Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung zur Aufnahme eines Vorläufigkeitsvermerks, grundsätzliche Bedeutung, Fortbildung des Rechts
Leitsatz (NV)
Das Vorbringen, das angefochtene Urteil sei rechtsfehlerhaft, denn ein Großteil steuerlicher Normen unterläge einer fortlaufenden rechtlichen Prüfung durch den BFH, das BVerfG und den EuGH und es sei unzumutbar, wenn Steuerpflichtige und deren Berater aus über 1000 anhängigen Verfahren jeweils die heraussuchen müssten, die individuell Bedeutung erlangen könnten, legt weder den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung noch den der Fortbildung des Rechts hinreichend schlüssig dar.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2; AO § 165 Abs. 2 Nr. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) begehrte in dem gegen sie ergangenen Einkommensteuerbescheid die Aufnahme eines Vorläufigkeitsvermerks nach § 165 Abs. 2 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) mit dem Wortlaut:
"Der Bescheid ergeht vorläufig hinsichtlich sämtlicher in der Beilage 3/2005 zum BStBl II Nr. 16/2005 vom 9. Oktober 2005 genannten Verfahren".
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) lehnte dies ab und führte in der Einspruchsentscheidung --in der nachfolgenden Entscheidung des Finanzgerichts (FG) gemäß § 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in Bezug genommen-- aus, dass das Begehren nicht auf § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO gestützt werden könne. Es sei ermessensgerecht, den Vorläufigkeitsvermerk nicht in allen denkbaren Fällen zu setzen, sondern dies von der Breitenwirkung des Verfahrens abhängig zu machen, etwa inwiefern zu der Rechtsfrage Gerichtsentscheidungen vorlägen. Darüber hinaus enthalte die Liste mehrheitlich Verfahren zum sog. einfachgesetzlichen Recht, das ohnehin nicht unter den Anwendungsbereich des § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO falle. Insoweit komme schon keine Vorläufigkeitsfestsetzung in Betracht. Der Antrag der Klägerin sprenge den durch die gesetzlichen Vorschriften vorgegebenen Rahmen der Ermessensgrenzen. Auch der Vereinfachungseffekt sei nicht realistisch. Denn die Beilage erscheine regelmäßig viermal jährlich. Sie sei redaktionell nie auf dem neuesten Stand. Dies gelte erst recht für die Liste vom 19. Oktober 2005, wie im Klageantrag genannt. Trotz Aufnahme eines entsprechenden Vorläufigkeitsvermerks sei der Steuerpflichtige und sein Berater nicht von der Pflicht befreit, im Einzelfall zu prüfen, ob Musterverfahren anhängig seien, die im Rahmen der Vorläufigkeit noch nicht berücksichtigt worden seien.
Die dagegen erhobene Klage wies das FG aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 734 veröffentlichten Gründen ab. Die Anordnung der vorläufigen Festsetzung sei eine unselbständige Nebenbestimmung zu dem Verwaltungsakt der Steuerfestsetzung, die im Ermessen der Finanzverwaltung stehe. Die Entscheidung des FA, die Einkommensteuer nur in dem Umfang, wie im angefochtenen Bescheid geschehen, vorläufig festzusetzen, lasse keine Ermessensfehler erkennen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
II. Es ist äußerst zweifelhaft, ob die Beschwerde zulässig ist; sie ist jedenfalls unbegründet.
1. a) Die schlüssige Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO erfordert unter anderem, eine bestimmte, für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche abstrakte Rechtsfrage herauszustellen und substantiiert darauf einzugehen, inwieweit diese Rechtsfrage klärungsbedürftig und im konkreten Fall auch klärungsfähig ist. Weiter ist auszuführen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. April 2005 II B 98/04, BFH/NV 2005, 1310; vom 3. November 2004 X B 121/03, BFH/NV 2005, 350, jeweils m.w.N.).
Die Klägerin stellt indessen keine für den Streitfall erhebliche abstrakte Rechtsfrage heraus. Soweit sie mit der Beschwerde geltend macht, dass ein Großteil steuerlicher Normen einer fortlaufenden rechtlichen Prüfung durch den BFH, das Bundesverfassungsgericht und den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften unterlägen und es unzumutbar sei, wenn Steuerpflichtige und dessen Berater aus über 1000 anhängigen Verfahren jeweils die heraussuchen müssten, die individuell Bedeutung erlangen könnten und daher das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sei, erschöpft sich ihr Vorbringen allenfalls in einer Art Revisionsbegründung, die eine Revisionszulassung regelmäßig nicht rechtfertigt. Mit dem Anführen von Gründen, die für eine Ermessensausübung der Finanzbehörde in dem von der Klägerin gewünschten Sinne sprechen, wird keine für den Streitfall erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausgestellt.
b) Wenn die Klägerin unter Bezugnahme auf dieses Vorbringen weiter den Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO geltend macht, ist dieser auch nicht hinreichend schlüssig dargelegt.
Denn auch der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts erfordert substantiierte und konkrete Angaben dazu, weshalb eine Entscheidung des Revisionsgerichts einer bestimmten Rechtsfrage aus Gründen der Rechtsklarheit oder der Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse liegt (BFH-Beschluss vom 6. Oktober 2003 VII B 130/03, BFH/NV 2004, 215).
2. Wenn die Klägerin schließlich den Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO nennt, ohne hierzu noch weiter auszuführen, ist auch dieser Zulassungsgrund nicht hinreichend schlüssig dargelegt.
Denn nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert. Diese ist entweder dann erforderlich, wenn im Falle der sog. Divergenz das FG bei gleichem oder vergleichbarem festgestellten Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der BFH oder, wenn das Urteil des FG auf einem so schwerwiegenden Fehler beruht, dass sein Fortbestand das Vertrauen in die Rechtsprechung beschädigen könnte, weil sich die Entscheidung als objektiv willkürlich darstellt oder greifbar gesetzwidrig ist, mithin unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist und sich deshalb der Schluss aufdrängt, dass es auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BFH-Beschluss vom 16. Januar 2007 VI B 35/06, BFH/NV 2007, 941, m.w.N.).
Die Klägerin hat mit ihrem Vorbringen weder tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angegriffenen Urteil des FG einerseits und aus Divergenzentscheidungen des BFH andererseits herausgearbeitet und gegenübergestellt, noch hat sie schwerwiegende Rechtsfehler geltend gemacht; sie hat erst recht solche nicht dargelegt.
Fundstellen
Haufe-Index 1814373 |
BFH/NV 2007, 2328 |