Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Begründung einer auf grundsätzliche Bedeutung und Verfahrensmängel gestützten Nichtzulassungsbeschwerde
Leitsatz (NV)
- Hat der BFH bereits mehrfach über die vom Beschwerdeführer als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage entschieden, muß in der Beschwerdeschrift dargelegt werden, aus welchen Gründen der Beschwerdeführer eine erneute höchstrichterliche Entscheidung über diese Rechtsfrage für erforderlich hält.
- Für eine ordnungsgemäße Rüge des Verfahrensmangels der Verletzung der Sachaufklärungspflicht von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 FGO) ist darzulegen, weshalb sich dem FG nach Lage der Akten eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen und weshalb der durch einen Prozeßbevollmächtigten fachkundig vertretene Beteiligte nicht von sich aus einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat.
- § 76 Abs. 2 FGO verpflichtet das FG nicht, die Beteiligten zu einer Substantiierung ihres Sachvortrags zu veranlassen, wenn die rechtliche Bedeutung der vorzutragenden Tatsachen für den Ausgang des Klageverfahrens auf der Hand liegt.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1-2, § 115
Tatbestand
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1994 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden.
Im Jahr 1956 hatten die Besatzungsmächte ein unbebautes Grundstück der Kläger requiriert. Für die Grundstücksübertragung erhielten die Kläger einen Ausgleichsbetrag von ... DM, den sie verzinslich anlegten.
Nachdem die amerikanischen Streitkräfte das Grundstück nicht mehr für ihre Zweck benötigten, war die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, den Zustand des Jahres 1956 wiederherzustellen. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 5. September 1994 wurden die Rückübertragung des Grundstücks auf die Kläger und die Zahlung eines Ausgleichsbetrags durch die Kläger vereinbart. Der Ausgleichsbetrag in Höhe von ... DM setzte sich zusammen aus dem Rückerwerbsbetrag von ... DM und Zinsen von ... DM. Die Zinsen wurden auf der Basis eines Zinssatzes von 2,8 v.H. p.a. errechnet. Der Vertrag enthält keine Bestimmungen über die Zinsberechnung. Nach einem von den Klägern vorgelegten Schreiben der Oberfinanzdirektion (OFD) vom 5. August 1994 und einer Auskunft des Bundesvermögensamtes vom 19. Dezember 1997 erfolgte die Rückabwicklung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, wobei der Bund das Grundstück gegen Rückzahlung der seinerzeit geleisteten Entschädigung zuzüglich Zinsen gemäß §§ 242, 327, 347 Satz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zurückübereignete.
In ihrer Einkommensteuererklärung 1994 machten die Kläger die aufgrund des Vertrages vom 5. September 1994 gezahlten Zinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend.
Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 1994 lehnte es der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) ab, die Zinsen als Werbungskosten oder negative Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen.
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, der Bund habe keinen Anspruch auf die Herausgabe der tatsächlich gezogenen Nutzungen aus dem in 1956 gezahlten Ausgleichsbetrag gehabt. Es sei lediglich eine abstrakte Verzinsung gemäß § 347 Satz 3 BGB gefordert worden. Dieser Beurteilung stehe nicht entgegen, daß der in § 347 BGB festgelegte Zinssatz von 4 v.H. im Streitfall auf 2,8 v.H. ermäßigt worden sei. Diese Ermäßigung beruhe auf einer Berücksichtigung einer Einkommensteuerlast von ca. 30 v.H.
Die an den Bund gezahlten Zinsen seien mithin keine negativen Einnahmen; denn diese seien nur dann anzunehmen, wenn ein Steuerbürger Einnahmen zurückzahle, die er zuviel erhalten und versteuert habe. Dies sei nur dann der Fall, wenn die erhaltenen Leistungen aufgrund einer rechtlichen oder tatsächlichen Verpflichtung zurückzugewähren seien. Eine Rückgewähr liege aber nicht vor, wenn der Anspruch des Gläubigers auf die Verzinsung unabhängig von der tatsächlichen Nutzung des Kapitals durch den Schuldner sei, sich also der Anspruch nicht auf die Herausgabe der tatsächlich gezogenen Nutzungen richte (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Oktober 1995 VIII R 56/91, BFH/NV 1996, 304).
