OFD Niedersachsen, Verfügung v. 29.11.2011, S 2350 - 32 - St 215
I. Allgemeine Grundsätze
Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Hierzu können nach § 9 Abs. 5 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG auch Bewirtungsaufwendungen eines Arbeitnehmers gehören.
Gleichwohl sind Aufwendungen, die die private Lebensführung berühren und bei denen eine genaue Aufteilung in einen beruflichen und einen privaten Teil nicht möglich ist, nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG steuerlich nicht abzugsfähig, auch wenn sie zugleich zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.
Ob der Steuerpflichtige Aufwendungen aus beruflichem Anlass tätigt oder ob es sich um Aufwendungen für die Lebensführung i.S. von § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG handelt, muss anhand einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls entschieden werden.
Als starkes Indiz für die berufliche Veranlassung der Bewirtung spricht, dass der Arbeitgeber die Veranstaltung ohne Mitspracherecht des betroffenen Beschäftigten organisiert und ausrichtet.
II. Prüfungsschema
Ob der Steuerpflichtige Bewirtungsaufwendungen aus beruflichem Anlass erbringt oder ob es sich um nicht abziehbare Aufwendungen der Lebensführung gem. § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG (Repräsentationsaufwendungen) handelt, muss anhand einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Dabei ist folgendes Prüfungsschema anzuwenden:
- Abzug dem Grunde nach (Abgrenzung berufliche/betriebliche oder private Veranlassung)
Abzug der Höhe nach
- Aufteilung von gemischt veranlassten Bewirtungsaufwendungen
- Anwendung der gesetzlichen Abzugsbeschränkung
1. Abzug dem Grunde nach
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist für die Beurteilung, ob Aufwendungen für eine Bewirtung beruflich oder privat veranlasst sind, in erster Linie auf den Anlass der Bewirtung abzustellen. Dieses stellt jedoch lediglich ein erhebliches Indiz, aber nicht das alleinige Kriterium für die Beurteilung einer beruflichen oder privaten Veranlassung der Bewirtungsaufwendungen dar. Vielmehr ist anhand der gesamten Umstände des Einzelfalles (u.a. Ort der Veranstaltung, Veranstalter, Teilnehmer, Modalitäten bei der Durchführung) zu ermitteln, ob die Veranstaltung eher einen beruflichen oder privaten Charakter hat (BFH-Urteil vom 10.7.2008, BFH/NV 2008 S. 1831).
a) Anlass der Bewirtung
Bewirtungskosten eines Arbeitnehmers für Geburtstags-, Beförderungs- und ähnliche Feiern, mit denen gewisse gesellschaftliche Repräsentationsverpflichtungen erfüllt werden, stellen, auch wenn sie zur Verbesserung des Betriebsklimas beitragen sollen, grundsätzlich typische steuerlich nicht abzugsfähige Aufwendungen für die Lebensführung i.S. des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG dar, die die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung mit sich bringt (siehe z.B. BFH-Urteil vom 28.3.1985, BFH/NV 1987 S. 231).
Nach der BFH-Rechtsprechung (z.B. Urteil vom 10.7.2008, BFH/NV 2008 S. 1831, m.w.N.) führt jedoch die Tatsache allein, dass der Arbeitnehmer
- eine Feier aus rein persönlichen Gründen ausrichtet (z.B. Geburtstag, Jubiläum)
- oder keine erfolgsabhängigen Bezüge hat,
nicht dazu, dass der Werbungskostenabzug ausgeschlossen werden müsste. Im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung sind daneben auch weitere Umstände heranzuziehen, so dass unter den nachstehend genannten Voraussetzungen ein Werbungskostenabzug möglich ist.
b) Ort der Bewirtung
Findet der Empfang der Gäste in den Räumlichkeiten des Arbeitgeber statt, so spricht dieses Indiz für eine berufliche Veranlassung.
Eine luxuriöse Umgebung (Anmietung einer Jacht oder eines Schlosssaals anlässlich der Durchführung der Feier) kann ein Anhaltspunkt dafür sein, dass die privaten Gründe für die Ausrichtung der Veranstaltung überwiegen. Das Gleiche gilt, wenn die Aufwendungen in einem extremen Missverhältnis zu den korrespondierenden Einnahmen stehen. Allerdings müsste auch hier in die Prüfung miteinbezogen werden, wer welchen Personenkreis eingeladen hat.
c) Teilnehmerkreis
Handelt es sich bei den Gästen um Geschäftspartner des Arbeitgebers, Angehörige des öffentlichen Lebens sowie der Presse, Verbandsfunktionäre, Kollegen, Mitarbeiter des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers und nicht um private Bekannte und Freunde des Arbeitnehmers, so kann dieses ein Anhaltspunkt und gewichtiges Indiz für eine berufliche Veranlassung sein.
d) Einladender
Ein starkes Indiz für eine berufliche Veranlassung der Bewirtung liegt vor, wenn der Arbeitgeber die Veranstaltung ohne ein Mitspracherecht des Arbeitnehmers organisiert und ausrichtet (Arbeitgeber tritt als Gastgeber auf und bestimmt die Gästeliste). Es handelt sich um ein Fest des Arbeitgebers.
Falls ein Arbeitnehmer jedoch neben der ausschließlich vom Arbeitgeber organisierten und ausgerichteten Veranstaltung noch eine weitere Veranstaltung aus Anlass desselben Ereignisses mit einem nahezu identischen Personenkreis organisiert, spricht Einiges dafür, dass die privaten Gründe der weiteren Veranstaltung in den Vordergrun...