Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindungswirkung eines gegenüber früherem Grundstückseigentümer ergangenen Einheitswertbescheids; Verfassungsmäßigkeit der Einheitsbewertung
Leitsatz (NV)
1. Mit der Anfechtungsklage gegen die Zurechnungsfortschreibung und die Neuveranlagung des Grundsteuermessbetrags betreffende Bescheide können keine Einwendungen gegen die Feststellung des Einheitswerts gegenüber dem früheren Grundstückseigentümer erhoben werden.
2. Das Absehen von einer neuen Hauptfeststellung führt noch nicht zu einem Verstoß der Einheitsbewertung des Grundvermögens gegen das Grundgesetz.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; AO 1977 § 182 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1; GrStG § 13 Abs. 1; FGO § 42
Verfahrensgang
FG Berlin (Urteil vom 26.01.2005; Aktenzeichen 2 K 2397/04) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erwarb im Jahr 2002 ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden nach seinen Angaben für 14 000 € zuzüglich Umsatzsteuer. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erließ daraufhin am 6. August 2003 einen Einheitswertbescheid und Grundsteuermessbescheid --Zurechnungsfortschreibung und Neuveranlagung des Grundsteuermessbetrags auf den 1. Januar 2003--, mit dem er das Gebäude auf den 1. Januar 2003 dem Kläger zurechnete und den Grundsteuermessbetrag auf diesen Stichtag auf 92,16 € festsetzte. Das FA führte in dem Bescheid ferner aus, der Einheitswert betrage wie bisher (Feststellungszeitpunkt 1. Januar 1994) 51 500 DM/ 26 331 €. Einspruch und Klage, mit denen sich der Kläger gegen die Höhe des Einheitswerts und des Grundsteuermessbetrags wandte, blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte in seinem Urteil aus, der Kläger könne mit seinen Einwendungen gegen die Höhe des Einheitswerts in dem hier vorliegenden Anfechtungsverfahren gegen die Bescheide über die Zurechnungsfortschreibung und die Neuveranlagung des Grundsteuermessbetrags nicht gehört werden. Das Urteil des FG wurde den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 7. Februar 2005 zugestellt.
Die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision vom 7. März 2005 ging am 10. März 2005 beim Bundesfinanzhof (BFH) auf dem Postweg ein. Die Beschwerdeschrift enthält unter der Anschrift des BFH den fettgedruckten Vermerk "vorab per Telefax" und die Telefaxnummer des BFH.
Nachdem die Senatsgeschäftsstelle die Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 14. März 2005 auf die Versäumung der bis 7. März 2005 laufenden Beschwerdefrist hingewiesen hatte, beantragte der Kläger mit am 29. März 2005 eingegangenem Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung, der Ablauf der Beschwerdefrist sowie ein Vorlagetermin drei Tage vor Fristablauf seien nach Zustellung des Urteils des FG von einer namentlich benannten langjährigen und zuverlässigen Mitarbeiterin seines Prozessbevollmächtigten notiert und in die EDV-gestützte Fristenkontrolle eingegeben worden. Die Akte sei an den vorgemerkten Daten vorgelegt worden. Der bearbeitende Rechtsanwalt habe am 7. März 2005 den Beschwerdeschriftsatz diktiert; die Mitarbeiterin habe ihn geschrieben und abends nach Unterzeichnung durch den Rechtsanwalt in die Ausgangspost gelegt. Obwohl die Beschwerdeschrift als zur Fristwahrung per Fax zu übermittelnder Schriftsatz gekennzeichnet gewesen sei, habe dies die Mitarbeiterin übersehen und die Beschwerdeschrift mit der einfachen Post hinausgesandt. Dieser Fehler der Mitarbeiterin, die regelmäßig kontrolliert werde, stelle eine absolute Ausnahme dar und sei ihm --dem Kläger-- nicht zuzurechnen. Der Kläger legte zur Glaubhaftmachung seines Vorbringens eine eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin sowie Unterlagen über die Erfassung der Frist in der EDV und die Fristenkontrolle vor.
