Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Anordnung wegen Konkursantrag des Finanzamts
Leitsatz (NV)
1. Soll das FA durch einstweilige Anordnung verpflichtet werden, das Konkursverfahren gegen den Steuerschuldner nicht weiter zu betreiben, muß - die Zulässigkeit des Antrags unterstellt - für den Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht werden, daß dem Konkursantrag ein Ermessensfehler anhaftet.
2. Wir das Anordnungsverfahren (1.) für erledigt erklärt, nachdem das FA seinen im Hauptverfahren angefochtenen Konkursantrag zurückgenommen hat, ist über die Kosten des Anordnungsverfahrens nach § 138 Abs. 1 FGO zu entscheiden.
Normenkette
FGO § 114 Abs. 1 S. 2, Abs. 3, § 138 Abs. 1-2; ZPO § 920 Abs. 1-2
Tatbestand
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) beantragte beim Amtsgericht . . . wegen Steuerschulden, Säumniszuschlägen und Vollstreckungskosten die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Steuerschuldnerin, der Antragstellerin und Beschwerdeführerin. Diese erhob gegen den Konkursantrag Klage und beantragte beim Finanzgericht (FG), im wesentlichen unter Bestreiten eines Großteils der Schuldsumme, das FA im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, das Konkursverfahren nicht weiter zu betreiben und eine Aussetzung dieses Verfahrens herbeizuführen.
Das FG lehnte diesen Antrag ab. Es ließ offen, ob ein Rechtsschutzinteresse gegeben und der Antrag sonst zulässig sei, und verneinte einen Anordnungsanspruch mit der Begründung, selbst unter Berücksichtigung des Antragsvorbringens verblieben unbestrittene Abgabenschulden von wenigstens . . . DM, deretwegen die Aufrechterhaltung des Konkursantrags nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden könne.
Mit der Beschwerde machte die Antragstellerin im einzelnen geltend, im Ergebnis seien die Schulden bezahlt, die Nebenleistungen durch Überzahlungen und Sicherheitsleistungen abgedeckt, die Entscheidung des FA, den Konkursantrag nicht zurückzunehmen, ermessensfehlerhaft.
Das FA erklärte die Hauptsache für erledigt: der Konkursantrag sei für gegenstandslos erklärt worden, nachdem die Antragstellerin die offenen unstreitigen Rückstände in Höhe von - noch - . . . DM gezahlt habe.
Die Antragstellerin schloß sich der Erledigungserklärung an.
Beide Parteien beantragen, die Verfahrenskosten der Gegenseite aufzuerlegen.
Entscheidungsgründe
Über die Kosten des in der Hauptsache erledigten Verfahrens ist gemäß § 138 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Ein Fall von § 138 Abs. 2 FGO liegt nicht vor (vgl. Senat, Beschlüsse vom 2. August 1988 VII B 129/87, BFH/NV 1989, 248, und vom 9. Mai 1989 VII B 137/88, BFH/NV 1990, 52; ebenso für das Aussetzungsverfahren Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung 2. Aufl. 1987, § 138 Anm. 6).
Es entspricht billigem Ermessen, die Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen, denn sie hätte im Anordnungsverfahren voraussichtlich keinen Erfolg gehabt. Die Frage der Zulässigkeit des Antrags braucht der Senat weder unter dem auch von dem FA angesprochenen Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses noch unter dem Blickwinkel der Statthaftigkeit zu vertiefen (zu letzterem Senat, Beschluß vom 26. April 1988 VII B 176/87, BFH/NV 1988, 762). Jedenfalls fehlt es, wie das FG richtig entschieden hat, an dem erforderlichen Anordnungsanspruch (§ 114 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 FGO, § 920 Abs. 1 und 2 der Zivilprozeßordnung). Dafür hätte vorgetragen und glaubhaft gemacht werden müssen, daß dem vom FA gestellten, im Laufe des Verfahrens für ,,erledigt" erklärten Konkursantrag ein Ermessensfehler - z. B. Antragstellung ohne entsprechenden Grund - anhaftet (Senat, Beschluß vom 5. Juli 1988 VII B 19/88, BFH/NV 1989, 236). Davon kann indessen bei summarischer Beurteilung nicht ausgegangen werden. Auszugehen ist nach dem feststehenden Ablauf vielmehr davon, daß die Rückstände, die bei Ergehen der Vorentscheidung noch mindestens . . . DM betragen haben, vollständig erst . . . getilgt worden sind, kurz bevor das FA seinen Konkursantrag für erledigt erklärte. Daß der Antrag wegen viel höherer Rückstände gestellt worden war - darunter solcher, die im Laufe des Verfahrens durch Zahlungen vermindert wurden -, ist unerheblich. Es ist nicht ersichtlich, daß die dem Konkursantrag zugrunde liegenden Forderungen willkürlich zu hoch festgesetzt oder bestimmt worden wären und daß bei sachgerechtem Vorgehen kein Konkursantrag erfolgt wäre. Ohne Bedeutung ist auch, daß die Zustimmung der Oberfinanzdirektion zum Stellen des Konkursantrags bereits erteilt worden war, als womöglich höhere Rückstände vorhanden waren. Selbst bei Fehlen dieser rein innerdienstlichen Voraussetzung ist der Konkursantrag weder unwirksam noch ohne weiteres ermessensfehlerhaft. Im übrigen ist auch nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht worden, daß die Zustimmung an bestimmte Verhältnisse gebunden gewesen sei, die im Zeitpunkt des Konkursantrags nicht mehr vorgelegen hätten. Ermessensfehlerhaft wäre es freilich, wenn der Antrag lediglich als ,,Druckmittel" für die Abgabe von Steuererklärungen oder -anmeldungen gedient hätte. Es läßt sich jedoch auch aus der von der Antragstellerin insoweit vorgelegten anwaltlichen Versicherung nicht entnehmen, daß mit dem Konkursantrag allein dieses Ziel verfolgt worden wäre. Ein solcher Schluß kann auch nicht daraus gezogen werden, daß das FA vorgetragen hat, der Konkursantrag sei für erledigt erklärt worden, nachdem ,,. . . eingezahlt sowie die noch ausstehenden Umsatzsteuervoranmeldungen und Lohnsteueranmeldungen . . . eingereicht worden" seien.
Fundstellen
Haufe-Index 416980 |
BFH/NV 1990, 787 |