Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Schlüssige Rüge einer Divergenz, Hinweis auf die Monatsfrist nach § 68 FGO a.F.
Leitsatz (NV)
- Zur schlüssigen Rüge einer Divergenz muss der Beschwerdeführer auch nach neuem Zulassungsrecht tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und der behaupteten Divergenzentscheidung des BFH andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen.
- Dem berechtigten Interesse eines Klägers, über die Monatsfrist nach § 68 FGO a.F. unterrichtet zu werden, wird durch den in § 68 Satz 3 FGO a.F. vorgeschriebenen Hinweis in der Rechtbehelfsbelehrung des neuen Verwaltungsakts ausreichend Rechnung getragen.
Normenkette
FGO §§ 56, 68, 115 Abs. 2 Nr. 2
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO― i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze ―2.FGOÄndG― vom 19. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1757; im Folgenden: FGO n.F.) oder wegen Verfahrensmängeln des angefochtenen Urteils (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegen nicht vor.
1. Eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO n.F. ―der Zulassungsgrund "Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung" erfasst auch die Divergenz der Entscheidung des Finanzgerichts (FG) von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH)― kommt nicht in Betracht, da die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Voraussetzungen nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO n.F. nicht dargelegt haben. Zur schlüssigen Rüge einer Divergenz muss der Beschwerdeführer auch nach neuem Zulassungsrecht tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung des BFH andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 15. Oktober 2002 V B 187/01, juris, STRE200251084).
Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht. Die Kläger stellen darin keine miteinander unvereinbaren abstrakten Rechtssätze aus der Vorentscheidung und entscheidungserhebliche Rechtssätze in dem Urteil des BFH vom 23. August 2000 X R 27/98 (BFHE 193, 19, BStBl II 2001, 662) gegenüber. Sie wenden sich nur dagegen, dass das FG den Steuerbescheid vom 13. Dezember 2000 nicht wegen fehlender Bestimmtheit als nichtig i.S. von § 125 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gewertet hat. Sie rügen insgesamt nur die Beurteilung ausschließlich tatsächlicher Fragen durch das FG, somit also eine falsche Subsumtion. Das reicht auch nach neuem Recht für die Revisionszulassung grundsätzlich nicht aus.
Überdies ist das FG nicht von dem bezeichneten Urteil des BFH abgewichen. Der BFH sah einen schwerwiegenden, zur Nichtigkeit der Steuerfestsetzung führenden Mangel darin, dass das FA einen Steuerbescheid zusätzlich zu einem bereits bestandskräftigen Bescheid, der den gleichen Veranlagungszeitraum betraf, erlassen hat, ohne das Verhältnis zwischen beiden Bescheiden klarzustellen. Insbesondere konnte der erneute Bescheid nach den Feststellungen des BFH weder nach seinem Wortlaut noch im Wege der Auslegung als Änderungsbescheid zum Erstbescheid angesehen werden, weil er diesen als geänderten Bescheid nicht erkennen ließ. Im Streitfall wurde der Steuerbescheid vom 13. Dezember 2000 hingegen als Änderungsbescheid gekennzeichnet. Zum einen wird darauf hingewiesen, dass der Bescheid nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 geändert ist; daneben wird in den Erläuterungen der Steuerfestsetzung festgestellt, dass der mit der Klage angefochtene Bescheid vom 24. März 1999 geändert wird. Auch wenn am 24. März 1999 nicht der von den Klägern angefochtene Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1993 erlassen, sondern der dagegen erhobene Einspruch als unbegründet zurückgewiesen wurde, und unter dem gleichen Datum auch die Einspruchsentscheidung wegen Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Einkommensteuer 1993 erging, ist durch Auslegung eindeutig zu ermitteln, dass durch den Bescheid vom 13. Dezember 2000 der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1993 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. März 1999 geändert werden sollte. Den Klägern als Adressaten bzw. ihrem Prozessvertreter musste angesichts der ihnen bekannten Umstände nach Treu und Glauben klar sein, dass der Bescheid vom 13. Dezember 2000 ausschließliche Rechtsgrundlage der Durchsetzung des Steueranspruchs des Jahres 1993 sein sollte.
