Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiladung aufgrund des Vorbringens, der/die Steuerpflichtige habe als Strohmann/Strohfrau einer dritten Person gehandelt
Leitsatz (NV)
1. Die Beiladung eines Dritten ist zulässig, wenn aufgrund eines Rechtsbehelfs oder Antrags des Steuerpflichtigen ein Steuerbescheid möglicherweise wegen irriger Beurteilung eines Sachverhalts aufzuheben oder zu ändern ist, sich hieraus steuerliche Folgen für den Dritten durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheides ziehen lassen und das Finanzamt die Beiladung veranlasst und beantragt hat.
2. Für die Beiladung ist im Regelfall ausreichend, dass sich bei einem Erfolg des Rechtsbehelfs beim Dritten eine Folgeänderung i.S. des § 174 Abs. 4 und 5 AO ergeben kann.
3. Das Vorbringen, die vom Finanzamt einem Steuerpflichtigen zugerechneten Einnahmen seien von einer anderen Person erzielt worden, rechtfertigt deren Beiladung.
4. Zwischen einer “Strohfrau” und derjenigen Person, die das Geschehen beherrscht und allein den Gewinn erzielt hat, besteht kein Treuhandverhältnis.
Normenkette
AO § 174 Abs. 4, 5 S. 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2a; FGO § 132
Verfahrensgang
FG Münster (Beschluss vom 01.02.2006; Aktenzeichen 10 K 4442/04 E) |
Tatbestand
I. Der Beklagte (das Finanzamt --FA--) hat gegen die Klägerin die Einkommensteuer für die Jahre 1999 und 2000 mit der Begründung festgesetzt, sie habe ein Grundstück erworben, mit zwei Doppelhaushälften bebaut, in vier Eigentumswohnungen aufgeteilt und anschließend veräußert und damit einen Gewinn aus gewerblichem Grundstückshandel erzielt. Im Klageverfahren gegen die Einkommensteuerbescheide vom 23. Juni 2004, geändert durch die Bescheide vom 3. Januar 2005, wendet sich die Klägerin mit dem Vorbringen, der Gewinn aus den Grundstücksgeschäften sei nicht ihr, sondern der Beigeladenen und Beschwerdeführerin (Beigeladene) zuzurechnen. Die als Architektin tätige Beigeladene habe sie als Strohfrau benutzt und sämtliche Veräußerungserlöse erhalten. Sie habe mit der Beigeladenen "in einer Lesbenbeziehung" gelebt, ihr damals vertraut und ahnungslos Unterschriften unter die maßgeblichen Verträge geleistet. Als Krankenschwester hätten ihr jegliche Voraussetzungen gefehlt, um die ihr zugeschriebenen Maßnahmen zu treffen. Mit ihrem geringen Einkommen hätte sie auch die erforderlichen Kredite nicht bekommen. Es sei ihr unverständlich, warum das FA den Sachverhalt nicht durch eine Betriebs- oder Fahndungsprüfung aufkläre. Es würde sich dann herausstellen, dass sie lediglich ihren Namen zur Verfügung gestellt habe.
Auf den Antrag des FA, die Beigeladene zu dem Klageverfahren der Klägerin beizuladen, damit im Falle des Unterliegens das FA bei der Beigeladenen gemäß § 174 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO) die steuerlichen Folgen aus dem Sachverhalt ziehen könne, hat das Finanzgericht (FG) mit Beschluss vom 1. Februar 2006 die Beiladung der Beigeladenen angeordnet.
Die Beigeladene bestreitet das Vorliegen der Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 und 5 AO. Sie führt aus, sie sei von dem Rechtsstreit offensichtlich nicht betroffen. Die streitige Frage der Zurechnung von Einkünften aus Gewerbebetrieb sei nicht im Klageverfahren der Klägerin zu klären, sondern ausschließlich im besonderen Verfahren der Gewinnfeststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2b AO, weil sich der Ort der Geschäftsleitung des Betriebes zur Zeit der Abwicklung der Bauprojekte im Bezirk des FA X befunden habe (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 AO). Somit stelle sich in dem anhängigen Klageverfahren nur und ausschließlich die Rechtsfrage, ob der Erlass eines Folgebescheides vor dem Erlass eines Grundlagenbescheides zulässig gewesen sei. Von dieser Rechtsfrage sei die Beigeladene nicht tangiert.