Das FG hat die Revision nicht zugelassen.
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, der das FG nicht abgeholfen hat, beantragen die Kläger, die Revision nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zu verwerfen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Der Senat läßt offen, ob die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung den formellen Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO entspricht. Jedenfalls kommt eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht in Betracht, da der in der Beschwerdeschrift bezeichneten Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Zu der Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen vom Steuerpflichtigen gezahlte Zinsen als negative Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen sind, liegt bereits eine umfangreiche Rechtsprechung vor (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 13. Dezember 1963 VI 22/61 S, BFHE 78, 477, BStBl III 1964, 184; vom 19. Januar 1977 I R 188/74, BFHE 123, 124, BStBl II 1977, 847; vom 3. August 1993 VIII R 82/91, BFHE 174, 24, BStBl II 1994, 561; vom 17. Februar 1993 I R 21/92, BFH/NV 1994, 83; in BFH/NV 1996, 304). Nach der genannten Rechtsprechung kommen negative Einnahmen nur in Betracht, wenn ein Steuerpflichtiger Einnahmen zurückzahlt, die er in einem früheren Veranlagungszeitraum zuviel erhalten und versteuert hat. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil in BFH/NV 1996, 304 hierzu ausgeführt, von einer "Zurückzahlung" könne nur gesprochen werden, wenn im Rahmen eines bestimmten Rechtsverhältnisses vereinnahmte Zahlungen aufgrund einer tatsächlichen oder rechtlichen Verpflichtung zurückzugewähren seien. Der Senat hat das Vorliegen dieser Voraussetzung verneint, wenn der Steuerpflichtige zur Zahlung der Zinsen unabhängig davon verpflichtet ist, ob er das zu verzinsende Kapital zur Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen eingesetzt hat oder nicht.
Die Kläger haben nicht schlüssig dargetan, worin sie --unter Berücksichtigung der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BFH-- noch eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage sehen.
Die von den Klägern als grundsätzlich bedeutsam erachtete Frage, ob in Fällen der Rückübereignung requirierter oder enteigneter Grundstücke eine Rückabwicklung "ex tunc" anzunehmen sei, ist im Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, da die Beantwortung dieser Frage im wesentlichen von der Würdigung der im konkreten Fall festgestellten Tatsachen, insbesondere der Umstände, die zum Abschluß des Rückübertragungsvertrages geführt haben, abhängt (BFH-Beschlüsse vom 17. Dezember 1997 VIII B 27/97, BFH/NV 1998, 1218, und vom 14. Mai 1998 V B 4/98, BFH/NV 1998, 1383). Die Würdigung der entscheidungserheblichen Tatsachen obliegt gemäß § 118 FGO dem FG; sie ist für den BFH bindend und kann im Revisionsverfahren grundsätzlich nur daraufhin überprüft werden, ob sie mit den Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen vereinbar ist.
2. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch. Sie sind nicht in der durch § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Form bezeichnet worden.
a) Als einen Verfahrensfehler rügen die Kläger, das FG habe den Sachverhalt mangelhaft aufgeklärt (§ 76 FGO). Es habe sich bei seiner Entscheidung allein auf Stellungnahmen der OFD und des Bundesvermögensamtes gestützt. Da der eigentliche Entscheidungsträger in der Frage der Rückgabe des Grundstücks das Bundesministerium der Finanzen gewesen sei, hätte das FG von Amts wegen eine Stellungnahme dieser Behörde zu der Frage einholen müssen, ob eine Rückabwicklung des Kaufvertrages mit Wirkung ex tunc beabsichtigt gewesen sei. Außerdem habe es das FG versäumt, die Korrespondenz der Kläger mit den zuständigen Behörden zu diesem Sachverhalt anzufordern.
