dann vom Gegenteil zu überzeugen. Wichtig ist indes auch der Hinweis im AEAO (Tz. 2.5. Abs. 2), dass eine Steuerstraftat durch Unterlassen begangen werden kann, wenn der Verpflichtete seiner Pflicht nach § 153 AO trotz Wissen von der Unrichtigkeit nicht nachkommt.
In Tz. 2.6. stellt das BMF dar, wann bedingter Vorsatz (dolus eventualis) nach der Rechtsprechung des BGH gegeben ist. Wichtig erscheint hierbei für die Praxis der Hinweis, dass die Einrichtung eines innerbetrieblichen Kontrollsystems, das der Erfüllung der steuerlichen Pflicht dient, als Indiz gewertet werden kann, dass kein Vorsatz oder Leichtfertigkeit gegeben sind. Wer also über ein sog. Tax Compliance Management System verfügt, der hat künftig bessere Karten im Hinblick auf die Vermeidung von Steuerstrafverfahren. Wie ein solches System allerdings auszusehen, damit es den gewünschten Effekt zu erzielen in der Lage ist, bleibt offen. Dies dürfte sich erst in der Zukunft zeigen.
In Tz. 2.7. erfolgt die entsprechende Darstellung der Frage, wann von einer Leichtfertigkeit i. S. d. § 378 AO auszugehen ist. Hierbei verweist das BMF darauf, dass die Verschärfungen für die Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung, die seit 2011 gelten, nicht für die Selbstanzeige bei einer leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 Abs. 3 AO anzuwenden sind.
Abschließend in diesem zentralen Abschnitt wird in Tz. 2.8. die Schlussfolgerung dargestellt, dass im Fall, dass keine Steuerhinterziehung (§ 370 AO) und auch keine leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO) gegeben sind, von einem Fehler auszugehen ist, der nach § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO zu berichtigen ist.
3. Umfang der Anzeige- und Berichtigungspflicht
In Abschnitt 3 stellt die Finanzverwaltung klar, dass sich die Anzeige und Berichtigungspflichten nicht nur auf Steuererklärungen erstrecken, sondern auf alle Erklärungen, die steuerlich relevant sind. Dies können etwa auch Änderungsanträge nach §§ 172 ff. AO oder auf die Herabsetzung einer Vorauszahlung sein. Bei Vorauszahlungen sieht die Finanzverwaltung insofern eine Besonderheit, als der Steuerpflichtige nicht verpflichtet ist, unaufgefordert Angaben zur Erhöhung von festsetzten Vorauszahlungen zu machen, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse erst nach dem Antrag auf Herabsetzung geändert haben, sondern nur, wenn er unrichtige bzw. unvollständige Angaben gemacht hat. Der Steuerpflichtige ist also nicht in jedem Fall zur Berichtigung nach § 153 AO verpflichtet, wenn sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse ändern. Allerdings ist hier eine große Sorgfalt an den Tag zu legen, da sich in der Praxis zeigt, dass zumindest gewisse Finanzämter bei Anträgen auf Herabsetzung eher als früher mit der „Keule des Strafrechts“ drohen. Einer Anzeige oder Berichtigung bedarf es dann nicht, wenn die Fehler durch die Betriebsprüfung für die von der Prüfungsanordnung erfassten Jahre und Steuerarten festgestellt werden.
4. Zur Anzeige und Berichtigung verpflichtete Personen
In Abschnitt 4 wird erörtert, wer zur Anzeige oder Berichtigung nach § 153 AO verpflichtet ist. Es sind dies primär der Steuerpflichtige bzw. sein Gesamtrechtsnachfolger, ein gesetzlicher Vertreter i. S. v. § 34 AO bzw. ein Vermögensverwalter nach § 35 AO. Herausgestrichen wird, dass bei Eheleuten oder Lebenspartnern i. S. d. LebenspartnerschaftsG, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, die Pflichten nur denjenigen treffen, dem die falschen oder unvollständigen Besteuerungsgrundlagen zuzurechnen sind.
Dies gilt allerdings dann nicht, wenn der andere Ehepartner Gesamtrechtsnachfolger des Verstorbenen ist. Der Erbe muss nämlich der Pflicht nach § 153 AO nachkommen, wenn er erkennt, dass der Erblasser eine unrichtige oder unvollständige Steuererklärung abgegeben hat. Dies gilt bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung. Keine Anzeigepflicht nach § 153 AO trifft einen bevollmächtigten Steuerberater, Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfer. Dies gilt nach Aussage des BMF auch dann, wenn dieser die falsche oder unrichtige Steuererklärung erstellt hat. Keine Stellung nimmt der Erlass jedoch zu zwei wichtigen Fragen der Beratungspraxis:
- Ist der Steuerberater verpflichtet, seinen Mandanten auf einen Fehler, der von ihm, dem Steuerberater, gemachten Fehler hinzuweisen? M. E. ist diese Frage zu bejahen.