Weiter ist sie der Ansicht, aus der Behauptung der Klägerin, als Strohfrau tätig gewesen zu sein, folge das Bestehen einer Treuhandabrede. Daraus ergebe sich die Notwendigkeit einer einheitlichen Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO. Im Verfahren über die Rechtmäßigkeit eines Folgebescheides könne eine rechtliche Betroffenheit der Beigeladenen nicht gesehen werden.
Die Beigeladene beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung führt es aus, die Klägerin habe zum Schluss des jeweiligen Gewinnermittlungszeitraums in den Jahren 1999 und 2000 ihren Wohnsitz am Ort der Geschäftsleitung des gewerblichen Grundstückshandels gehabt. Für eine gesonderte Feststellung habe daher kein Grund bestanden. Ihren Wohnsitz habe die Klägerin erst am 7. März 2002 verlegt.
Die Klägerin wendet sich ebenfalls gegen die Beschwerde. Sie verneint die Berechtigung einer einheitlichen Gewinnfeststellung. Zwischen ihr und der Beigeladenen hätten weder ein Treuhand- noch ein Beteiligungsverhältnis bestanden. Vielmehr habe ausschließlich die Beigeladene gehandelt und allein die Gewinne kassiert.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde wird als unbegründet zurückgewiesen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO ist die Beiladung eines Dritten zum Verfahren zulässig, wenn aufgrund eines Rechtsbehelfs oder Antrags des Steuerpflichtigen ein Steuerbescheid möglicherweise wegen irriger Beurteilung eines Sachverhalts aufzuheben oder zu ändern ist, sich hieraus steuerliche Folgen für den Dritten durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheides ziehen lassen und das FA die Beiladung veranlasst und beantragt hat. Weiter ist vorausgesetzt, dass der Dritte vor Ablauf der Festsetzungsfrist hinzugezogen oder beigeladen worden ist (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. April 2003 III B 127/02, BFH/NV 2003, 887).
Es reicht somit im Regelfall aus, dass sich bei einem Erfolg der Klage eine Folgeänderung i.S. des § 174 Abs. 4 und 5 AO ergeben kann. Nur ausnahmsweise ist die Beiladung entbehrlich, wenn z.B. der Dritte eindeutig wegen Festsetzungsverjährung rechtlich nicht betroffen sein kann. Ist dies jedoch zweifelhaft, scheidet die Beiladung nicht aus.
2. So liegen die Verhältnisse im Streitfall.
Das FA hat die Beiladung beantragt. Das Vorbringen der Klägerin zielt darauf ab, dass die ihr vom FA zugerechneten Gewinne aus dem gewerblichen Grundstückshandel bei der Beigeladenen angefallen sind. Trifft dieser Sachverhalt zu, wäre das FA irrigerweise von einer gewerblichen Tätigkeit der Klägerin ausgegangen. Es müsste möglicherweise die gegenüber der Klägerin erlassenen und angefochtenen Einkommensteuerbescheide aufheben bzw. ändern und könnte erwägen, die gewerblichen Einkünfte der Beigeladenen zuzurechnen. Hinweise darauf, dass der Festsetzung der Steueransprüche gegen die Beigeladene Verjährung entgegensteht, sind nicht ersichtlich. Ein entsprechender Einwand wäre daher verbindlich erst bei Anfechtung der gegen den Dritten gerichteten Folgeänderungen zu klären.
3. Die Einwendungen der Beigeladenen gegen den angefochtenen Beschluss greifen nicht durch.
a) Das FA hat zu Recht darauf hingewiesen, dass für eine gesonderte Feststellung keine Notwendigkeit bestand, weil --wie von der Beigeladenen auch nicht mehr länger bestritten-- zum Schluss der maßgeblichen Veranlagungszeiträume der Sitz der Geschäftsleitung des gewerblichen Grundstückshandels und der Wohnsitz der Klägerin in ein und demselben Finanzamtsbezirk lagen.
b) Weiter besteht kein Anlass, aufgrund des Sachverhalts, wie er von der Klägerin dargestellt wird, ein Treuhandverhältnis zwischen ihr als Strohfrau und der Beigeladenen als derjenigen anzunehmen, die nach Auffassung der Klägerin das Geschehen beherrscht und allein den Gewinn erzielt hat. Die Notwendigkeit einer einheitlichen Gewinnfeststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO besteht nicht. Der von der Beigeladenen für ihre Ansicht zitierten Entscheidung des BFH vom 9. September 1986 VIII R 318/83 (BFH/NV 1987, 158) liegt ein mit dem Streitfall nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde.
Fundstellen
Haufe-Index 1774137 |
BFH/NV 2007, 1627 |