6.1 Organe von Kapitalgesellschaften
Rz. 352
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Bei der Besteuerung der Organe von Kapitalgesellschaften ist zwischen den geschäftsführenden und den überwachenden Organen zu unterscheiden.
Rz. 353
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Die Vergütungen von geschäftsführenden Organen (z. B. Vorstände und Geschäftsführer) von Kapitalgesellschaften fallen regelmäßig in den Anwendungsbereich des Art. 15 OECD-MA. Der Ort der Geschäftsleitung oder der Sitz der Gesellschaft ist für die Aufteilung des Besteuerungsrechts ebenso wenig relevant wie der Ort, an dem die Tätigkeit "verwertet" wird, da die Mitglieder der Geschäftsleitung abkommensrechtlich ihre Tätigkeit grundsätzlich an dem Ort ausüben, an dem sie sich persönlich aufhalten (BFH-Urteil vom 5. Oktober 1994, BStBl II 1995 S. 95). Soweit der innerstaatliche Besteuerungsanspruch nicht durch diese abkommensrechtliche Regelung beschränkt wird, unterliegt der Arbeitslohn gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe c EStG auch dann der beschränkten Einkommensteuerpflicht, wenn die geschäftsführenden Organe ihre Aufgaben im Ausland erfüllen.
Rz. 354
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Davon abzugrenzen sind jedoch die Vergütungen der überwachenden Organe von Kapitalgesellschaften (z. B. Aufsichts- und Verwaltungsräte). Dabei handelt es sich innerstaatlich um Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit i. S. des § 18 EStG, die abkommensrechtlich unter den Anwendungsbereich des Art. 16 OECD-MA fallen. Das Besteuerungsrecht wird regelmäßig dem Ansässigkeitsstaat der Kapitalgesellschaft zugewiesen. Die Doppelbesteuerung wird durch die Anrechnungsmethode vermieden. Soweit der innerstaatliche Besteuerungsanspruch nicht durch die abkommensrechtliche Regelung beschränkt wird, unterliegen die Vergütungen gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG nur dann der beschränkten Einkommensteuerpflicht, wenn die Tätigkeit im Inland ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist oder für die Tätigkeit im Inland eine feste Einrichtung oder eine Betriebsstätte unterhalten wird.
Rz. 355
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
In einigen Staaten ist es üblich, dass bestimmte Organe von Kapitalgesellschaften sowohl geschäftsführende als auch überwachende Aufgaben wahrnehmen (z. B. Schweizer Verwaltungsrat, kanadisches Board of Directors). In diesem Fall sind die Vergütungen unter Beachtung von Fremdüblichkeitsgrundsätzen aufzuteilen (BFH-Urteil vom 14. März 2011, BStBl II 2013 S. 73). Soweit die Einnahmen auf die geschäftsführenden Tätigkeiten entfallen, ist das Besteuerungsrecht nach Art. 15 OECD-MA zuzuweisen. Der übrige Teil fällt unter die Anwendung des Art. 16 OECD-MA.
Rz. 356
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Abweichend von den vorstehend genannten Grundsätzen wird in einigen DBA geregelt, dass das Besteuerungsrecht an den Geschäftsführervergütungen dem Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft zusteht (z. B. Art. 16 DBA-Belgien, Art. 16 Abs. 2 DBA-Kasachstan, Art. 15 Abs. 2 DBA-Niederlande, Art. 16 DBA-Österreich, Art. 16 Abs. 2 DBA-Polen, Art. 16 DBA-Schweden, Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz, s. auch Tz. 1.2.2.3, Rn. 30). Bezüglich der Anwendung des Methodenartikels in Zusammenhang mit Art 15 Abs. 4 DBA-Schweiz wird auf das BMF-Schreiben vom 3. Dezember 2013, BStBl I S. 1610 hingewiesen.
Rz. 357
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Abfindungen wegen Auflösung des Arbeitsverhältnisses unterfallen ebenfalls den vorgenannten Sonderregelungen (BFH-Urteil vom 30. September 2020, BStBl II 2021 S. 275). Soweit gemäß dem anzuwendenden DBA auf die Eigenschaft als Geschäftsführer abzustellen ist, unterliegt die gesamte zugeflossene feste und variable Vergütung einschließlich einer Abfindungszahlung den vorgenannten Sonderregelungen (z. B. Art. 16 Abs. 2 DBA-Polen). Auf das Ende der tatsächlichen Ausübung (z. B. durch Freistellung, Aufkündigung des Geschäftsführervertrages oder Löschung im Handelsregister) kommt es insoweit nicht an (BFH-Urteil vom 30. September 2020, BStBl II 2021 S. 275). Soweit auf die konkrete Tätigkeit der Geschäftsführertätigkeit abzustellen ist, endet die Anwendung des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz für Organe von Kapitalgesellschaften bereits dann, wenn die Tätigkeit als leitender Angestellter nachweislich tatsächlich nicht mehr ausgeübt wird (i. d. R. ab Antrag auf Löschung aus dem Handelsregister oder Aufkündigung des Geschäftsführervertrages). Ab diesem Zeitpunkt greift der allgemeine Artikel über unselbständige Arbeit (Art. 15 OECD-MA).
Rz. 358
Stand: EL 138 – ET: 06/2024
Beispiel 1:
Der ausschließlich in Deutschland ansässige X arbeitet als Geschäftsführer für eine niederländische Kapitalgesellschaft und als Aufsichtsrat einer belgischen Kapitalgesellschaft. Seine Tätigkeit übt er zu 1/3 in den Niederlanden, zu 1/3 in Belgien und zu 1/3 in Drittstaaten aus.
Lösung:
Nach Art. 16 Abs. 1 DBA-Belgien bzw. Art. 15 Abs. 2 DBA-Niederlande steht ungeachtet dessen, ob X in geschäftsführender oder in überwachender Funktion tätig ist, dem jeweiligen Ansässigkeitsstaat der Kapitalgesellschaft das Besteuerungsrecht zu. Dies würde auch dann gelten, wenn X in Deutschland tätig wäre. Nach dem DB...