Entscheidungsstichwort (Thema)
Unverschuldete Nichtteilnahme an der mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung
Leitsatz (NV)
Entscheidet das FG aufgrund mündlicher Verhandlung, zu der der Prozeßbevollmächtigte des Klägers ordnungsgemäß geladen, aber nicht erschienen ist, so kann die -- auch unverschuldete -- Nichtteilnahme des Klägers und seines Prozeßbevollmächtigten an dem Verhandlungstermin weder unter den Gesichtspunkten der nicht ordnungsgemäßen Vertretung (§ 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO), der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand noch dem der Verletzung des rechtlichen Gehörs die zulassungsfreie Revision bzw. die Zulassung der Revision aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde begründen.
Normenkette
FGO §§ 56, 73 Abs. 1, § 96 Abs. 2, §§ 115, 116 Abs. 1 Nr. 3; GG Art. 103 Abs. 1; StBerG § 46 Abs. 2 Nr. 5
Tatbestand
Die Bestellung des Klägers, Revisionsklägers und Beschwerdeführers (Kläger) als Steuerberater wurde von dem Beklagten, Revisionsbeklagten und Beschwerdegegner (Finanzministerium -- FinMin --) wegen Vermögensverfalls (§ 46 Abs. 2 Nr. 5 des Steuerberatungsgesetzes -- StBerG --) wider rufen. In der Klageschrift gegen die Widerrufsentscheidung wurde ausgeführt, daß zur Begründung noch gesondert vorgetragen werde. Es werde vorab darauf hingewiesen, daß die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 StBerG nicht gegeben seien, jedenfalls die Voraussetzungen für den Ausnahmetatbestand vorlägen.
Die Ladung des Finanzgerichts (FG) zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 12. Dezember 1995, die den Hinweis enthält, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 91 Abs. 2 der Finanz gerichtsordnung -- FGO --), wurde den Prozeßbevollmächtigten des Klägers durch Postzustellungsurkunde am 23. November 1995 zugestellt. Das Gericht wies die Klage ab, obwohl in der mündlichen Verhandlung für den Kläger niemand erschienen war. Es führte aus, der Kläger bestreite nicht, daß er die eidesstattliche Versicherung nach § 807 der Zivilprozeßordnung (ZPO) abgegeben habe und damit in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 915 ZPO) eingetragen sei. Er habe keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergebe, daß er gleichwohl nicht in Vermögensverfall geraten sei bzw. daß trotz seines Vermögensverfalls die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet seien.
Der Kläger hat gegen das Urteil des FG Revision und Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
Die -- zulassungsfreie -- Revision wird auf die Verletzung rechtlichen Gehörs gestützt. Der Kläger und seine Prozeßbevollmächtigten hätten ohne ihr Verschulden keine Möglichkeit gehabt, im Termin zur mündlichen Verhandlung am 12. Dezember 1995 anwesend zu sein und sich zur Sache zu äußern. Die zu dem Termin geladenen Prozeßbevollmächtigten seien zur Zeit der Zustellung der Ladung nicht in der Kanzlei gewesen. Die Ladung sei aus nicht mehr feststellbaren Gründen von der Kanzleiangestellten, die sie entgegengenommen habe, nicht an die Prozeßbevollmächtigten oder in den orga nisatorisch vorgeschriebenen Postumlauf gegeben worden. Sie sei entgegen den bestehenden Anweisungen auch der für die Notierung des Posteingangs zuständigen Mitarbeiterin nicht vorgelegt worden, weshalb der Termin im Kalender nicht eingetragen gewesen sei. Dies müsse zu einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand führen.
Hätte der Kläger Gelegenheit gehabt, sich auf den Termin zur mündlichen Verhandlung einzustellen, so hätte er vorgetragen, daß die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung lediglich ein Indiz für den Vermögensverfall sei und daß dessen Vermutung widerlegbar sei. Diese Indizwirkung habe der Kläger bereits faktisch widerlegt, weil seit der eidesstattlichen Versicherung vom 14. Juni 1994 weitere Termine zur Ergänzung oder zur erneuten Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nicht stattgefunden hätten. Ferner wäre unter Beweis gestellt worden, daß es dem Kläger gelungen sei, seine finanziellen Verhältnisse in den Griff zu bekommen. Damit hätte die Klage Erfolg gehabt.
