Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug bei Bargeschäften; Verfahrensfehler bei Wahrunterstellung von Hilfstatsachen
Leitsatz (NV)
1. Die Feststellungslast für die tatsächlichen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs trägt nicht das Finanzamt, sondern der Unternehmer; denn es ist vor allem seine Sache und nicht das Risiko der Allgemeinheit, sich bereits vor Leistungserbringung (und nicht erst bei der Bezahlung) um die Identität seines Vertragspartners zu kümmern. An die Nachweispflichten sind strenge Anforderungen zu stellen, wenn umfangreiche Barzahlungen in einer Gaststätte abgewickelt worden sein sollen.
2. Von einer beantragten Zeugeneinvernahme darf nur dann abgesehen werden, wenn die Beweistatsache unerheblich, das Beweismittel unerreichbar oder die Tatsache als wahr unterstellt werden kann. Handelt es sich bei der zu beweisenden Tatsache um eine Hilfstatsache und gelangt das FG durch nicht zu beanstandende Überlegungen zu dem Ergebnis, dass sich im Ergebnis auch bei Wahrunterstellung nichts an seiner Überzeugungsbildung ändern würde, handelt es sich hierbei um eine tatsächliche Würdigung und nicht um einen mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend zu machenden Verfahrensfehler.
Normenkette
UStG § 15; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
Verfahrensgang
Sächsisches FG (Urteil vom 13.02.2007; Aktenzeichen 3 K 1249/06) |
Tatbestand
I. Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine Immobilienfirma in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts.
Für das Streitjahr 2003 machte die Klägerin den Vorsteuerabzug aus drei Rechnungen eines "Baugeschäftes H, X-Straße in Z" geltend. Die erste Rechnung trägt das Datum "20.11.2002" und betrifft Arbeiten der Hochwassersicherung im Ausführungszeitraum "bis August 2002", die zweite und dritte Rechnung tragen kein Datum und betreffen näher spezifizierte Arbeiten im "Ausführungszeitraum bis März 2003" bzw. "2.9.2002 bis 16.4.2003". Auf sämtlichen Rechnungen sind unter dem Datum vom 24. Mai 2003 Barzahlungen in der Gesamthöhe von 126 543,10 € quittiert worden.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erließ im Anschluss an eine Umsatzsteuersonderprüfung einen Vorauszahlungsbescheid für das zweite Vierteljahr 2003 (inzwischen ersetzt durch den Jahresbescheid 2003), in dem er die Vorsteuern aus den genannten drei Rechnungen in der Gesamthöhe von 17 454,22 € nicht anerkannte. Zur Begründung führte das FA aus, der in den Rechnungen genannte Aussteller habe weder die Bauleistungen erbracht noch die Rechnungen ausgestellt und auch nicht die quittierten Barzahlungen erhalten. Zudem sei unter der in den Rechnungen angegebenen Firmenanschrift kein Betriebssitz zu ermitteln gewesen. Die Rechnungsvordrucke stammten nicht von ihm und die in der Rechnung angegebene Telefon- und Kontonummer seien ihm nicht zuzurechnen.
Nach Zurückweisung des Einspruchs hat der Kläger Klage erhoben mit der Begründung, er habe die Rechnungsbeträge sämtlich in Gegenwart eines (zunächst ungenannten) Zeugen an den Rechnungsaussteller in bar gezahlt. Kurz vor der Bezahlung am 24. Mai 2003 habe er sich eine Freistellungsbescheinigung zur Bauabzugssteuer vom 17. April 2003 sowie einer Bescheinigung in Steuersachen vom 16. April 2003 vorlegen lassen, wonach das FA bestätigte, dass der Rechnungsaussteller H seit dem 5. März 2003 beim FA geführt werde.
Nach Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines Rechtsanwaltes hat das Finanzgericht (FG) die Klage abgewiesen.
Zur Begründung der Klageabweisung hat das FG ausgeführt: Der Vorsteuerabzug sei zu versagen, weil der als Zeuge vernommene angebliche Rechnungsaussteller H in seiner detailreichen Aussage glaubhaft bekundet habe, die Leistungen nicht ausgeführt und die Rechnungen nicht erstellt zu haben. Die Briefköpfe stammten nicht von ihm ebenso wenig wie Stempel und Handzeichen der auf den Rechnungen befindlichen Barquittungen. H habe den Gesellschafter der Klägerin zum ersten Male auf dem Gerichtsflur kennengelernt.
Dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Antrag auf Vernehmung des nunmehr namentlich benannten Zeugen L "zum Beweis der Geldübergabe von Herrn S an Herrn H für die drei in Streit stehenden Rechnungen" kam das FG nicht nach, weil es die unter Beweis gestellte Geldübergabe an H als wahr unterstelle. Auch in diesem Falle wäre nicht erwiesen, dass die in den Rechnungen genannten Bauleistungen von H erbracht worden seien. Die Geldübergabe könne auch auf einer völlig anderen, unternehmensfremden Grundlage erfolgt sein. H könne die Gelder auch lediglich als Empfangsbote des tatsächlich Leistenden erhalten haben. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) trage nicht der Fiskus, sondern der Steuerpflichtige das Risiko, dass es sich bei dem Rechnungsaussteller tatsächlich um denjenigen handele, der die Leistung ausgeführt habe (Urteil vom 24. April 1986 V R 110/76, BFH/NV 1987, 745; Beschluss vom 30. Oktober 2001 V B 92/01, BFH/NV 2002, 381; vom 21. April 2005 X B 115/04).
