Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch eines Landwirts auf Erteilung einer Rechnung über die Übertragung einer Anlieferungs-Referenzmenge für Milch mit Mehrwertsteuerausweis
Leitsatz (amtlich)
Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist eine von einem Bundesland eingerichtete sog. "Milchquoten-Verkaufsstelle", die Anlieferungs-Referenzmengen gegen Entgelt an Milcherzeuger überträgt,
a) eine landwirtschaftliche Interventionsstelle i.S. des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3, Anhang D Nr. 7 der Richtlinie 77/388/EWG, die Umsätze aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen in Anwendung der Verordnungen über eine gemeinsame Marktorganisation für diese Erzeugnisse bewirkt, oder
b) eine Verkaufsstelle i.S. des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3, Anhang D Nr. 12 der Richtlinie 77/388/EWG?
2. Falls die Frage 1 verneint wird:
a) Ist unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, wenn in einem Mitgliedstaat sowohl staatliche als auch private "Milchquoten-Verkaufsstellen" Anlieferungs-Referenzmengen gegen Entgelt übertragen, bei der Prüfung, ob die Behandlung einer "Milchquoten-Verkaufsstelle" einer Einrichtung des öffentlichen Rechts als Nicht-Steuerpflichtige zu "größeren Wettbewerbsverzerrungen" i.S. des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG führen würde, der räumlich relevante Markt der vom Mitgliedstaat definierte Übertragungsbereich?
b) Ist bei der Prüfung, ob die Behandlung einer staatlichen "Milchquoten-Verkaufsstelle" als Nicht-Steuerpflichtige zu solchen "größeren Wettbewerbsverzerrungen" führen würde, nur auf den Regelfall der --flächenungebundenen-- Übertragung (durch eine Verkaufsstelle) abzustellen, oder sind auch andere Arten der --flächenungebundenen-- Übertragung (durch Landwirte als Steuerpflichtige) mit einzubeziehen, obwohl es sich dabei nur um Ausnahmefälle handelt?
Normenkette
UStG 1999 § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 3, § 14 Abs. 1 S. 1; EWGRL 388/77 Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1, Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2, Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3, Art. 6 Abs. 4, Art. 17 Abs. 2, Art. 22 Abs. 3; EWGRL 388/77 Anh. D Nrn. 7, 12; KStG § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 Abs. 1, 5; ZAV §§ 7, 8 Abs. 2-3, 2 Anh., Abs. 3 Anh.; EWGV 3950/92 Art. 7, 8 Buchst. b, d
Verfahrensgang
Nachgehend
Tatbestand
I. Sachverhalt
Streitig ist, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein Landwirt, gegen die Beklagte und Revisionsklägerin (die Landesanstalt für Landwirtschaft als Rechtsnachfolgerin der Landesanstalt für Ernährung --L--) Anspruch auf Erteilung einer Rechnung über die Übertragung einer Anlieferungs-Referenzmenge für Milch unter gesondertem Ausweis von Umsatzsteuer hat.
Die L betrieb im Jahr 2001 (Streitjahr) in München die Milchquoten-Verkaufsstelle für Bayern. Der Kläger ist Milcherzeuger und Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs in Bayern. Er versteuerte seine Umsätze im Streitjahr nach den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG).
Zur Verringerung von Überschüssen an Kuhmilch wurde auch im Jahr 2001 von Milcherzeugern, die mehr als eine bestimmte Menge Kuhmilch (Anlieferungs-Referenzmenge) lieferten, eine Zusatzabgabe erhoben. Rechtsgrundlage dafür war die Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom 28. Dezember 1992 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 405, 1 i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 603/2001 der Kommission vom 28. März 2001, ABlEG Nr. L 89, 18 --VO Nr. 3950/92/EWG--).
Der Kläger erwarb zum 1. April 2001 im Rahmen einer sog. "regulierten entgeltlichen Übertragung" nach § 8 Abs. 1 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen --MOG-- (BGBl I 1995, 1147) i.V.m. §§ 8 ff. der Zusatzabgabenverordnung vom 12. Januar 2000 --ZAV-- (BGBl I 2000, 27) eine Anlieferungs-Referenzmenge.