2. Entgegen der Auffassung der Kläger hat das FG § 68 FGO a.F. fehlerfrei angewendet; ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegt nicht vor.
a) Nach § 68 Satz 1 in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung der FGO wurde ein Änderungsbescheid, der nach Klageerhebung erlassen wurde, (nur) auf Antrag des Klägers Gegenstand des Verfahrens. Diese Bestimmung war im Streitfall noch anzuwenden, weil der Änderungsbescheid am 13. Dezember 2000 erlassen wurde. Die geänderte Fassung des § 68 FGO trat erst am 1. Januar 2001 in Kraft (Art. 6 2.FGOÄndG; BFH-Beschluss vom 30. August 2001 IV B 83/00, BFH/NV 2002, 349).
b) Einen förmlichen Antrag nach § 68 FGO a.F. haben die Kläger nicht gestellt und auch aus ihrem gesamten Vorbringen ergibt sich nicht, dass der Änderungsbescheid vom 13. Dezember 2000 zum Gegenstand des Verfahrens werden solle.
c) Das FG war auch nicht verpflichtet, auf die Monatsfrist nach § 68 FGO a.F. hinzuweisen. Dem berechtigten Interesse der Kläger, über die Frist unterrichtet zu werden, wird durch den in § 68 Satz 3 FGO a.F. vorgeschriebenen Hinweis in der Rechtsbehelfsbelehrung des neuen Verwaltungsakts ausreichend Rechnung getragen (BFH-Beschluss vom 18. Februar 1994 IX B 1/94, BFHE 173, 305, BStBl II 1994, 405). Das Gericht kann davon ausgehen, dass Rechtsbehelfsbelehrungen zur Kenntnis genommen und beachtet werden (BFH-Beschluss in BFHE 173, 305, BStBl II 1994, 405).
d) Das FG hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verfahrensfehlerfrei abgelehnt. Die im finanzgerichtlichen Verfahren steuerlich beratenen und durch einen fach- und sachkundigen Prozessbevollmächtigten vertretenen Kläger haben die Antragsfrist nach § 68 FGO a.F. nicht ohne Verschulden versäumt. Der Hinweis in der Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid vom 13. Dezember 2000 war entgegen der Rüge der Kläger eindeutig und steht auch nicht in Widerspruch zum Hinweis auf das Fortbestehen der bis dahin gewährten AdV der Steuerfestsetzung, da die Steuerfestsetzung für das Jahr 1993 im Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids nicht bestands- bzw. rechtskräftig war. Am 13. Dezember 2000 und somit vor Verkündung des 2.FGOÄndG am 19. Dezember 2000 konnte sich die Rechtsbehelfsbelehrung nur auf § 68 FGO in der bis einschließlich 31. Dezember 2000 geltenden Fassung beziehen. Zudem wird nach In-Kraft-Treten von § 68 i.d.F. des 2. FGOÄndG der neue Verwaltungsakt kraft Gesetzes, d.h. ohne Antrag, zum neuen Verfahrensgegenstand. Eines entsprechenden Hinweises auf den nach § 68 Satz 3 FGO erforderlichen Antrag in der Rechtsbehelfsbelehrung hätte es in diesem Fall nicht bedurft.
Zudem hatten die Prozessbevollmächtigten der Kläger spätestens seit dem Erörterungstermin am 11. Juni 2002 positive Kenntnis von der versäumten Frist nach § 68 Satz 3 FGO a.F. Ausweislich der Niederschrift über den Erörterungstermin kündigten sie eine Stellungsnahme zur Zulässigkeit der Klage ―die sich angesichts der zitierten BFH-Entscheidung nur auf die versäumte Frist nach § 68 Satz 3 FGO a.F. beziehen konnte― bis 10. Juli 2002 an. Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stellten sie hingegen nicht bereits im Erörterungstermin, sondern erst mit Schriftsatz vom 8. August 2002 und somit nicht binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO).
3. Von der Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO n.F. abgesehen.
Fundstellen