Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässiges Ablehnungsgesuch gegen Richter
Leitsatz (NV)
1. Ein Richterablehnungsgesuch, das der Antragsteller auf Umstände stützt, von denen er nicht weiß, welcher Richter des erkennenden Senats dafür verantwortlich ist, kann nicht pauschal gegen alle Richter des Senats gerichtet werden, unabhängig davon, ob sie mit den Umständen etwas zu tun hatten oder nicht. In solchen Fällen muß der etwa verantwortliche Richter gezielt ohne Namensbenennung abgelehnt werden, damit er ggf. vom Gericht ermittelt werden kann.
2. Die pauschale Verdächtigung eines Senats des BFH, alle Richter hätten sich bei einer Entscheidung von einem Druck des FG leiten lassen, ist verunglimpfend und daher unbeachtlich. An der Entscheidung über ein solches Ablehnungsgesuch können daher die mit einer derartigen Verdächtigung abgelehnten Richter mitwirken.
Normenkette
FGO § 51 Abs. 1 S. 1; ZPO § 42
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) legte nach Abweisung seiner auf § 46 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützten Untätigkeitsklage wegen Einkommensteuer 1989 durch das Finanzgericht (FG) Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision, gegen die Verwerfung seines Gesuchs auf Ablehnung der Richter, die über eine eventuelle Abhilfe der Nichtzulassungsbeschwerde zu entscheiden hatten, sowie gegen die Nichtgewährung von Akteneinsicht im Klageverfahren ein.
In allen drei Beschwerdesachen lehnt der Kläger den Vorsitzenden Richter am Bundesfinanzhof (BFH) H sowie alle anderen fünf, dem erkennenden Senat angehörenden Richter unter namentlicher Bezeichnung ab. Er stützt die Ablehnung ausschließlich auf Umstände im Zusammenhang mit dem bei dem erkennenden Senat anhängig gewesenen Parallelverfahren III B. . .. In diesem Verfahren war ebenfalls der Prozeßbevollmächtigte des Klägers aufgetreten, der Kläger selbst war aber nicht beteiligt.
Der Kläger macht im wesentlichen geltend, daß der Vorsitzende des zuständigen FG-Senats, der Vorsitzende Richter am FG A, Druck auf den erkennenden Senat zu einer umgehenden Entscheidung der Parallelsache ausgeübt habe. Es sei seinerzeit beim FG gerichtsbekannt gewesen, daß sich der Vorsitzende Richter am FG A gegenüber Richterkollegen seiner besonders guten Kontakte und seiner regelmäßigen Telefonate mit dem Vorsitzenden des erkennenden Senats, dem Vorsitzenden Richter am BFH H, gerühmt habe. Der zeitliche Ablauf der Entscheidung des erkennenden Senats in der Sache III B. . . habe diesem behaupteten Druck entsprochen.
Die Einflußnahme des FG auf den erkennenden Senat ergebe sich auch daraus, daß das FG bereits vor Zustellung der Senatsentscheidung in der Parallelsache vom 9. Oktober 1991 über deren Inhalt informiert worden sei. Objektiv müsse er - der Kläger - aus all diesen Umständen die Besorgnis ableiten, daß in dem beim erkennenden Senat anhängig gewesenen Verfahren III B. . . die Rechtsprechung in Abstimmung mit dem FG erfolgt sei und daher auch in dem vorliegenden Prozeß ein rechtsstaatliches Verfahren nicht zu erwarten sei.
Der Vorsitzende Richter am BFH H hat in einer dienstlichen Äußerung erklärt, daß er sich nicht für befangen halte. In einer Stellungnahme dazu hat der Kläger an seinem Befangenheitsantrag festgehalten.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet über das Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden Richter am BFH H ohne Mitwirkung dieses Richters. Die Ablehnungsgesuche gegen alle übrigen, dem Senat angehörenden Richter sind mißbräuchlich und mithin offensichtlich unzulässig. Sie bedürfen deshalb keiner gesonderten Entscheidung ohne Mitwirkung dieser Richter. Ebenso ist eine dienstliche Äußerung dieser Richter zu dem Ablehnungsgesuch nicht erforderlich.
