1.1 Regelungsbereich eines DBA/des OECD-MA
Rz. 1
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Ein DBA enthält Regelungen über die Zuweisung des Besteuerungsrechts sowie zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung im Verhältnis der beiden vertragschließenden Staaten (Vertragsstaaten) zueinander. Ein DBA begründet selbst keinen Besteuerungsanspruch. Das Abkommen wird regelmäßig durch ein Protokoll zum DBA, eine Denkschrift, Briefwechsel oder andere Dokumente ergänzt und erläutert. Das Protokoll zum DBA ist Bestandteil des Abkommens und in gleicher Weise verbindlich.
Rz. 2
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Im Nachfolgenden wird die abkommensrechtliche Behandlung der Vergütungen aus unselbständiger Arbeit anhand des OECD-MA dargestellt. Sowohl das OECD-MA als auch der OECD-MK werden vom Steuerausschuss der OECD laufend weiterentwickelt. Das OECD-MA entfaltet selbst keine rechtliche Bindungswirkung; die von Deutschland abgeschlossenen und rechtlich wirksamen DBA orientieren sich jedoch nach Inhalt und Aufbau i. d. R. am OECD-MA. Im konkreten Einzelfall sind die jeweiligen Vorschriften des anzuwendenden DBA maßgeblich, nicht das OECD-MA. Soweit im Einzelfall Anknüpfungspunkte zu mehreren Staaten bestehen, können verschiedene DBA nebeneinander zu beachten sein (z. B. bei Berufskraftfahrern, s. Tz. 7, Rn. 380ff.).
Rz. 3
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Bei der steuerlichen Beurteilung von Vergütungen aus unselbständiger Arbeit sind daher insbesondere die Vorschriften des innerstaatlichen Rechts und die des jeweils anzuwendenden DBA zu beachten. Die Regelungen des OECD-MA und die Aussagen des OECD-MK, sind unter Berücksichtigung der nachfolgenden Grundsätze bei der Auslegung der DBA zu berücksichtigen, soweit diese dem OECD-MA im Wesentlichen inhaltlich entsprechen.
Rz. 4
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Beispiel 1: Wohnsitz in Deutschland
Der Arbeitnehmer ist nur in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Er ist in Österreich und Belgien tätig.
Lösung:
Es sind die DBA zwischen Deutschland und dem jeweiligen Tätigkeitsstaat (DBA-Österreich und DBA-Belgien) zu prüfen.
Rz. 5
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Beispiel 2: kein Wohnsitz in Deutschland
Der Arbeitnehmer ist nur in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig. Er ist in Deutschland und zusätzlich in Belgien tätig. Er erstellt Marktanalysen und erzielt daraus Vergütungen, mit denen er insgesamt nach § 1 Abs. 4 EStG i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe a EStG beschränkt steuerpflichtig ist (BFH-Urteil vom 12. November 1986, BStBl II 1987 S. 379).
Lösung:
Es ist aus deutscher Sicht ausschließlich das DBA zwischen Österreich und Deutschland zu prüfen, da nur für dieses DBA eine Abkommensberechtigung nach Art. 4 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 DBA-Österreich vorliegt. Soweit die Vergütungen auf die in Belgien ausgeübte Tätigkeit entfallen, steht Deutschland nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA-Österreich kein Besteuerungsrecht zu. Das DBA zwischen Deutschland und Belgien kommt für die in Belgien ausgeübte Tätigkeit mangels Abkommensberechtigung des Arbeitnehmers nicht zur Anwendung.
Rz. 6
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Durch ein DBA mit einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet (§ 2 StAbwV) werden deutsche Besteuerungsrechte für den Zeitraum nicht berührt, in dem das Steueroasen-Abwehrgesetz bezogen auf dieses Steuerhoheitsgebiet Anwendung findet (§ 3 i. V. m. § 1 Abs. 3 Satz 2 StAbwG).
1.2 OECD-Musterabkommen
1.2.1 Bestimmung der Ansässigkeit – Art. 4 OECD-MA
Rz. 7
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Für die Anwendung eines DBA ist der Staat zu bestimmen, in dem der Arbeitnehmer und ggf. der Arbeitgeber entsprechend Art. 1 i. V. m. Art. 4 OECD-MA ansässig sind. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Ansässigkeit nach Art. 4 OECD-MA sind unabhängig von der Vorlage einer Ansässigkeitsbescheinigung eines Vertragsstaats oder einer entsprechenden steuerlichen Behandlung in einem Vertragsstaat zu prüfen (s. Rn. 12ff.). Der abkommensrechtliche Begriff der Ansässigkeit entspricht nicht dem im innerstaatlichen Recht verwendeten Begriff der unbeschränkten Steuerpflicht.
Rz. 8
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Während die unbeschränkte Steuerpflicht nach innerstaatlichem Recht eine umfassende Steuerpflicht begründet, führt die Ansässigkeit einer Person in einem der Vertragsstaaten zu ihrer Abkommensberechtigung (Art. 1 OECD-MA). Zugleich wird mit der Bestimmung der Ansässigkeit einer Person in einem Vertragsstaat dieser Staat für die Anwendung des Abkommens zum Ansässigkeitsstaat der Person; der andere Vertragsstaat ist der Quellen- bzw. bei Einkünften aus unselbständiger Arbeit i. S. des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 zweiter Halbsatz OECD-MA auch der Tätigkeitsstaat. Eine Person kann zwar in beiden Vertragsstaaten (z. B. aufgrund eines doppelten Wohnsitzes) unbeschränkt steuerpflichtig sein, dagegen kann sie nur in einem der beiden Vertragsstaaten als ansässig i. S. eines DBA gelten (s. Rn. 12ff.). Die abkommensrechtliche Bestimmung der Ansässigkeit hat keine Auswirkung auf eine bestehende inländische Steuerpflicht. Die Ansässigkeit i. S des Art. 4 OECD-MA kann sich während eines VZ auch ändern.
Rz. 9
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Eine natürliche Person ist nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA in e...