Entscheidungsstichwort (Thema)
Würdigung der Gesamtumstände bei der Festsetzung eines Verspätungszuschlags
Leitsatz (NV)
Ein Verspätungszuschlag wegen verspäteter Abgabe einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung kann dem Grunde nach auch bei ausreichenden Vorauszahlungen auf die Steuerschuld festgesetzt werden.
Normenkette
AO 1977 § 152 Abs. 1, 2 S. 2; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
Tatbestand
1. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) gab die Umsatzsteuerjahreserklärung für 1994 am 18. Dezember 1997 ab. Darin erklärte er eine Umsatzsteuerschuld von 2 460 DM, auf die der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) gezahlte 5 131 DM anrechnete. Außerdem setzte das FA in dem Bescheid einen Verspätungszuschlag von 240 DM fest. Der Kläger legte gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlags Einspruch ein und erreichte eine Herabsetzung des Zuschlags auf 180 DM.
In der Einspruchsentscheidung vom 2. Dezember 1998 hatte das FA u.a. ausgeführt, der Kläger habe seit 1989 die jeweilige Jahresumsatzsteuererklärung um mindestens 12 Monate verspätet abgegeben: Für 1994 habe die verspätete Abgabe angefangene 31 Monate betragen und für 1995 liege die Steuererklärung bei Abfassung der Einspruchsentscheidung noch nicht vor. Der Kläger lasse eine Änderung seines Abgabeverhaltens nicht erkennen. Er vernachlässige seine steuerlichen Verpflichtungen dauerhaft und könne dies durch die von ihm vorgebrachte berufliche und familiäre Anspannung nicht rechtfertigen. Die Würdigung des Gesamtbilds ergebe, dass die Festsetzung des bezeichneten Verspätungszuschlags als Druckmittel zur rechtzeitigen Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen des Klägers angemessen sei, selbst wenn er keinen finanziellen Vorteil aus seinem Verhalten gezogen habe.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage auf Aufhebung des Verspätungszuschlags ab. Es legte dar, ein Ermessensfehlgebrauch des FA sei bei der Festsetzung nicht zu erkennen. Das FA habe seine Erwägungen in der Einspruchsentscheidung ausreichend und nachvollziehbar dargelegt.
Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem angefochtenen Urteil begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) und wegen eines Verfahrensfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Er beantragt sinngemäß, die Revision gegen die Vorentscheidung zuzulassen.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Der Kläger hat Zulassungsgründe in der gesetzlich vorgeschriebenen Form (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO) innerhalb der dafür bestimmten Frist von einem Monat nach Zustellung des Urteils (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO) nicht ordnungsgemäß dargelegt.
Anwendbar ist die Finanzgerichtsordnung i.d.F. vor dem In-Kraft-Treten des Zweitens Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757), weil die angefochtene Entscheidung des FG vor dem 1. Januar 2001 zugestellt worden ist (Art. 4 2.FGOÄndG).
a) Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) verlangt § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO, dass der Beschwerdeführer in der Beschwerbegründung eine bestimmte ―abstrakte― klärungsbedürftige und in dem angestrebten Revisionsverfahren auch klärbare Rechtsfrage herausstellt. Er muss darlegen, weshalb es in dem angestrebten Revisionsverfahren auf die Klärung der hervorgehobenen Rechtsfrage ankommt (Klärungsbedürftigkeit) und dass dem Revisionsgericht eine Klärung möglich ist (Klärbarkeit).
Der Kläger muss außerdem die Bedeutsamkeit der Beantwortung der Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung für die Allgemeinheit substantiiert dartun (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 31. Oktober 1996 VIII B 11/96, BFH/NV 1997, 549; vom 22. November 1995 VIII B 13/95, BFH/NV 1996, 348; Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 22. April 1996 2 BvR 48/96, Steuer-Eildienst ―StEd― 1996, 410). Dazu muss er erläutern, welche über den Streitfall hinausgehende Bedeutung eine Entscheidung über die nicht nur an den Besonderheiten des Streitfalls orientierten Rechtsfrage habe (vgl. BFH-Beschlüsse vom 8. März 1994 VII B 44/94, BFH/NV 1994, 812; vom 17. Februar 1993 II B 118/92, BFH/NV 1994, 123).
