Entscheidungsstichwort (Thema)
Freiberufliche Tätigkeit in einem "ähnlichen" Beruf: Anforderungen an eine Wissensprüfung ‐ keine Gruppenähnlichkeit
Leitsatz (NV)
1. Macht der Steuerpflichtige geltend, einen Beruf auszuüben, der einem sog. Katalogberuf des § 18 Abs. 1 Satz 1 EStG ähnlich ist, und beantragt er zum Nachweis vergleichbarer Kenntnisse eine Wissensprüfung, braucht das FG diesem Antrag nicht stattzugeben, wenn er der Prüfung nur unter der Voraussetzung zustimmt, dass der fachkundige Prozessbevollmächtigte während der Prüfung jederzeit Zwischenfragen stellen kann.
2. Es ist geklärt, dass als ähnlicher Beruf i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG nur ein Beruf in Betracht kommt, der einem einzelnen Katalogberuf vergleichbar ist. Die Vergleichbarkeit mit einer Gruppe von Katalogberufen (sog. Gruppenähnlichkeit) reicht nicht aus.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1; FGO §§ 82-83, 116 Abs. 3 S. 3; ZPO § 402
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (Urteil vom 16.12.2002; Aktenzeichen 12 K 255/96) |
Gründe
Die Beschwerde ist --soweit sie zulässig erhoben worden ist-- nicht begründet und war deshalb zurückzuweisen.
1. Soweit der Kläger und Revisionskläger (Kläger) geltend macht, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, genügt die Rüge nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an eine schlüssige Darlegung des Revisionszulassungsgrunds.
a) Die Darlegung des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO setzt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage voraus, deren Klärung im Interesse der Allgemeinheit erforderlich und die im konkreten Streitfall voraussichtlich klärungsfähig ist (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Oktober 2001 III B 65/01, BFH/NV 2002, 217).
b) Dass der Kläger die Klärung einer über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Rechtsfrage für erforderlich hält, lässt sich der Beschwerdebegründung nicht entnehmen. Der Kläger stützt seine Rüge insoweit auf einen "gravierende(n) Verstoß gegen den verfassungsrechtlich geschützten Gleichheitssatz". Denn das Urteil beruhe auf einer "Ungleichbehandlung des teilweisen Autodidakten im Mixtypus". Damit macht der Kläger der Sache nach lediglich einen materiellen Rechtsfehler des Finanzgerichts (FG) bei der Auslegung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Die Rüge eines solchen Rechtsfehlers rechtfertigt aber für sich genommen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.
2. Ebenfalls nicht schlüssig dargelegt ist die Rüge, die Revision sei gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO wegen Erforderlichkeit der Rechtsfortbildung zuzulassen.
a) Eine Fortbildung des Rechts ist erforderlich, wenn über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist; insbesondere dann, wenn der Einzelfall im allgemeinen Interesse Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 217; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz. 147; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 115 Rz. 41).
b) Dass ungeklärte Rechtsfragen in diesem Sinn zu entscheiden wären, trägt der Kläger nicht vor. Er beruft sich darauf, eine aus betriebswirtschaftlichen, künstlerischen und schriftstellerischen Elementen bestehende Tätigkeit auszuüben. Ebenso wie im Fall des FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 8. Januar 2002 2 K 2286/99, juris) sei zu klären, inwieweit bei einem solchen "Mixtyp" ein ähnlicher Beruf i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ausgeübt werde.
