Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerde gegen den Beschluß über die Aufnahme des Verfahrens nach Aussetzung wegen eines Strafverfahrens
Leitsatz (NV)
1. Das FG kann ein Verfahren wegen eines gegen den Kläger anhängigen Steuerstrafverfahrens nach § 74 FGO bis zum Abschluß des Strafverfahrens aussetzen, wenn die Tatumstände des Steuervergehens im Klageverfahren Bedeutung haben können.
2. Mit der endgültigen Einstellung des Strafverfahrens ist die Aussetzung beendet. Ein Beschluß über die Aufhebung der Aussetzung ist nicht erforderlich.
3. Entscheidet das FG über die Aufnahme des Verfahrens durch Beschluß, hat dieser nur deklaratorische Bedeutung. Dagegen ist die Beschwerde statthaft.
Normenkette
FGO §§ 74, 128 Abs. 1
Tatbestand
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute. Der Kläger betreibt einen ... -Handel sowie eine ... -Werkstatt. Anläßlich einer Betriebsprüfung für die Streitjahre 1979 bis 1985 wurde festgestellt, daß der Kläger zumindest in 39 Fällen die Bareinnahmen für ... verkäufe nicht in den Kassenbüchern und auch nicht als Umsätze erfaßt hatte. Ebenso hatte er die Einkäufe der Wagen nicht verbucht. Außerdem soll der Kläger Reparaturen ausgeführt und die Gegenstände nur gegen Barzahlung und ohne Rechnung herausgegeben haben.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) erhöhte darauf, dem Betriebsprüfer folgend, den Gewinn des Klägers um 15 v. H. vom Nettoumsatz der bisher nicht erklärten ... -Verkäufe. Für nicht erfaßte Reparatureinnahmen rechnete er jährlich einen Bruttobetrag von ... DM hinzu. Im übrigen wurden geringfügige Änderungen bei den Privatentnahmen berücksichtigt.
Gegen die entsprechenden Änderungsbescheide zur Einkommensteuer und Umsatzsteuer 1979 bis 1985 sowie gegen den Gewerbesteuer-Meßbescheid 1979 erhoben die Kläger bzw. der Kläger Einspruch. Sie wiesen darauf hin, die Einnahmen seien, soweit erinnerlich, sämtlich gebucht worden. Die Schätzung des Betriebsprüfers sei verfehlt. Das FA wies die Einsprüche gegen die Umsatzsteuerbescheide 1979 bis 1985, gegen den Gewerbesteuer-Meßbescheid 1979 sowie gegen die Einkommensteuerbescheide 1979 bis 1982 als unbegründet zurück und gab den Einsprüchen gegen die Einkommensteuerfestsetzungen 1983 bis 1985 lediglich insoweit statt, als es die erhöhten Kinderfreibeträge berücksichtigte.
Mit der Klage tragen die Kläger weiterhin vor, in der Gesamtsumme der in den Kassenbüchern erfaßten Einnahmen seien die 39 ... verkäufe enthalten. Sämtliche Umsätze seien auch umsatzsteuerlich erfaßt. In dem gegen den Kläger eingeleiteten Strafverfahren vor dem Amtsgericht X werde geklärt werden, welche Umsätze der Kläger tatsächlich verbucht habe.
Auf den übereinstimmenden Antrag der Beteiligten setzte daraufhin das Finanzgericht (FG) mit Beschluß vom 10. Februar 1993 das Verfahren bis zum Abschluß des Strafverfahrens vor dem Amtsgericht X aus.