Mit diesem Vorbringen ist der Verfahrensmangel der Verletzung der Sachaufklärungspflicht von Amts wegen nicht schlüssig dargetan. Dazu hätte die Beschwerde u.a. darlegen müssen, weshalb sich dem FG nach Lage der Akten eine weitere Sachaufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen und warum die durch einen fachkundigen Prozeßbevollmächtigten vertretenen Kläger nicht von sich aus einen entsprechenden Beweisantrag gestellt haben (vgl. BFH-Beschlüsse vom 21. Juli 1995 V B 37/95, BFH/NV 1996, 55; vom 11. August 1993 II B 37/93, BFH/NV 1994, 251). Zwar hat das FG nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Der Amtsermittlungsgrundsatz wird aber durch die Mitwirkungspflicht des Beteiligten nach § 76 Abs. 1 Satz 2 FGO begrenzt. Die Sachaufklärungsrüge kann nicht dazu dienen, Beweisanträge zu ersetzen, welche die fachkundig vertretene Partei selbst in zumutbarer Weise hätte stellen können, aber zu stellen unterlassen hat (vgl. BFH-Beschluß vom 12. März 1996 VIII B 134/95, BFH/NV 1996, 691, m.w.N.).
b) Auch die weitere Verfahrensrüge, das FG habe gegen Verfahrensrecht verstoßen, indem es sich --entgegen seiner zuvor geäußerten Absicht und ohne vorausgehenden Hinweis-- in den Gründen seines Urteils nicht eingehend mit der Anspruchsgrundlage für die Rückübertragung des Grundstücks und den hierfür zu zahlenden Ausgleichsbetrag nebst Zinsen auseinandergesetzt habe, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Insoweit fehlt ein ausreichend substantiierter Vortrag. Das Vorbringen der Kläger könnte zwar als Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2 FGO) bzw. der Hinweispflicht durch den Vorsitzenden des FG-Senats (§ 76 Abs. 2 FGO) verstanden werden. Die Kläger hätten zur ordnungsgemäßen Bezeichnung des Verfahrensfehlers jedoch nicht nur angeben müssen, worauf das FG hätte hinweisen müssen oder welche Fragen es hätte stellen müssen, sondern auch, was darauf geantwortet worden wäre und inwiefern dieser Verfahrensfehler auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des FG entscheidungserheblich war (BFH-Beschluß vom 22. August 1996 V B 30/96, BFH/NV 1997, 162; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 120 Anm. 40). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift nicht. Die Kläger machen nur geltend, daß sie im Fall eines gerichtlichen Hinweises nicht auf mündliche Verhandlung verzichtet und in der mündlichen Verhandlung eingehend die Rechtsprechung der Zivil- und Verwaltungsgerichte zu Rückgewähransprüchen dargestellt hätten. Aus diesem Vorbringen ergibt sich nicht, daß der unterlassene Hinweis für die Entscheidung des FG ursächlich gewesen sein kann.
Im übrigen greift die Verfahrensrüge auch der Sache nach nicht durch.
Bei den richterlichen Hinweispflichten nach § 76 Abs. 2 FGO geht es weniger um die Sachaufklärung durch das Gericht als darum, Schutz und Hilfestellung für die Beteiligten zu geben, deren Eigenverantwortlichkeit dadurch aber nicht eingeschränkt oder beseitigt wird. Liegt die rechtliche Bedeutung bestimmter Tatsachen und die daraus folgende Erforderlichkeit, diese Tatsachen bei Gericht vorzubringen und zu substantiieren, auf der Hand, so stellt ein unterlassener Hinweis jedenfalls dann kein gegen § 76 Abs. 2 FGO verstoßende Pflichtverletzung dar, wenn der Kläger steuerlich beraten und im Prozeß entsprechend vertreten war (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 28. November 1991 XI R 13/90, BFH/NV 1992, 609, m.w.N., dort für den Fall der Formulierung des Klageantrags; Beschluß vom 17. April 1997 VII B 200/96, BFH/NV 1997, 693). Im Streitfall mußte den fachkundig vertretenen Klägern bewußt sein, daß mit einem Erfolg ihrer Anfechtungsklage nur zu rechnen war, wenn sie dem FG durch entsprechenden Tatsachenvortrag die Überzeugung vermitteln konnten, daß der Vertrag vom 5. September 1994 sie nicht nur zur Rückzahlung des Kaufpreises für das Grundstück, sondern auch zur Herausgabe der mit diesem Betrag erwirtschafteten Zinseinnahmen verpflichtete. Dies ergab sich für sie auch hinreichend deutlich aus dem Inhalt der Anfrage des FG beim Bundesvermögensamt vom 18. November 1997.
Fundstellen