Die Nichtzulassungsbeschwerde wird auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützt. Die bisherige Rechtsprechung habe sich mit dem Streitkomplex noch nicht umfassend auseinandergesetzt. Sei die gesetzliche Vermutung (des Vermögensverfalls) widerlegbar, so müsse auch durch die Anwesenheit oder durch das Vertretenwerden im Termin die Widerlegbarkeit faktisch gewährleistet sein. Dies gelte um so mehr, wenn bereits die Lebenserfahrung und Gerichtskundigkeit Beleg dafür seien, daß die Voraussetzungen des Vermögensverfalls aufgrund der seit der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verstrichenen Zeit und den dadurch gewonnenen Stabilitäten auch ohne Widerlegung durch den Kläger obsolet geworden seien.
Ferner weiche das angefochtene Urteil von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. August 1995 VII R 63/94 (BFHE 178, 504, BStBl II 1995, 909) ab. In dieser Entscheidung sei dem FG aufgegeben worden, zu prüfen, ob der Kläger zur fraglichen Zeit in der Lage gewesen sei, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Diesen Überlegungen sei das FG im Streitfall nicht gefolgt. Es habe sich auch nicht mit den in dem zitierten Urteil angestellten Überlegungen des BFH befaßt, wonach eine Wiederbestellung dann in Betracht komme, wenn der Vermögensverfall nicht mehr andauere und die Vermögensverhältnisse sich nachhaltig gebessert hätten.
Entscheidungsgründe
Die Verfahren über die Revision (Az. VII R 23/96) und die Nichtzulassungsbeschwerde (Az. VII B 41/96) gegen das Urteil des FG werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden (§ 73 Abs. 1 FGO). Beide Rechtsmittel haben keinen Erfolg.
1. Die Revision ist unzulässig.
Gemäß Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs findet abweichend von § 115 Abs. 1 FGO die Revision nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der BFH sie zugelassen hat. Eine Zulassung der Revision durch das FG ist nicht erfolgt; auch die Nichtzulassungsbeschwerde an den BFH ist -- wie unter 2. auszuführen sein wird -- als unbegründet zurückzuweisen.
a) Als wesentlicher Mangel des Verfahrens, der die zulassungsfreie Revision begründen könnte, kommt allein in Betracht, daß der Kläger wegen der mangelnden Teilnahme seiner Prozeßbevollmächtigten an der mündlichen Verhandlung im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war (§ 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO). Eine nicht ordnungsgemäße Vertretung i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO ist aber nicht schlüssig gerügt worden. Dabei kommt es nicht darauf an, daß der Kläger die Revision nicht ausdrücklich auf den wesentlichen Verfahrensmangel der fehlenden ordnungsgemäßen Vertretung gestützt und die Vorschrift des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO nicht benannt hat (vgl. BFH-Urteile vom 25. August 1982 I R 120/82, BFHE 136, 518, BStBl II 1983, 46, 47, und vom 10. August 1988 III R 220/84, BFHE 154, 17, BStBl II 1988, 948, 949). Es fehlt auch an dem substantiierten Vortrag von Umständen, die geeignet sind, einen Verfahrensmangel i. S. von § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO zu begründen.§
116 Abs. 1 Nr. 3 FGO geht davon aus, daß der Beteiligte in gesetzwidriger Weise im Verfahren nicht vertreten war, weil das Gericht bei der Vorbereitung und Durch führung der mündlichen Verhandlung den Vorschriften des Gesetzes nicht genügt und dadurch dem Beteiligten die Teilnahme unmöglich gemacht hat. Ein Fall fehlender Vertretung läge somit insbesondere vor, wenn der Kläger bzw. sein Prozeßbevollmächtigter nicht ordnungsgemäß geladen worden wären (BFHE 154, 17, BStBl II 1988, 948, 949). Im Streitfall ist aber die Ladung zur mündlichen Verhandlung, in der der nach § 91 Abs. 2 FGO vorgeschriebene Hinweis enthalten war, dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers, der insoweit auch keine Einwendungen erhoben hat, wirksam durch die Post mit Postzustellungsurkunde durch Ersatzzustellung im Geschäftsraum (Aushändigung an eine Kanzleigehilfin) zugestellt worden (§ 53 Abs. 1 FGO, § 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes, § 183 Abs. 2 ZPO). Das FG hat somit in der Sitzung vom 12. Dezember 1995 zu Recht die ordnungsgemäße Ladung festgestellt und im Anschluß hieran trotz Abwesenheit des Klägers und seiner Prozeßbevollmächtigten verhandelt. Denn ein Verfahrensfehler liegt nicht vor, wenn ein Beteiligter aus einem in seiner Person oder in der Person des Prozeßbevollmächtigten liegenden, wenn auch unverschuldeten Grund nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen konnte (BFHE 154, 17, BStBl II 1988, 948, 950; BFH-Beschluß vom 12. April 1994 I R 43/93, BFH/NV 1995, 221).
