Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Verstoß gegen Sachaufklärungspflicht; grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache
Leitsatz (NV)
1. Für die Rüge eines Verstoßes gegen die Sachaufklärungspflicht des FG muss die NZB genau bezeichnen, welche Tatsachen das FG ohne besonderen Antrag hätte aufklären müssen und weshalb sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung ohne einen entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen.
2. Zur Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache muss eine für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche Rechtsfrage herausgestellt und substantiiert dargelegt werden, weshalb diese im allgemeinen Interesse liegt; die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein.
3. Nicht entscheidungserheblich sind Rechtsfragen, auf die das FG seine Entscheidung nicht gestützt hat.
4. Durch die Rechtsprechung des BFH ist bereits geklärt, dass der Schutz des guten Glaubens nach § 6a Abs. 4 UStG 1999 erst dann in Betracht kommt, wenn die Nachweispflichten nach §§ 17a ff. UStG vollständig erfüllt sind.
Normenkette
UStG 1999 § 6a; UStDV 1999 § 17a; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
FG München (Beschluss vom 09.06.2005; Aktenzeichen 14 K 1764/03) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betreibt einen Kfz-Handel. Im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung stellte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) fest, dass in den für das Jahr 2000 (Streitjahr) erklärten Umsätzen aus innergemeinschaftlichen Lieferungen Umsätze aus der Lieferung von zwei Gebrauchtfahrzeugen an die Firma M in Belgien enthalten sind, die nach § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1999 steuerfrei behandelt wurden. Die beiden Kfz waren beim Kläger von einem Herrn Y von der Firma SE --diese mit Sitz in Deutschland-- in Empfang genommen worden, der als Beauftragter des Geschäftsführers der Firma M, Herrn MM aufgetreten sei. Dazu wurde jeweils eine "Übernahme/Empfangsbestätigung" vom 26. Januar 2000 vorgelegt, die auf Seiten des Käufers/Empfängers zwar den Firmenstempel der Firma M aufweist, aber für diese keinerlei Unterschrift, sondern nur ein "X" erkennen lässt; eine Erklärung über die Beförderung nach Belgien enthält diese Bestätigung nicht, es ist lediglich die Firma M in Belgien als Bestimmungsort angegeben.
Das FA vertrat die Auffassung, dass die nach § 6a Abs. 3 UStG 1999 i.V.m. § 17a der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) 1999 erforderlichen Nachweise für das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung vom Kläger nicht erbracht worden seien und unterwarf die Umsätze aus den beiden Lieferungen der Umsatzsteuer.
Einspruch und Klage gegen den geänderten Umsatzsteuerbescheid 2000 vom 24. Juni 2002 blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) stützte die Klageabweisung darauf, dass nicht eindeutig und leicht nachprüfbar sei, wer die beiden Kfz in Empfang genommen habe und ob sie vom Abnehmer in ein Land des übrigen Gemeinschaftsgebietes verbracht werden sollten (§ 17a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nrn. 3 und 4 UStDV 1999). Die vom Kläger vorgelegte Bestätigung über die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) stelle keinen Nachweis über die innergemeinschaftliche Lieferung dar; dem fehlenden Nachweis entspreche außerdem die vom Bundesamt für Finanzen am 28. Mai 2001 übermittelte Einzelauskunft, dass bei der Überprüfung der Firma M keine Rechnungen des Klägers oder sonstige Hinweise auf Geschäftsbeziehungen in der Buchführung gefunden werden konnten. Auch komme die Anwendung der Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 UStG 1999 nicht in Betracht, weil diese voraussetze, dass der Unternehmer zunächst seinen Nachweispflichten vollständig nachgekommen sei (Hinweis auf Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81). Die Revision hat das FG nicht zugelassen.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde und macht Verfahrensmängel sowie grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegen getreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Weder liegen die vom Kläger behaupteten Verfahrensmängel vor, noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung.
Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
a) Die behaupteten Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegen nicht vor. Wird ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 FGO mit der Begründung gerügt, das FG hätte den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufklären müssen, so sind nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. hierzu die Nachweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 120 Rz. 70) u.a. Ausführungen zu folgenden Punkten erforderlich:
- welche Tatsachen das FG auch ohne besonderen Antrag hätte aufklären müssen oder welche Beweise zu welchem Beweisthema es von Amts wegen hätte erheben müssen;
- aus welchen (genau bezeichneten) Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts oder einer Beweisaufhebung auch ohne einen entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen;
- inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können.
Zu keinem dieser Punkte enthält die Beschwerdebegründung substantiierte Angaben. Hätte der Kläger tatsächlich --wie in der Nichtzulassungsbeschwerde behauptet-- eine Vielzahl von anderen Nachweisen als die vom 26. Januar 2000 gehabt, hätte er diese dem FG vorlegen müssen.
b) Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Macht der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) geltend, so muss er zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Des Weiteren muss er substantiiert darauf eingehen, weshalb die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/ oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Zur schlüssigen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage muss er außerdem begründen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und streitig ist (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 32, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BFH). Die vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen sind aber entweder nicht entscheidungserheblich oder nicht klärungsbedürftig:
aa) Nicht entscheidungserheblich ist die Frage, welche Nachweise oder Belege im Rahmen der den Unternehmer nach § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG 1999 i.V.m. § 17a UStDV treffenden Pflicht zum Nachweis der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 und 2 UStG 1999 zulässig sind. Denn der Kläger hat entgegen seiner Behauptung in der Nichtzulassungsbeschwerde keinerlei "Ersatzbelege" vorgelegt. Die vom Kläger vorgelegten Belege vom 26. Januar 2000 lassen mangels Unterschrift überhaupt keinen Abnehmer erkennen.
bb) Nicht entscheidungserheblich ist auch die Frage, ob durch Belege neben dem Bestimmungsland auch der Bestimmungsort nachgewiesen werden muss; denn darauf hat das FG in seiner Entscheidung nicht abgestellt, sondern darauf, dass der Nachweis über die Beförderung in das übrige Gemeinschaftsgebiet nicht erbracht worden ist. Dieser Nachweis ist nach § 17a Abs. 1UStDV zwingend erforderlich.
cc) Ebenfalls nicht entscheidungserheblich ist die Frage, welche Nachweise zu führen sind, wenn der Gegenstand durch einen Bevollmächtigten abgeholt wird; denn auch hierauf hat das FG seine Entscheidung nicht gestützt.
dd) Weder klärungsbedürftig noch entscheidungserheblich ist die Frage, ob für die Gewährung der Steuerbefreiung beim Abnehmer die Erwerbsbesteuerung durchgeführt wurde; dass es hierauf nicht ankommt, ergibt sich schon aus dem Gesetz (vgl. § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG 1999). Außerdem hat das FG seine Entscheidung hierauf auch nicht gestützt, sondern nur darauf hingewiesen, dass mit dem fehlenden Nachweis (und auf diesen stellt das FG ab) auch korrespondiert, dass die Buchführung der Firma M keine Hinweise auf die innergemeinschaftlichen Lieferungen des Klägers enthält.
ee) Durch die Rechtsprechung des BFH ist bereits geklärt, dass sich Fragen des Gutglaubensschutzes nach § 6a Abs. 4 UStG 1999 erst dann stellen, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nach §§ 17a ff. UStDV vollständig nachgekommen ist (Senatsurteil in BFH/NV 2005, 81). Hat der Kläger aber nicht die notwendigen Belegnachweise über die Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung erbracht --auch nicht in Form irgendwie gearteter "Ersatzbelege"--, kann auch die Bestätigung der USt-IdNr. den Gutglaubensschutz nicht auslösen, der sich auf die in § 6a Abs. 1 und 2 UStG 1999 genannten Voraussetzungen bezieht.
Fundstellen
Haufe-Index 1644259 |
BFH/NV 2007, 284 |