Die Klägerin hat Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und PKH sowie Aussetzung der Vollziehung beantragt. Zum Nachweis der Mittellosigkeit hat die Klägerin auf die beim FG eingereichte Erklärung über die persönlichen Verhältnisse Bezug genommen und zur Darlegung der Erfolgsaussichten auf die Beschwerdebegründung verwiesen.
Zur Begründung der Beschwerde führt die Klägerin aus, das FG habe verfahrensfehlerhaft den im Termin zur mündlichen Verhandlung benannten Zeugen L nicht vernommen. Es sei für die Klägerin nicht nachvollziehbar, weshalb der Zeuge H keinerlei Erinnerung mehr an die vertragliche Beziehung zur Klägerin habe. Auch könne der als Zeuge benannte L, der die Bauleistungen zunächst selbst habe durchführen wollen, aber wegen Insolvenz daran gehindert gewesen sei, über den gestellten Beweisantrag hinaus bekunden, dass er dem Zeugen H die Baubeschreibungen übergeben habe. Bei Bestätigung der Aussage durch den Zeugen L über die Geldübergabe wäre die Glaubwürdigkeit des Zeugen H in Zweifel gezogen worden, der bekundet habe, den Geschäftsführer der Klägerin nicht zu kennen. Weiterhin habe das FG die Aussage des Zeugen H, ihm sei die Freistellungsbescheinigung bei einem Einbruch 2002/2003 gestohlen worden, nicht zutreffend gewürdigt worden, weil diese das Datum vom 16. April 2003 trage.
Die Revision sei auch wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen wegen der Rechtsfrage, welches Maß von Sorgfaltspflicht der Unternehmer erfüllen müsse, um die Darlegungs- und Beweislast (für die Identität zwischen Rechnungsaussteller und Leistendem) in den Bereich der Finanzverwaltung zu verschieben.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) zuzulassen, weil der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die grundsätzliche Bedeutung entgegen § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht dargelegt hat. Hierzu wäre erforderlich gewesen, dass der Beschwerdeführer eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellt, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, weil sie in der Rechtsprechung oder der Literatur streitig ist (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 32, m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung des BFH der Unternehmer für das Vorliegen der den Rechtsanspruch auf Vorsteuerabzug begründenden Tatsachen die Feststellungslast trägt, denn es ist vor allem seine Sache und nicht das Risiko der Allgemeinheit, sich vor Leistungserbringung (und nicht erst bei Bezahlung) um die Identität seines Vertragspartners zu kümmern (vgl. BFH-Beschlüsse vom 12. Dezember 2001 V B 81/00, BFH/NV 2002, 553; vom 24. Juli 2002 V B 25/02, BFHE 199, 85). Hierbei hat der Senat bereits entschieden, dass an die Nachweispflichten besonders hohe Anforderungen zu stellen sind, wenn umfangreiche Leistungen --wie im Streitfall Bauleistungen für zusammen 126 543,10 €-- in einer Gaststätte in bar abgewickelt worden sein sollen (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81).
2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen, weil das FG dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag auf Vernehmung des Zeugen L zum Beweis der Geldübergabe an den Zeugen H nicht nachgekommen ist. Auf die Erhebung eines von einem Beteiligten bezeichneten Beweismittels darf im Regelfall nur dann verzichtet werden, wenn das Beweismittel nicht erreichbar oder die Beweistatsache rechtsunerheblich ist oder wenn die Richtigkeit der durch das Beweismittel zu beweisenden Tatsache zugunsten der betreffenden Partei unterstellt werden kann (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 19. Juni 1997 V R 54/96, BFH/NV 1998, 174; BFH-Beschluss vom 9. Januar 2004 XI B 236/02, BFH/NV 2004, 654). Handelt es sich bei der durch die beantragte Zeugenvernehmung zu beweisenden Tatsache um eine Hilfstatsache, so darf das FG die Hilfstatsache ohne weitere Beweiserhebung als wahr unterstellen, wenn es durch rechtlich nicht zu beanstandende Überlegungen zu der Auffassung gelangt, dass die behauptete Hilfstatsache den Schluss auf die zu beweisende Haupttatsache nicht zulässt (BFH-Urteil vom 14. September 1988 II R 76/86, BFHE 155, 157, BStBl II 1989, 150; BFH-Beschluss vom 15. Juni 2005 X B 180/03, BFH/NV 2005, 1843; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. November 1992 XII ZR 179/91, Neue Juristische Wochenschrift - Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 1993, 443). Nach diesen Grundsätzen ist die Ablehnung der Zeugeneinvernahme durch das FG nicht verfahrensfehlerhaft.
Das FG hat ausgeführt, dass es die unter Beweis gestellte Geldübergabe an den Zeugen H (Hilfstatsache) als wahr unterstelle, ohne dass sich damit ergebe, dass die in den Rechnungen ausgewiesenen Bauleistungen durch den Zeugen H erbracht worden wären (Haupttatsache). Denn nach den Gesamtumständen könne das Geld in diesem Falle auch auf einer anderen rechtlichen Grundlage (z.B. als Empfangsbote für einen Dritten) an den Zeugen H gezahlt worden sein. Es hat damit nachvollziehbar dargelegt, dass der Nachweis der in Frage stehenden Hilfstatsache an seiner Überzeugungsbildung nichts ändern würde. Soweit die Klägerin diese Auffassung für unzutreffend hält, wendet sie sich gegen die tatsächliche Würdigung des FG, legt aber keinen Verfahrensmangel dar (vgl. BFH-Beschluss vom 20. März 2007 VII B 251/06, BFH/NV 2007, 1359).
Fundstellen
Haufe-Index 1809784 |
BFH/NV 2007, 2368 |
UR 2007, 944 |