Entscheidungsstichwort (Thema)
Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs
Leitsatz (NV)
Will das FG eine angeordnete Beweisaufnahme nicht in vollem Umfang durchführen, muss es die Beteiligten davon in Kenntnis setzen. Erlässt es vor der vollständigen Ausführung eines Beweisbeschlusses ein Urteil, ohne einen entsprechenden Hinweis gegeben zu haben, versagt es das rechtliche Gehör.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 S. 3
Gründe
Die Beschwerde ist begründet.
1. Es liegt ein von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung des Finanzgerichts (FG) beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Das FG hat das rechtliche Gehör versagt (Art. 103 des Grundgesetzes ―GG―, § 96 Abs. 2 FGO).
Die Kläger beanstanden, dass das FG die vollständige Ausführung des Beweisbeschlusses vom 9. August 2001 unterlassen hat. Sie rügen damit ―unausgesprochen― zu Recht die Verletzung rechtlichen Gehörs. Durch einen Beweisbeschluss entsteht eine Verfahrenslage, auf welche die Beteiligten ihre Prozessführung einrichten dürfen. Sie können grundsätzlich davon ausgehen, dass das Urteil nicht eher ergehen wird, bis der Beweisbeschluss vollständig ausgeführt ist. Zwar ist das Gericht nicht verpflichtet, eine angeordnete Beweisaufnahme in vollem Umfang durchzuführen. Will das Gericht von dieser Möglichkeit jedoch Gebrauch machen, muss es darauf bedacht sein, dass es zu keiner Überraschungsentscheidung kommt. Es muss vor Erlass des Urteils die von ihm durch den Beweisbeschluss geschaffene Prozesslage wieder beseitigen. Dazu muss es für die Beteiligten unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass es den Beweisbeschluss als erledigt betrachtet. Erlässt das FG dagegen vor der vollständigen Ausführung eines Beweisbeschlusses ein Urteil, ohne einen entsprechenden Hinweis gegeben zu haben, versagt es das rechtliche Gehör (Urteile des Bundesfinanzhofs vom 6. Oktober 1971 I R 46/69, BFHE 103, 137, BStBl II 1972, 20; vom 12. August 1981 I R 10/78, juris Nr: STRE815055760; Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 5. November 2001 7 B 56/01, juris Nr: WBRE410008462).
Im Streitfall kann den Akten des FG kein Hinweis entnommen werden, dass dieses den Beteiligten mitgeteilt hat, der Beweisbeschluss werde nicht vollständig ausgeführt. Insbesondere enthält die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, auf welche das angefochtene Urteil erging, einen solchen Hinweis nicht.
Die Kläger haben diesen Verstoß auch in einer noch den Anforderungen des § 116 Abs. 3 FGO entsprechenden Weise dargelegt.
2. Der Senat hält es für angezeigt, nach § 116 Abs. 6 FGO zu verfahren, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO abgesehen.
Fundstellen