An einer schlüssigen Darlegung der Erforderlichkeit einer Rechtsfortbildung durch den BFH fehlt es diesbezüglich schon deshalb, weil sich der Kläger nicht mit der Revisionsentscheidung zu dem zitierten Fall des FG Rheinland-Pfalz auseinandersetzt. Der beschließende Senat hat nämlich mit Urteil vom 28. August 2003 IV R 21/02 (BFHE 203, 152, BStBl II 2003, 919) über jene Revision entschieden und unter Bestätigung seiner bisherigen Rechtsprechung (z.B. Urteil vom 19. September 2002 IV R 74/00, BFHE 200, 326, BStBl II 2003, 27) ausgeführt, ein "ähnlicher Beruf" könne nicht bereits dann angenommen werden, wenn der Beruf nicht einem bestimmten Katalogberuf vergleichbar sei, sondern nur Ähnlichkeit mit der gesamten Gruppe der Katalogberufe aufweise (ständige Rechtsprechung, zuletzt Senatsurteil in BFHE 200, 326, BStBl II 2003, 27, unter 1.b). Bei dem in diesem Fall des Urteils in BFHE 203, 152, BStBl II 2003, 919 zu beurteilenden Beruf des beratenden Wirtschaftsingenieurs gehe es jedoch nicht um eine solche "Gruppenähnlichkeit". Der Beruf des Wirtschaftsingenieurs weise vielmehr die Besonderheit auf, dass er zwei bestimmte Katalogberufe, nämlich den des beratenden Betriebswirts und den des Ingenieurs, miteinander verbinde. Der Kläger macht indessen nicht geltend, einen solchen aus mehreren Katalogberufen zusammengesetzten Beruf auszuüben. Vielmehr beruft er sich im Kern auf eine "Gruppenähnlichkeit", ohne einen diesbezüglichen erneuten Klärungsbedarf darzulegen.
3. Weitgehend nicht schlüssig dargelegt und im Übrigen unbegründet ist die Rüge, eine Entscheidung des BFH sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).
a) Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert die Zulassung der Revision jedenfalls dann, wenn eine Entscheidung des BFH geeignet und erforderlich ist, um künftige unterschiedliche Entscheidungen einer Rechtsfrage zu verhindern. Das kann dann der Fall sein, wenn das FG von der Rechtsprechung des BFH oder anderer Gerichte abgewichen ist oder Unterschiede in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung bestehen oder zu erwarten sind (BFH-Beschluss vom 18. Juli 2001 X B 46/01, BFH/NV 2001, 1596). Die schlüssige Darlegung einer Abweichung erfordert, dass der Beschwerdeführer einen abstrakten Rechtssatz herausarbeitet, der das FG-Urteil trägt. Dem ist ein abweichender tragender Rechtssatz einer genau bezeichneten Divergenzentscheidung gegenüberzustellen (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. Beschlüsse vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479, und vom 22. November 1995 VIII B 13/95, BFH/NV 1996, 348).
b) Der Kläger beruft sich in Bezug auf mehrere Rechtsfragen auf eine Abweichung des FG von Entscheidungen des BFH, nämlich hinsichtlich der Bindungswirkung bestandskräftig festgestellter Besteuerungsgrundlagen, eines Vertrauensschutzes aufgrund langjähriger Handhabung durch die Verwaltung, einer Verkennung der Beweislast, der Auslegung des Begriffs neuer Tatsachen i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) und der Anforderungen an Tiefe und Breite der Ausbildung bei "ähnlichen Berufen". Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang zahlreiche Entscheidungen des BFH bezeichnet, macht er selbst nur in wenigen Fällen geltend, das FG sei von dem betreffenden Urteil abgewichen. Nur in Bezug auf die Anforderungen an die Ausbildung bei "ähnlichen Berufen" arbeitet die Beschwerde abweichende Rechtssätze des FG und des BFH heraus (s. dazu nachstehend unter c). Im Übrigen beinhaltet das Vorbringen der Sache nach nur die Rüge fehlerhafter Anwendung des Rechts durch das FG.