- Wie muss sich der Berater verhalten, wenn sich der Mandant weigert, eine Erklärung nach § 153 AO abzugeben? M. E. muss der Steuerberater dann in der Regel das Mandatsverhältnis beenden.
5. Zeitpunkt der Anzeige und Berichtigung
Zum Zeitpunkt der Anzeige oder Berichtigung trifft Abschnitt 5 die Aussage, dass diese unverzüglich nach Kenntnis gegenüber der zuständigen Finanzbehörde zu erfolgen haben. Benötigt der Steuerpflichtige mehr Zeit für die Aufarbeitung, sollte er dies gegenüber dem Finanzamt begründen. Das Finanzamt soll dann eine angemessen Frist gewähren. Gleiches soll bei vorläufigen Angaben gelten (Tz. 5.1.). M. E. sollte es aber gut überlegt sein, ob man diesen Weg wählt. Spätestens mit dem vorläufigen Herantreten an das Finanzamt hat dieses Kenntnis vom Sachverhalt, sodass eine Selbstanzeige spätestens ab diesem Zeitpunkt ausgeschlossen ist.
Liegt ein Fall einer Steuerhinterziehung mit bedingtem Vorsatz vor (Tz. 2.6.), hat der Steuerpflichtige seine Anzeige- und Berichtigungspflicht unverzüglich zu erfüllen. Dies gilt allerdings nur, wenn die Befolgung der Pflicht zumutbar ist, da sich in einem Strafverfahren niemand selber belasten muss. Wie bereits oben dargelegt, erscheint diese Ansicht mehr als bedenklich. Die Frage, was unverzüglich ist, ist deshalb nach Ansicht des BMF an dieser Stelle so zu sehen, dass dem Steuerpflichtigen eine angemessene Zeit zu Aufbereitung einer Selbstanzeige zuzugestehen ist.
Unter Tz. 5.3 streicht das BMF noch einmal heraus, dass der vorsätzliche Verstoß gegen die Pflichten nach § 153 AO eine Steuerhinterziehung darstellen kann, was dann zu einer Verlängerung der Festsetzungsfrist auf 10 Jahre führt. Quasi in einem Nebensatz stellt das BMF dann die für Steuerpflichtige immens wichtige Erkenntnis dar, dass Fehler, die der Finanzbehörde unterlaufen sind, nicht anzuzeigen sind. Dies beruht auf der Rechtsprechung des BFH (Urteil v. 4.12.2012, VIII R 50/10, BStBl II 2014, S. 222).
Hat der Verpflichtete eine Erklärung nach § 153 AO abgegeben, endet die Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 9 AO nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Eingang der Anzeige (Tz. 5.4.). Dies gilt auch bei Anzeige an die falsche Behörde. Allerdings beginnt die Jahresfrist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil v. 28.2.2008, VI R 62/06, BStBl II 2008, S. 595) erst dann zu laufen, wenn die Anzeige an die zuständige Behörde weitergeleitet wird.
Fazit und offene Fragen
Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass das BMF in den AEAO Ausführungen zu § 153 AO aufgenommen hat, da diese Bestimmung gerade durch die Verschärfungen des Rechts der Selbstanzeige nach § 371 AO in den letzten Jahren weiter an Bedeutung gewonnen hat. Leider hat es das BMF jedoch versäumt, einige der für die Praxis bedeutsamen Fragestellungen zu § 153 AO aus der Sicht der Finanzverwaltung zu klären. Diese betreffen neben den bereits angesprochenen insbesondere die nachfolgenden Aspekte:
- Liegt in einer Anzeige nach § 153 AO immer auch eine Zustimmung zur Änderung des Steuerbescheides nach § 172 Abs.1 Satz 1 Nr. 2a AO? M. E. ist dies zu bejahen. Diese Frage ist in den allermeisten Fällen akademisch, da § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 AO erfüllt sein dürfte.
- Bedeutsamer ist, was geschieht, wenn der Steuerpflichtige irrigerweise davon ausgeht, dass kein Vorsatz vorliegt, er z. B. von einem Tatbestandsirrtum ausgeht, die Strafsachenstelle aber Vorsatz bejaht? Das Verhältnis von missglücktem Antrag nach § 153 AO und Selbstanzeige bleibt ungeklärt. Dies ist aber für die Praxis von ganz erheblicher Bedeutung!
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