5.1 Differenzierung zwischen der Anwendung der 183-Tage-Klausel und der Ermittlung des steuerpflichtigen/steuerfreien Arbeitslohns
Rz. 223
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Nach Art. 15 Abs. 1 OECD-MA können die Vergütungen aus unselbständiger Arbeit ausschließlich im Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers besteuert werden, es sei denn, die Tätigkeit wird im anderen Staat ausgeübt. Wird die unselbständige Arbeit im anderen Staat ausgeübt, steht auch diesem Staat das Besteuerungsrecht für Vergütungen zu, die für die dort ausgeübte Tätigkeit gezahlt werden (s. Tz. 3, Rn. 99). Gemäß Art. 15 Abs. 2 OECD-MA ist zu prüfen, ob dem Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers trotz der Auslandstätigkeit das ausschließliche Besteuerungsrecht an den Vergütungen aus unselbständiger Arbeit verbleibt (s. Tz. 4, Rn. 101ff.). Im Rahmen dieser Prüfung wird u. a. eine Berechnung der nach dem jeweils anzuwendenden DBA maßgeblichen Aufenthalts- oder Ausübungstage im Ausland anhand der 183-Tage-Klausel vorgenommen. Für das Kriterium der Ansässigkeit i. S. der dem Art. 4 OECD-MA entsprechenden Bestimmung des anzuwendenden DBA (s. Tz. 1.2.1, Rn. 7ff.), ist stets auf den Zeitpunkt des Zuflusses nach § 11 EStG abzustellen (BFH-Urteil vom 21. Dezember 2022, BStBl II 2023 S. 825).
Rz. 224
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Die Ermittlung des steuerpflichtigen/steuerfreien Arbeitslohns erfolgt sodann in einem weiteren gesonderten Schritt.
5.2 Grundsätze bei der Ermittlung des steuerpflichtigen/steuerfreien Arbeitslohns
Rz. 225
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Nach § 90 Abs. 2 AO hat der Steuerpflichtige den Nachweis über die Ausübung der Tätigkeit in dem anderen Staat und deren Zeitdauer durch Vorlage geeigneter Aufzeichnungen (z. B. Stundenprotokolle, Terminkalender, Reisekostenabrechnungen, Reisekalender) zu führen.
Rz. 226
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Ist der Arbeitslohn in Deutschland nach einem DBA freizustellen, ist zunächst zu prüfen, inwieweit die Vergütungen unmittelbar der Auslandstätigkeit oder der Inlandstätigkeit zugeordnet werden können (s. Tz. 5.3, Rn. 227). Soweit eine unmittelbare Zuordnung nicht möglich ist, ist der verbleibende tätigkeitsbezogene Arbeitslohn aufzuteilen. Die Aufteilung hat der Arbeitgeber bereits im Lohnsteuerabzugsverfahren entsprechend dem BMF-Schreiben vom 14. März 2017, BStBl I S. 473 ("Ermittlung des steuerfreien und steuerpflichtigen Arbeitslohns nach den Doppelbesteuerungsabkommen sowie nach dem ATE im Lohnsteuerabzugsverfahren") vorzunehmen; zum Erfordernis der Freistellungsbescheinigung vgl. R 39.5 LStR. Darüber hinaus hat der Arbeitgeber den steuerfrei belassenen Arbeitslohn in der Lohnsteuerbescheinigung anzugeben. Das Lohnsteuerabzugsverfahren ist ein Vorauszahlungsverfahren, dessen Besonderheiten und Regelungen nicht in das Veranlagungsverfahren hineinwirken (BFH-Urteil vom 13. Januar 2011, BStBl II S. 479). Jedoch haftet der Arbeitgeber auch nach Erstellung der Lohnsteuerbescheinigung für die zutreffende Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer und ist, wenn ihm dies wirtschaftlich zumutbar ist, verpflichtet, Änderungen des Lohnsteuerabzugs bei der nachfolgenden Lohnzahlung zu berücksichtigen (§ 41c Abs. 1 EStG). Die Fälle, in denen der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht nachträglich einbehält bzw. einbehalten kann, hat er beim Betriebsstättenfinanzamt unverzüglich anzuzeigen (§ 41c Abs. 4 EStG). Das Finanzamt ist nicht gehindert, im Einkommensteuerveranlagungsverfahren die vorgenommene Aufteilung zu überprüfen. Es ist nicht an eine fehlerhaft erteilte Freistellungsbescheinigung gebunden (BFH-Urteil vom 13. März 1985, BStBl II S. 500).
5.3 Direkte Zuordnung
Rz. 227
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Gehaltsbestandteile, die unmittelbar aufgrund einer konkreten inländischen oder ausländischen Arbeitsleistung gewährt werden, sind vorab direkt zuzuordnen. Dies können z. B. Reisekosten, Überstundenvergütungen, Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit, Auslandszulagen (z. B. Lebenshaltungskostenausgleich – "Cost of living allowance"/COLA, Erschwerniszulage – "Hardship allowance", Mobilitätszulage – "Mobility allowance", s. Tz. 5.5.10, Rn. 339), die Gestellung einer Wohnung im Tätigkeitsstaat, Kosten für eine Orientierungsreise, Sprachunterricht, interkulturelle Schulungen, Aufwendungen für Visa oder medizinische Untersuchungen für die Auslandstätigkeit und sonstige Auslagen oder Unterstützungsleistungen für die mitumziehende Familie sein. Daran schließt sich die Würdigung an, ob überhaupt steuerpflichtiger Arbeitslohn vorliegt oder ob nicht Leistungen im ganz überwiegend betrieblichen Interesse bzw. steuerfreie Aufwandserstattungen vorliegen. Der Gesamtarbeitslohn abzüglich der direkt zugeordneten Gehaltsbestandteile ist der verbleibende Arbeitslohn.
5.4 Aufteilung des verbleibenden Arbeitslohns
Rz. 228
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Der nicht direkt zuordenbare, verbleibende Arbeitslohn ist aufzuteilen. Zum verbleibenden Arbeitslohn gehören z. B. neben den laufenden Vergütungen (z. B. Grundgehalt) auch Zusatzvergütungen, die auf die nichtselbständige Arbeit des Arbeitnehmers innerhalb des gesamten Berechnungszeitraums entfallen (z. B. Weihnachts- und Urlaubsgeld). Hat sich das vereinbarte Gehalt während des Kj. verändert, so ist dieser Veränderung Rechnung zu tragen (s. Tz. 5.4.2, Beispiel 3, Rn. 240).
Rz....