Da die mangelnde Vertretung des Klägers in der mündlichen Verhandlung jedenfalls nicht auf einen Fehler des FG zurückzuführen ist, ist die zulassungfreie Revision nach § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO nicht statthaft. Auf die Frage, ob die fehlende Kenntnisnahme von der Ladung und demgemäß die Nichtteilnahme an der Verhandlung auf einem Verschulden der Prozeßbevollmächtigten oder einem ihnen und dem Kläger nicht zuzurechnenden Büroversehen beruht, kommt es nicht an.
b) Soweit der Kläger im Hinblick auf die Verhinderung seiner Prozeßbevollmächtigten an der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes -- GG --, § 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO) erhoben hat, kann dies die Statthaftigkeit der Revision nicht begründen, weil diese Rüge in der Aufzählung der Gründe für die zulassungsfreie Revision (§ 116 Abs. 1 FGO) nicht enthalten ist (BFH-Beschlüsse vom 11. April 1978 VIII R 215/77, BFHE 125, 28, BStBl II 1978, 401, und in BFH/NV 1995, 221, 222).
c) Auch das Begehren des Klägers nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) wegen unverschuldeter Versäumung des Termins zur mündlichen Verhandlung, mithin auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, vermag die zulassungsfreie Revision nicht zu begründen. Das FG hat bereits durch -- unanfechtbaren -- Beschluß vom 9. Februar 1996 derartige bei ihm gestellte Anträge des Klägers abgelehnt. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei einer unverschuldeten Versäumung des Termins zur mündlichen Verhandlung kommt im finanzgerichtlichen Verfahren nicht in Betracht, da § 56 FGO nur für die Versäumung gesetzlicher Fristen gilt und auf die Versäumung von Terminen nicht anwendbar ist (vgl. BFHE 154, 17, BStBl II 1988, 948, 951; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 56 Rz. 2). Im übrigen begründet auch dieser Tatbestand keinen wesentlichen Verfahrensmangel i. S. des § 116 Abs. 1 FGO.
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat ebenfalls keinen Erfolg.
a) Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO) könnte wohl unter dem Gesichtspunkt des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zur Zulassung der Revision führen, wobei es im Streitfall unerheblich sein dürfte, daß der Kläger diesen Verfahrensfehler zur Begründung der -- seiner Ansicht nach -- zulassungsfreien Revision geltend gemacht hat. Denn die Begründung der Revision und der Nichtzulassungsbeschwerde sind im selben Schriftsatz enthalten, so daß die -- wie oben (1. b) ausgeführt zu Unrecht -- hinsichtlich der Revisionsbegründung vorgetragenen Tatsachen auch unter dem Gesichtspunkt der Nichtzulassungsbeschwerde Berücksichtigung finden können (vgl. § 115 Abs. 3 Satz 3, § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO). Es kann aber dahinstehen, ob der Kläger die Versagung des rechtlichen Gehörs i. S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO ordnungsgemäß gerügt hat. Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs ist jedenfalls unbegründet.
Das FG hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht dadurch verletzt, daß es gegen den in der mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Kläger entschieden hat, obwohl diesem und seinen Prozeßbevollmächtigten die Möglichkeit einer Teilnahme mangels Kenntnis vom Verhandlungstermin verwehrt war. Dies gilt auch dann, wenn der Kläger und die Prozeßbevollmächtigten die fehlende Kenntnis vom Verhandlungstermin nicht verschuldet haben. Denn die Durchführung der mündlichen Verhandlung trotz unverschuldeter Versäumung des Verhandlungstermins hat -- wie der BFH in BFHE 154, 17, BStBl II 1988, 948, 950 entschieden hat -- nicht zwangsläufig eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zur Folge.