Dabei hält es der Senat für zweckmäßig, die Verfahren wegen Ablehnung des Vorsitzenden Richters am BFH H in den drei Beschwerdesachen (Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision, gegen die Verwerfung des Gesuchs auf Ablehnung des Vorsitzenden Richters am FG A und der Richter am FG B, C und D und gegen die Nichtgewährung der Akteneinsicht) zur gemeinsamen Entscheidung zu verbinden.
1. Das Gesuch auf Ablehnung des Vorsitzenden Richter am BFH H in diesen Verfahren ist unzulässig.
a) Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 42 der Zivilprozeßordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Ein derartiger Grund ist gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus, jedoch nach Maßgabe einer vernünftigen, objektiven Betrachtung, davon ausgehen kann, der Richter werde nicht unvoreingenommen entscheiden. Unerheblich ist, ob ein solcher Grund wirklich vorliegt (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Beschluß vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555).
Der Ablehnungsgrund muß substantiiert dargelegt werden (vgl. Gräber / Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 51 Rdnr. 23, m.w.N.). Es müssen also Tatsachen vorgetragen werden, die bei objektiver Betrachtung die Besorgnis rechtfertigen könnten, der Richter werde nicht unvoreingenommen entscheiden. Diese Tatsachen sind nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 44 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.
Diesen Anforderungen wird das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen den Vorsitzenden Richter am BFH H nicht gerecht. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen für das Ablehnungsgesuch sind daher nicht erfüllt.
b) Der Kläger leitet seine Ablehnungsgründe ausschließlich aus einem Parallelverfahren ab, an dem er selbst nicht beteiligt war. Es bestehen schon Zweifel, ob Vorgänge in einem Verfahren mit anderen Beteiligten überhaupt die Besorgnis rechtfertigen können, daß sich die an diesem anderen Verfahren mitwirkenden Richter auch dem Kläger gegenüber nicht unvoreingenommen verhalten würden. Unzutreffende Rechtsauffassungen oder Verfahrensfehler, die nach Auffassung des Klägers in dem vorangegangenen anderen Verfahren deutlich geworden sind, können jedenfalls nicht als Gründe für eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit anerkannt werden (vgl. BFH-Beschluß vom 20. November 1990 VII B 32/90, BFH/NV 1991, 755).
Um die Besorgnis der Befangenheit gegenüber dem Kläger zu rechtfertigen, müßten daher aus dem anderen Verfahren Umstände vorgetragen werden, die über für den Kläger unbequeme Rechtsauffassungen der Richter zu materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Fragen hinausgehen. Dabei müßte es sich um Umstände handeln, von denen zu befürchten ist, daß sie sich auch noch in den vom Kläger angestrengten Verfahren auswirken können. Es muß bei vernünftiger, objektiver Betrachtung zu befürchten sein, daß die Richter aufgrund dieser besonderen Umstände die vom Kläger angestrengten Verfahren verfahrensrechtlich oder materiell-rechtlich nicht unvoreingenommen behandeln könnten.
Solche Umstände trägt der Kläger nicht vor.
c) Er behauptet in bezug auf das Verfahren III B. . . nur einen ungewöhnlichen Zeitablauf und das vorzeitige Bekanntwerden der Entscheidung des erkennenden Senats. Daraus und aus den Gerüchten über gute Kontakte des Vorsitzenden Richters am FG A zu dem Vorsitzenden Richter am BFH H leitet er den Verdacht einer Absprache zwischen dem FG und dem Vorsitzenden Richter am BFH H über eine beschleunigte Durchführung des seiner Auffassung nach nicht eilbedürftigen Verfahrens III B. . . ab.
Wie aus diesen Vorhaltungen, die insbesondere den Zeitablauf eines anderen Verfahrens ohne Beteiligung des Klägers betreffen, die Besorgnis abgeleitet werden könnte, der Vorsitzende Richter am BFH H sei in den Verfahren des Klägers in der Sache voreingenommen, ist nicht ersichtlich.
d) Tatsachen, die über Kontakte zur Feststellung der Dringlichkeit der Entscheidung des BFH hinaus auf eine inhaltliche Absprache in der Parallelsache III B. . . zwischen dem Vorsitzenden Richter am FG A und dem Vorsitzenden Richter am BFH H schließen lassen könnten, trägt der Kläger nicht vor.