Mit Urteil des Amtsgerichts X vom 3. November 1993 wurde der Kläger wegen einiger Vorfälle bestraft. Auf die Berufung des Klägers wurde das Verfahren mit Beschluß vom 1. Juli 1994 endgültig eingestellt. Mit Beschluß vom 17. Oktober 1994 nahm das FG unter Hinweis auf die endgültige Einstellung des Strafverfahrens das Verfahren wieder auf.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kläger, der das FG nicht abgeholfen hat. Trotz ihrer Ankündigung in ihrer Beschwerdeschrift vom 25. November 1994 haben die Kläger ihr Rechtsmittel nicht begründet.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Nach § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht, wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen sei. Das FG hat diese Voraussetzungen zutreffend im Hinblick auf das gegen den Kläger eingeleitete Strafverfahren als gegeben angesehen. Das Strafverfahren wegen eines Steuervergehens, dem Tatumstände zugrunde liegen, die in einem anhängigen Klageverfahren gegen die entsprechenden Steuerbescheide Bedeutung haben können, ist vorgreiflich i. S. des § 74 FGO. Denn die vorgreifliche Entscheidung bzw. Feststellung braucht für das auszusetzende Verfahren nicht bindend zu sein.
Es genügt, daß sie -- wie hier -- einen rechtlichen Einfluß auf das anhängige Verfahren hat (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 74 Anm. 2, 15; FG Rheinland-Pfalz, Beschluß vom 1. Juli 1991 5 K 1002/91, Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1991, 741; vgl. auch § 155 FGO i. V. m. §§ 148, 149 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --). Daß sich das FG in seinem Aussetzungsbeschluß auf § 155 FGO i. V. m. § 149 ZPO gestützt hat, ist nicht entscheidend.
Ist ein finanzgerichtliches Klageverfahren -- wie im Streitfall -- bis zur Entscheidung eines anderen Verfahrens ausgesetzt, so findet die Aussetzung mit der Entscheidung des anderen Verfahrens ohne Aufnahmeerklärung der Parteien ihr Ende. Ein Beschluß über die Aufhebung der Aussetzung ist nicht erforderlich (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 27. September 1990 I R 143/87, BFHE 162, 208, BStBl II 1991, 101, unter Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs -- BGH -- vom 24. Januar 1989 XI ZR 75/88, BGHZ 106, 295, Neue Juristische Wochenschrift 1989, 1729; Zöller/Greger, Zivilprozeßordnung, 19. Aufl., § 148 Rdnr. 8).
Die Aussetzung des Klageverfahrens war sonach bereits mit der endgültigen Einstellung des Strafverfahrens gegen den Kläger durch das Landgericht X mit Beschluß vom 1. Juli 1994 beendet. Dem mit der Beschwerde angefochtenen Beschluß des FG über die Aufnahme des Verfahrens vom 17. Oktober 1994 kommt deshalb lediglich deklaratorische Bedeutung bei. Die Beschwerde ist gleichwohl gemäß § 128 Abs. 1 FGO statthaft. Sie ist auch nicht mangels eines Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Denn aus der Sicht des Klägers liegt eine förmliche Gerichtsentscheidung vor, die seinem Begehren um eine weitere Aussetzung des Klageverfahrens entgegensteht und ihn insoweit formell beschwert (vgl. auch BFH-Beschlüsse vom 28. März 1990 II B 163/89, BFHE 159, 486, BStBl II 1990, 503, und vom 6. April 1992 IV B 167/91, BFH/NV 1992, 681). Daß der Kläger keine Beschwerdebegründung eingereicht hat, ist unerheblich (Gräber/Ruban, a. a. O., § 129 Anm. 6).
2. Die Beschwerde ist indes nicht begründet.
Das FG hatte das Klageverfahren bis zum Abschluß des gegen den Kläger eingeleiteten Strafverfahrens vor dem Amtsgericht X ausgesetzt. Wie es den Klägern unter dem 17. Oktober 1994 mitgeteilt hat, hat der Berichterstatter die Strafakten beigezogen, aus denen sich ergibt, daß das Strafverfahren gegen den Kläger durch Beschluß des Landgerichts X vom 1. Juli 1994 endgültig eingestellt worden und damit abgeschlossen ist. Die angeordnete Aussetzung hat damit -- ohne daß es eines Antrags der Beteiligten bedurft hätte -- ihr Ende gefunden. Dem entgegenstehende Gründe haben die Kläger weder geltend gemacht, noch sind sie aus den Akten ersichtlich.
Fundstellen