Das Grundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG auf rechtliches Gehör vor Gericht gebietet, daß der Beteiligte an einem gerichtlichen Verfahren die Gelegenheit haben muß, sich zur Sache zu äußern. Es hat darüber hinaus zum Inhalt, daß der betroffene Bürger vom Gericht auch gehört wird. Art. 103 Abs. 1 GG begründet deshalb auch die Pflicht des Gerichts, das Vorbringen eines Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts -- BVerfG -- vom 10. Juni 1975 2 BvR 1086/74, BVerfGE 40, 101, 105).
Das FG hat dem Kläger ausreichend Gelegenheit gegeben, sich vor Erlaß der Entscheidung zum gesamten Sachverhalt zu äußern. Wenn dieser etwa im Hinblick auf den Versuch, mit dem FinMin zu einer außergerichtlichen Einigung zu gelangen -- was aber dem FG im Streitfall nicht erkennbar war --, im Klageverfahren nicht erschöpfend vorgetragen hat, so steht dies der uneingeschränkten Äußerungsmöglichkeit nicht entgegen.
Das rechtliche Gehör wurde auch nicht allein dadurch verletzt, daß dem Kläger mangels persönlicher Anwesenheit oder Anwesenheit eines Vertreters die Möglichkeit genommen war, sich in der mündlichen Verhandlung zum Streitstoff zu äußern. Das FG genügt -- wie im Streitfall geschehen -- seiner Verpflichtung, den Beteiligten rechtliches Gehör im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu gewähren, dadurch, daß es eine mündliche Verhandlung anberaumt, die Beteiligten ordnungsgemäß lädt und die mündliche Verhandlung zu dem festgesetzten Zeitpunkt durchführt. Da der Gesetz geber bei ordnungsgemäßer Ladung die Durchführung der mündlichen Verhandlung auch in Abwesenheit eines Beteiligten ohne Rücksicht auf den Grund seines Ausbleibens zuläßt, nimmt er ersichtlich in Kauf, daß ein Beteiligter auch unverschuldet an der Teilnahme verhindert sein kann. Diese Rechtsfolge stößt -- wie der BFH in BFHE 154, 17, BStBl II 1988, 948, 950 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des BVerfG ausgeführt hat -- auf keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Das Gericht kann zwar im Rahmen seiner Ermessensentscheidung, ob es trotz Ausbleibens eines Beteiligten in der Sache entscheidet oder den Termin vertagt, indes dann zur Vertagung verpflichtet sein, wenn die Entscheidung nur aufgrund tatsäch licher oder rechtlicher Gesichtspunkte erfolgen könnte, zu denen dem abwesenden Beteiligten zuvor kein rechtliches Gehör gewährt worden war oder wenn es weitere Sachaufklärung für erforderlich hält (BFHE 154, 17, BStBl II 1988, 948, 951, m. w. N.). Derartige Verfahrenssituationen lagen im Streitfall aber nicht vor.
Soweit schließlich in dem BFH-Urteil in BFHE 154, 17, BStBl II 1988, 948, 951 noch ausgeführt wird, dem Kläger bleibe es im Falle der unverschuldeten Verhinderung auch unbenommen, substantiiert darzulegen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen er in der mündlichen Verhandlung noch vorgetragen hätte, durch deren unterbliebene Berücksichtigung des FG, "auf dessen Verschulden es insoweit nicht ankomme" (BVerfGE 40, 101, 105) sein rechtliches Gehör verletzt habe, vermag auch dieser Gesichtspunkt im Streitfall den gerügten Verfahrensverstoß nicht zu begründen. Der vorstehend zitierte Beschluß des BVerfG bezieht sich -- wie auch die dort angeführten weiteren Rechtsprechungszitate zeigen -- auf den Fall der Nichtberücksichtigung eingereichter Schriftsätze durch das Gericht. Hierfür hat das BVerfG ausgeführt, es sei unter dem Blickpunkt des Art. 103 Abs. 1 GG belanglos, ob die Nichtberücksichtigung des Schriftsatzes auf einer Maßnahme der Geschäftsstelle beruhe oder ob ein Versehen des Richters anzunehmen sei. Da das Gericht insgesamt dafür verantwortlich sei, daß dem Gebot des rechtlichen Gehörs Rechnung getragen werde, komme es auf ein Verschulden dabei nicht an. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, daß unabhängig von einem verfahrens-"fehlerhaften" Verhalten des Gerichts alle entscheidungserheblichen Tatsachen unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs noch Berücksichtigung finden müssen, die der Beteiligte wegen Unkenntnis von dem Termin in der mündlichen Verhandlung nicht vortragen konnte. Denn im Gegensatz zu dem Fall der Nichtberücksichtigung eingereichter Schriftsätze trägt das Gericht keine Verantwortung dafür, wenn der ordnungsgemäß geladene Beteiligte bzw. sein Prozeßbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung ausbleibt.