c) Zu Unrecht beruft sich der Kläger darauf, der BFH habe bei "ähnlichen Berufen" geringere Anforderungen als das FG an die Vergleichbarkeit der Ausbildung mit dem jeweiligen Katalogberuf gestellt. Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Beruf nur dann einem der im Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG genannten Berufe ähnlich sein, wenn Kenntnisse erworben worden sind, die in der Breite und Tiefe denjenigen entsprechen, die für die Ausübung des Katalogberufs erforderlich sind. Für den Beruf des beratenden Betriebswirts verlangt der BFH demgemäß, dass der Steuerpflichtige nach einem entsprechenden Studium oder einem vergleichbaren Selbststudium, verbunden mit praktischer Erfahrung, mit den hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaft (Unternehmensführung, Leistungserstellung --Fertigung von Gütern/Bereitstellung von Dienstleistungen--, Materialwirtschaft, Finanzierung, Vertrieb, Verwaltungs- und Rechnungswesen sowie Personalwesen) vertraut ist (vgl. etwa Senatsurteile in BFHE 200, 326, BStBl II 2003, 27, und in BFHE 203, 152, BStBl II 2003, 919).
Genau von diesen Anforderungen ist das FG im Streitfall ausgegangen und hat deshalb keinen abweichenden Rechtssatz aufgestellt. Soweit der Kläger die Anforderungen an die Vergleichbarkeit der Ausbildung für überspannt hält, macht er keine Abweichung des FG von einer Entscheidung des BFH, sondern eine fehlerhafte Rechtsauffassung des BFH geltend. Darauf kann jedoch die Rüge, eine Entscheidung des BFH sei zur Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, nicht gestützt werden.
4. Die Verfahrensrügen sind teils nicht schlüssig erhoben worden, teils liegen die gerügten Fehler nicht vor.
a) Nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Die nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderliche Darlegung des Verfahrensmangels setzt voraus, dass die Tatsachen genau angegeben werden, die den Mangel ergeben. Der Verfahrensmangel muss zudem schlüssig dargelegt werden. Das ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen --ihre Richtigkeit unterstellt-- den behaupteten Verfahrensmangel ergeben (Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 48; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 116 FGO Rz. 191).
b) Soweit der Kläger rügt, das FG habe die Klage betreffend Einkommensteuer zu Unrecht als unzulässig behandelt, ist die Rüge schon deshalb nicht schlüssig erhoben, weil das FG nach dem eigenen Vorbringen des Klägers die Frage der Zulässigkeit hat dahinstehen lassen. In einem solchen Fall weist das Gericht aber entgegen der Ansicht des Klägers die Klage nicht teilweise als unzulässig ab, sondern stützt seine Entscheidung ausschließlich auf die fehlende Begründetheit der Klage. Das Urteil kann mithin nicht auf der Beurteilung der Zulässigkeit der Klage beruhen.
c) Die Rüge, der Sachverständige habe die eigenen Darstellungen des Klägers für seine Begutachtung nicht ausgewertet, ist zumindest unbegründet. Denn spätestens mit seiner Stellungnahme vom 8. Dezember 2002 zu den Einwendungen des Klägers gegen das Gutachten hat der Sachverständige die vom Kläger selbst verfassten Beschreibungen seiner Tätigkeit in seine Begutachtung einbezogen. Sie ließen jedoch nach Auffassung des Gutachters, der das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandener Weise gefolgt ist, in Verbindung mit den anderen vorgelegten Unterlagen nicht den Schluss darauf zu, dass der Kläger über Kenntnisse der Betriebswirtschaft in der erforderlichen Breite und Tiefe verfügt hat.
d) Die Rüge des Klägers, der Gutachter habe einige der vorgelegten praktischen Arbeiten wegen Zweifeln an der Urheberschaft des Klägers nicht berücksichtigt, ist nicht begründet. Wie sich aus der Gesamtbeurteilung auf S. 13 des Gutachtens ergibt, hat der Sachverständige ungeachtet der geäußerten Zweifel an der Urheberschaft sämtliche vorgelegten Arbeiten für seine Beurteilung der daraus erkennbaren Kenntnisse ausgewertet. Die Zweifel an der Urheberschaft des Klägers waren deshalb für das Ergebnis des Gutachtens und für die darauf gestützte Entscheidung des FG nicht von Bedeutung.