Zur Begründung seiner Beschwerde macht der Kläger grundsätzliche Bedeutung und die Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geltend. Seine Bindung an einen gegenüber dem Voreigentümer ergangenen Einheitswertbescheid, den er selbst nicht habe anfechten können, sei verfassungswidrig. Der vom FA festgestellte Einheitswert liege weit über dem Kaufpreis und sei wegen der Alterswertminderung des Gebäudes deutlich zu hoch. Es sei verfassungswidrig, dass der Gesetzgeber seit über 30 Jahren keine neue Hauptfeststellung angeordnet habe.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
Nach seiner Ansicht kann die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Beschwerdefrist nicht gewährt werden. Im Übrigen hält das FA die Beschwerde auch für unbegründet.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Beschwerdefrist ist nach § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der Auslegung, die die Vorschrift im BFH-Urteil vom 26. Februar 2004 XI R 62/03 (BFHE 205, 9, BStBl II 2004, 564) gefunden hat, aufgrund der vom bevollmächtigten Rechtsanwalt einer zuverlässigen Angestellten erteilten Weisung, die Beschwerdeschrift zur Fristwahrung dem BFH per Telefax zu übermitteln, und den zur Fristwahrung in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten getroffenen Vorkehrungen zu gewähren.
2. Die vom Kläger angeführten Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert auch keine Entscheidung des BFH zu den vom Kläger aufgeworfenen Fragen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Die Rechtslage ist eindeutig.
Mit der Anfechtungsklage konnte sich der Kläger nur gegen die im angefochtenen Bescheid vom 6. August 2003 getroffenen Regelungen, nämlich die Zurechnungsfortschreibung und die Neuveranlagung des Grundsteuermessbetrags, wenden. Ein Einheitswert für das Gebäude wurde in dem Bescheid nicht festgestellt. Der bloße Hinweis auf die Fortgeltung des bereits festgestellten Einheitswerts ist keine vom FA getroffene Regelung, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist, und erfüllt somit nicht die Merkmale eines mit der Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) angreifbaren Verwaltungsakts (§ 118 Satz 1 der Abgabenordnung --AO 1977--). Der Kläger ist nach § 182 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 an die Feststellung des Einheitswerts gegenüber dem früheren Grundstückseigentümer gebunden. Nach dieser Vorschrift wirkt ein Feststellungsbescheid über einen Einheitswert (§ 180 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977) auch gegenüber dem Rechtsnachfolger, auf den der Gegenstand der Feststellung nach dem Feststellungszeitpunkt mit steuerlicher Wirkung übergeht. Ist der Bescheid über die Feststellung des Einheitswerts gegenüber dem Rechtsvorgänger bestandskräftig geworden, steht dem Rechtsnachfolger keine Anfechtungsbefugnis zu. Der Rechtsnachfolger kann vielmehr nur innerhalb der für den Rechtsvorgänger maßgebenden Einspruchsfrist Einspruch einlegen (§ 353 AO 1977). Der verfassungsrechtlich gebotene Rechtsschutz des Rechtsnachfolgers wird dadurch gewahrt, dass er --ebenso wie bereits der Rechtsvorgänger-- eine Wertfortschreibung (§ 22 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes --BewG--) und eine Fortschreibung zur Fehlerbeseitigung (§ 22 Abs. 3 BewG) beantragen und bei deren endgültiger Ablehnung durch das FA Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) erheben kann. Um eine solche Klage handelt es sich im vorliegenden Fall indes nicht.
Die Anfechtungsklage gegen den Grundsteuermessbescheid kann nicht darauf gestützt werden, dass der der Festsetzung des Steuermessbetrags zugrunde gelegte Einheitswert zu hoch sei. Die Einheitswertfeststellung ist nach § 13 Abs. 1 des Grundsteuergesetzes i.V.m. § 182 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 für die Festsetzung des Grundsteuermessbetrags verbindlich und somit Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 AO 1977. Entscheidungen in einem solchen Grundlagenbescheid können nach § 351 Abs. 2 AO 1977 im Einspruchsverfahren und nach § 42 FGO im Klageverfahren nur durch Anfechtung dieses Bescheids, nicht auch durch Anfechtung des Folgebescheids (Grundsteuermessbescheid), angegriffen werden.
Ohne dass es für die Entscheidung erheblich ist, wird der Kläger auf das BFH-Urteil vom 2. Februar 2005 II R 36/03 (BStBl II 2005, 428) hingewiesen. Danach führt das Absehen von einer neuen Hauptfeststellung noch nicht zu einem Verstoß der Einheitsbewertung des Grundvermögens gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes.
Fundstellen