Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücknahme einer unzulässigen Beschwerde
Leitsatz (NV)
Auch eine unzulässige Beschwerde kann zurückgenommen werden.
Normenkette
FGO § 132
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdeführer zu 1 (Antragsteller) beantragte für sich und zugleich für die Antragstellerin und Beschwerdeführerin zu 2 (Antragstellerin) den Erlaß zweier einstweiliger Anordnungen zur Aussetzung der Zwangsvollstreckung gegen die Antragsgegner und Beschwerdegegner (Antragsgegner). Die Anträge wurden gestellt im Zusammenhang mit der Beitreibung eines Handelskammerbeitrages durch den Antragsgegner zu 1 bzw. im Zusammenhang mit der Erhebung von Beiträgen durch den Antragsgegner zu 2. Das Finanzgericht (FG) lehnte mit Beschlüssen vom 24. Dezember 1985 die Anträge, die nicht weiter begründet worden waren, als unzulässig ab. Der Rechtsweg zu dem FG sei nicht gegeben. Darüber hinaus seien die Anträge der Antragstellerin unzulässig, weil der Antragsteller trotz Aufforderung keine schriftliche Prozeßvollmacht der Antragstellerin vorgelegt habe. Diese Entscheidungen wurden den Beteiligten durch Niederlegung am 6. Januar 1986 zugestellt. Am 22. Januar 1986 trafen beim Bundesfinanzhof (BFH) zwei Schreiben vom 16. bzw. 17. Januar 1986 ein, die den auf Fotokopierpapier aufkopierten Briefkopf des Rechtsanwalts A tragen und in denen es unter Bezug auf die Beschlüsse des FG heißt, daß ,,wir" gegen die genannten Beschlüsse Beschwerde einlegen und die Begründungen umgehend folgen. Mit Schreiben vom 18. Februar 1986 an Rechtsanwalt A teilte der Vorsitzende des erkennenden Senats mit, daß die Beschwerden verspätet eingegangen seien und auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hingewiesen werde; ferner bat der Vorsitzende um Übersendung der Prozeßvollmacht. Daraufhin teilte Rechtsanwalt A mit Schreiben vom 24. Februar 1986 mit, daß er die Antragsteller nicht mehr vertrete. Auf fernmündliche Anfrage des Leiters der Geschäftsstelle des erkennenden Senats bei Rechtsanwalt A, ob die Schriftsätze vom 16. bzw. 17. Januar 1986 in seiner Kanzlei gefertigt worden seien, erklärte dieser, daß der Antragsteller unberechtigt Briefbögen mit dem Kopf seiner Kanzlei benutzt habe und er ihm nahelegen werde, die Beschwerden zurückzunehmen. Auf die mit Postzustellungsurkunde zugestellten Anfragen des Berichterstatters vom 16. April 1986 bei den Antragstellern, ob die Beschwerdeschriften von ihnen stammten und ggf. ob sie die Beschwerden aufrechterhielten, erfolgte keine Antwort. Mit Schreiben vom 18. April 1986 nahm Rechtsanwalt A namens und in Vollmacht der Antragsteller die eingelegten Beschwerden zurück. Die Aufforderung des Vorsitzenden des erkennenden Senats, bis spätestens 1. Juli 1986 die Prozeßvollmachten der Antragsteller zu übersenden, beantwortete Rechtsanwalt A nicht.
Die durch einen Rechtsanwalt vertretenen Antragsgegner beantragten, die Beschwerden zurückzuweisen.
Der Senat hält es für zweckmäßig, die beiden Verfahren VII B 28/86 und VII B 29/86 zur gemeinsamen Entscheidung zu verbinden (§ 73 Abs. 1 FGO).
Entscheidungsgründe
1. Die Zurücknahme einer Beschwerde setzt voraus, daß eine solche eingelegt worden ist. Das ist in beiden Verfahren der Fall. Aus den Angaben von Rechtsanwalt A und dem Schweigen der Antragsteller auf die Anfragen des Berichterstatters vom 16. April 1986 ist zu schließen, daß die Beschwerdeschriften vom 16. bzw. 17. Januar 1986 vom Antragsteller stammen und dieser auch im Einverständnis mit der Antragstellerin gehandelt hat.
2. Die Beschwerden sind zurückgenommen worden. Der Senat hat keine Zweifel daran, daß die Rücknahmeerklärungen durch Rechtsanwalt A namens und in Vollmacht der Antragsteller erfolgten. Eine Beschwerde kann zurückgenommen werden (sinngemäß § 72 FGO).
3. Die Beschwerden sind nach Ablauf der Beschwerdefrist des § 129 Abs. 1 FGO eingelegt worden und waren u. a. deswegen unzulässig. Diese Unzulässigkeit hindert allerdings ihre Zurücknahme nicht. Diese Frage ist in entsprechender Weise wie die Frage zu entscheiden, ob die Zurücknahme einer unzulässigen Revision möglich ist. Es ist einhellige Auffassung im Schrifttum, daß dies zutrifft (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 125 Anm. 2, mit Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur; Tipke/Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 125 FGO Anm. 5; v. Wallis in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 125 FGO Anm. 3).
4. Die Verfahren sind in entsprechender Anwendung des § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO durch Beschluß einzustellen. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 136 Abs. 2 FGO.
Fundstellen