Unabhängig davon hat der Kläger die Behauptung, der Vorsitzende Richter am FG A habe sich seiner guten Kontakte zu dem Vorsitzenden Richter am BFH H gerühmt, auch nicht glaubhaft gemacht. Er stützt sich nur auf Gerüchte und hat namentlich keine Zeugen benannt. Die Benennung ,,aller Richter des FG. . ." ist kein geeignetes Beweisangebot.
e) Die pauschale Ablehnung des Vorsitzenden Richters am BFH H sowie aller weiteren dem erkennenden Senat angehörenden Richter mit dem Vorwurf, zwischen dem erkennenden Senat und dem FG habe es vor Zustellung der Entscheidung in der Sache III B. . . einen Informationsfluß über das Ergebnis der Entscheidung gegeben, ist mißbräuchlich und daher unbeachtlich.
Der Senat hat die Entscheidung in der Sache III B. . . weder durch seinen Vorsitzenden noch durch seine Geschäftsstelle dem FG mitgeteilt. Das wird vom Kläger auch nicht behauptet. Folglich könnten die vom Kläger behaupteten Informationen an das FG allenfalls über andere Richter gelaufen sein.
Wie aber allein die vorzeitige Mitteilung über eine vom BFH getroffene Entscheidung durch einen Richter des BFH auf eine Befangenheit dieses Richters in einer Parallelsache schließen lassen kann, ist nicht ersichtlich.
Abgesehen davon hat der Kläger die von ihm behauptete vorzeitige Mitteilung der Entscheidung des BFH in der Sache III B. . . nicht zum Anlaß genommen, die einzelnen etwa für diese Mitteilung verantwortlichen Richter abzulehnen. Er konnte diese Richter zwar nicht namentlich benennen. Die für das vorzeitige Bekanntwerden der Entscheidung des BFH etwa verantwortlichen Richter hätten aber durch den BFH ggf. bestimmt werden können, wenn der Kläger sein Ablehnungsgesuch gezielt auf diese Richter gerichtet hätte (vgl. Gräber/Koch, a.a.O., § 51 Rdnr.19, m.w.N.). Statt dessen hat der Kläger alle dem Senat angehörenden Richter abgelehnt, unabhängig davon, ob sie tatsächlich mit dem vorzeitigen Bekanntwerden der Entscheidung des Senats etwas zu tun hatten oder nicht. Darin liegt eine Ablehnung des gesamten Spruchkörpers, die unstatthaft ist (vgl. BFH-Beschluß in BFH/NV 1991, 755, m.w.N.).
2. Gegen die an der vorliegend zu treffenden Entscheidung mitwirkenden Richter sind im wesentlichen nur die vorgenannten (unter 1. e) unbeachtlichen Gründe für eine Ablehnung geltend gemacht worden. Soweit das Ablehnungsgesuch des Klägers darüber hinaus als Verdächtigung zu verstehen ist, daß der Senat als solcher, d.h. alle an der Entscheidung in der Sache III B. . . mitwirkenden Richter und sogar darüber hinaus alle dem Senat angehörenden Richter, sich von einem Druck des FG hätten leiten lassen, sieht der Senat dies als verunglimpfend und aus diesem Grunde als unbeachtlich an (vgl. Gräber / Koch, a.a.O., § 51 Rdnr.29, m.w.N.). Da das Ablehnungsgesuch, soweit es über die Ablehnung des Vorsitzenden Richters am BFH H hinausgeht, somit mißbräuchlich und daher offensichtlich unzulässig ist, konnte der Senat darüber in geschäftsplanmäßiger Besetzung - ohne den Vorsitzenden Richter am BFH H- entscheiden (vgl. u.a. BFH-Entscheidungen vom 17. Juli 1974 VIII B 29/74, BFHE 112, 457, BStBl II 1974, 638; vom 2. Juli 1976 III R 24/74, BFHE 119, 227, BStBl II 1976, 627; Gräber/Koch, a.a.O., § 51 Rdnr.55, m.w.N.). Aus denselben Gründen ist eine dienstliche Äußerung dieser Richter des BFH gemäß § 51 FGO i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO nicht erforderlich (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 22.Februar 1960 1 BvR 36/60, BVerfGE 11, 1, 3).
Fundstellen