Im übrigen könnte selbst unter Berücksichtigung des tatsächlichen Vorbringens des Klägers in der Revisions- und Beschwerdeschrift eine für die Entscheidung ursäch liche Verletzung rechtlichen Gehörs nicht angenommen werden. Das FG ist bei seiner Entscheidung zu Recht davon ausgegangen, daß die Eintragung eines Steuerberaters in das Schuldnerverzeichnis (§ 915 ZPO) gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 5 StBerG die gesetzliche Vermutung begründet, daß dieser in Vermögensverfall geraten ist. Es hat diese Vermutung auch für widerlegbar angesehen, die Klage aber mangels dahingehenden Tatsachenvortrags abgewiesen. Der Kläger hat auch in der Rechtsmittelschrift keine Tatsachen benannt, denen entnommen werden könnte, daß sie -- wären sie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden -- zu einer anderen Entscheidung hätten führen können. Das gilt sowohl für den Vortrag, daß nach seiner eidesstattlichen Versicherung vom 14. Juni 1994, die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erst eineinhalb Jahre zurücklag, keine Termine zur Abgabe weiterer eidesstattlicher Versicherungen mehr stattgefunden hätten, als auch für die Behauptung, die Vermutung des Vermögensverfalls sei bereits nach der Lebenserfahrung durch den Zeitablauf seit der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung faktisch widerlegt. Die weitere Behauptung, es sei dem Kläger gelungen, seine finanziellen Verhältnisse in den Griff zu bekommen, und das dafür erwähnte, nicht näher bestimmte Beweisangebot sind zu unsubstantiiert, als daß daraus entnommen werden könnte, sie hätten das FG zu einer anderen Entscheidung und sei es auch nur zu einer weiteren Sachverhaltsermittlung veranlassen können. Eine Zulassung der Revision wegen der Verletzung rechtlichen Gehörs als Verfahrensfehler kommt somit auch deshalb nicht in Betracht, weil den Darlegungen des Klägers eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das FG nicht entnommen werden kann.
b) Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) gestützt wird, fehlt es bereits an der Zulässigkeitsvoraussetzung der Darlegung einer bestimmten konkreten Rechtsfrage und ihrer über den Streitfall hinausgehenden Bedeutung für die Allgemeinheit (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO; vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Rz. 61). Hierfür reicht die Behauptung, daß sich die bisherige Rechtsprechung "mit dem Streitkomplex noch nicht umfassend auseinandergesetzt" habe, nicht aus. Die Auffassung des Klägers, die Widerlegbarkeit einer gesetzlichen Vermutung müsse auch durch die Anwesenheit oder durch das Vertretenwerden im Termin faktisch gewährleistet sein, ist in rechtlicher Hinsicht offenkundig zutreffend und bedarf keiner weiteren Klärung. Wie oben ausgeführt, ist aber dieses Recht bei ordnungsgemäßer Ladung zum Termin ausreichend gewährleistet, so daß auch das unverschuldete Ausbleiben des Klägers und seines Vertreters in der münd lichen Verhandlung keinen die zulassungsfreie Revision oder die Nichtzulassungsbeschwerde begründenden Verfahrensmangel darstellt.
c) Auch die vom Kläger gerügte Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) des Urteils des FG von der Senatsentscheidung in BFHE 178, 504, BStBl II 1995, 909 (Widerlegbarkeit der gesetzlichen Vermutung des Vermögensverfalls) ist i. S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht ausreichend bezeichnet. Hier fehlt es an der Gegenüberstellung abstrakter Rechtssätze, die einerseits dem FG- Urteil und andererseits der Senatsentscheidung zugrunde liegen und aus denen sich die Abweichung ergibt (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 63, m. w. N.). Das FG hatte im übrigen -- wie oben ausgeführt -- aufgrund der ihm vorgetragenen Tatsachen keinen Anlaß, auf die Frage der Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des Vermögensverfalls des Klägers und die Möglichkeit zu einer Wiederbestellung als Steuerberater näher einzugehen.
Fundstellen