Diesen formellen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. In der Beschwerdebegründung hat der Kläger die Frage als von grundsätzlicher Bedeutung angesehen, wann durch die Festsetzung von Verspätungszuschlägen das Übermaßverbot bzw. der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz offenkundig überschritten sei und hierdurch ggf. auch gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstoßen werde. Damit greift der Kläger keine abstrakte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO auf. Die von dem Kläger als fraglich beurteilten Gesichtspunkte können nur unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles geklärt werden.
Auch wegen der von ihm als grundsätzlich angesehenen Frage, ob die staatliche Hoheitsgewalt gegenüber kinderreichen Familien "völlig ungleiche Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit und Zeitigkeit der eigenen Ausübung der Hoheitsgewalt einerseits sowie Sorgfaltsanforderungen gegenüber den Gewaltunterworfenen andererseits stellen kann", ist eine Klärung nicht im Interesse der Allgemeinheit zu erwarten. In seiner Beschwerde weist der Kläger nämlich auf die Besonderheiten seiner als notstandsähnliche Situation bezeichneten Belastung als Vater von fünf kleinen Kindern hin, der außerdem durch eine Vielzahl von Verwaltungsstreitverfahren für seinen 78 Jahren alten Vater in Anspruch genommen werde und der nur minimale Steuererstattungen erhalten habe, nachdem die Gerichte und der Gesetzgeber mit zeitlicher Verzögerung ein Mindestmaß an Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung kinderreicher Familien hergestellt hätten. Damit stellt der Kläger auf die Besonderheiten seines Einzelfalles ab, die bei der Ermessensentscheidung über die Festsetzung des gegen ihn festgesetzten Verspätungszuschlags zu beachten seien, stellt aber keine abstrakte klärungsbedürftige Rechtsfrage heraus.
Die oben bezeichneten gesetzlichen Anforderungen erfüllt der Kläger schließlich auch nicht mit den allgemein gehaltenen Darlegungen, mit denen er in Frage stellt, ob ein Verspätungszuschlag "in Höhe von 3/4 der maximal zulässigen Höchstbuße" bei verspäteter Abgabe einer Steuererklärung festgesetzt werden könne, wenn die daraufhin festgesetzte Steuerschuld durch Vorauszahlungen gedeckt sei. Es bedarf deswegen keiner Zulassung der Revision, weil sich aus dem Gesetz (§ 152 Abs. 1 und 2 der Abgabenordnung ―AO 1977―) ergibt, dass ein Verspätungszuschlag dem Grunde nach auch bei ausreichenden Vorauszahlungen auf die Steuerschuld zugelassen ist und dass die Höhe des Verspätungszuschlags von einer an den Besonderheiten des Einzelfalles ausgerichteten Ermessensausübung abhängt.
b) Soweit der Kläger außerdem die Zulassung der Revision wegen Verfahrensmängeln rügt, weil das FG keine Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag gegeben habe, genügt seine Beschwerde schon deswegen nicht den Anforderungen, weil er nicht bezeichnet hat, welche Tatsachen er noch hätte vorbringen wollen (vgl. zu den Anforderungen an die Bezeichnung von Verfahrensmängeln z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 119 Rz. 13, § 120 Rz. 38; BFH-Beschluss vom 6. Juni 2000 V B 159/99, BFH/NV 2000, 1506, m.w.N.).
c) Nach Ablauf der Beschwerdefrist vorgebrachter neuer Vortrag ist im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu berücksichtigen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 18. Mai 2000 V B 178/99, BFH/NV 2000, 1504).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO i.d.F. ab 1. Januar 2001 ab.
Fundstellen