e) Mit Beanstandung der Würdigung des vom Kläger vorgelegten Gutachtens durch das FG erhebt der Kläger keine ordnungsgemäße Verfahrensrüge. Denn eine fehlerhafte Beweiswürdigung kann nach ständiger Rechtsprechung nicht mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden (so schon BFH-Urteil vom 3. November 1982 I R 39/80, BFHE 137, 183, BStBl II 1983, 182, unter I.1.b.; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 82., m.w.N.).
f) Das FG hat schließlich zu Recht von der (weiteren) Anordnung einer Examinierung abgesehen. Wie der erkennende Senat mit Urteilen vom 4. Mai 2000 IV R 51/99 (BFHE 192, 439, BStBl II 2000, 616) und vom 26. Juni 2002 IV R 56/00 (BFHE 199, 367, BStBl II 2002, 768) entschieden hat, kann eine Wissensprüfung nur als ergänzendes Beweismittel und auf ausdrücklichen Antrag eines Klägers in Betracht kommen. Dabei ist der Senat ausdrücklich davon ausgegangen, dass mit der Examinierung der Nachweis über ein aktuell vorhandenes Wissen erbracht wird.
Das ursprüngliche Angebot des Sachverständigen zu einem Fachgespräch hätte eine derartige Wissensprüfung dargestellt, wovon auch das FG ausgegangen ist. Die Weigerung des Klägers, ein solches Fachgespräch zu führen, enthob das FG der Verpflichtung, von sich aus eine entsprechende Wissensprüfung anzuordnen. Dem ausdrücklich vom Kläger gestellten Antrag, eine Prüfung nach der Prüfungsordnung für Rechtsfachwirte vorzunehmen, bei der zwei praxisbezogene Fälle zur Wahl gestellt werden und darüber nach einer Vorbereitungszeit von 20 Minuten ein halbstündiges Fachgespräch durchgeführt wird, brauchte das FG nicht zu folgen. Revisionsrechtlich ist nicht zu beanstanden, dass das FG eine solche Prüfung nicht für ausreichend hielt, um einem Sachverständigen hinreichend Anhaltspunkte dafür zu bieten, dass der Kläger in den Streitjahren über die erforderlichen Kenntnisse der Betriebswirtschaftslehre verfügte.
Außerdem war der Kläger nicht von seiner zuvor geäußerten Auffassung abgerückt, sein Prozessbevollmächtigter müsse während der Wissensprüfung ein jederzeitiges Recht zu Zwischenfragen haben, weil er als Mitglied des Prüfungsausschusses für Wirtschaftsprüfer selbst hinreichende Sachkunde in Bezug auf das Beweisthema besitze. Unter dieser Bedingung kann einem Antrag auf Wissensprüfung nicht entsprochen werden. Das den Verfahrensbeteiligten nach § 82 FGO i.V.m. §§ 402, 397 der Zivilprozessordnung (ZPO) zustehende Fragerecht erstreckt sich nur auf Fragen an den Sachverständigen zu dem Ergebnis seiner Begutachtung. Auch aus dem Grundsatz der Beteiligtenöffentlichkeit (§ 83 FGO) folgt nicht ein jederzeitiges Fragerecht des Prozessbevollmächtigten. Macht ein Beteiligter von seinem Recht Gebrauch, einem Beweistermin des Sachverständigen beizuwohnen, kann er nach § 83 Satz 2 FGO sachdienliche Fragen an den Sachverständigen richten. Diesem Fragerecht wird aber im Fall einer Wissensprüfung ausreichend dadurch Rechnung getragen, dass der Bevollmächtigte nach Abschluss der Befragung des Klägers seinerseits Fragen an den Sachverständigen richten kann. Ein solches Fragerecht war im Streitfall zugestanden, vom Kläger aber zu Unrecht als nicht ausreichend zurückgewiesen worden.
Fundstellen