Diese Übertragung verlief im Streitjahr wie folgt: Milcherzeuger, die Anlieferungs-Referenzmengen verkaufen wollten (sog. Anbieter), reichten zu bestimmten Stichtagen bei der "Verkaufsstelle" i.S. des § 8 Abs. 2 ZAV ein bindendes schriftliches Angebot zur Übertragung einer Anlieferungs-Referenzmenge zu einem gewünschten Verkaufspreis ein (§ 9 Abs. 1 ZAV). Zu denselben Stichtagen reichten Milcherzeuger, die eine Anlieferungs-Referenzmenge kaufen wollten (sog. Nachfrager), ein bindendes schriftliches Angebot zum Erwerb einer bestimmten Anlieferungs-Referenzmenge (sog. Nachfragegebot) zu einem gewünschten Kaufpreis ein (§ 9 Abs. 2 ZAV). Aus allen Geboten ermittelte die Verkaufsstelle nach Maßgabe des § 10 ZAV den sog. Gleichgewichtspreis, das heißt den Preis, zu dem die angebotene und die nachgefragte Referenzmenge (annähernd) deckungsgleich waren (§ 10 Abs. 2 ZAV); ggf. wurden alle Angebote oder Nachfragegebote gekürzt.
Anschließend kürzte die Verkaufsstelle die angebotenen Anlieferungs-Referenzmengen um 5 v.H. zugunsten der nationalen Reserve (§ 10 Abs. 4 ZAV) und übertrug die verbleibenden Anlieferungs-Referenzmengen nach Maßgabe des § 11 ZAV wie folgt: Die Verkaufsstelle teilte den zum Zuge gekommenen Nachfragern den Gleichgewichtspreis, die Höhe der an sie zu übertragenden Referenzmenge sowie den zu zahlenden Betrag mit (§ 11 Abs. 3 Satz 1 ZAV). Der Nachfrager überwies anschließend den zu zahlenden Betrag an die Verkaufsstelle (§ 11 Abs. 3 Satz 2 ZAV). Sodann teilte die Verkaufsstelle u.a. dem Nachfrager mit, in welcher Höhe Anlieferungs-Referenzmengen auf ihn übertragen werden (§ 11 Abs. 3 Satz 3 ZAV). Auf der Grundlage dieser Mitteilung berechnete der zuständige Abnehmer von Milch im Sinne der EG-Milchabgabenregelung (der sog. Käufer, z.B. die für den Nachfrager zuständige Molkerei) die Anlieferungs-Referenzmenge des Nachfragers neu und teilte das Ergebnis dem Nachfrager, der Verkaufsstelle und dem zuständigen Hauptzollamt mit. Zuletzt überwies die Verkaufsstelle nach Eingang sämtlicher Beträge von allen Nachfragern die errechneten Verkaufspreise an die Anbieter (§ 11 Abs. 3 Satz 6 ZAV).
Entsprechend diesem Verfahren beantragte der Kläger bei L, die in Bayern die einzige Verkaufsstelle i.S. des § 8 Abs. 2 ZAV betrieb, auf amtlichem Vordruck die Übertragung einer Anlieferungs-Referenzmenge von 16 500 kg zu einem Preis von höchstens 2 DM/kg. Die L teilte dem Kläger unter dem 3. April 2001 mit, dass er am Übertragungstermin 1. April 2001 mit seinem Nachfragegebot zum Zuge gekommen sei. Die an ihn zu übertragende Anlieferungs-Referenzmenge betrage 16 500 kg zu einem Standardfettgehalt von 4 %; davon würden 15 813 kg zum Gleichgewichtspreis (1,58 DM) zugeteilt; 687 kg stammten nach § 10 Abs. 2 Satz 3 und 4 ZAV aus der Landesreserve. L erteilte dem Kläger im Rahmen dieser Mitteilung eine Rechnung über den Erwerb der Anlieferungs-Referenzmenge in Höhe von 24 984,54 DM (15 813 kg x 1,58 DM). Umsatzsteuer wies sie nicht gesondert aus. Nach Eingang dieses Betrages teilte die L dem Kläger durch Schreiben vom 9. Mai 2001 gemäß § 11 Abs. 3 Satz 3 ZAV mit, dass ihm zum 1. April 2001 eine Anlieferungs-Referenzmenge mit einem Standardfettgehalt von 4 % in Höhe von 16 500 kg übertragen werde.
Den Widerspruch des Klägers gegen diese Mitteilung, mit dem er den gesonderten Ausweis von Umsatzsteuer begehrte, wies die L durch Widerspruchsbescheid vom 29. August 2001 zurück, weil sie, die L, eine hoheitliche Tätigkeit ausübe und lediglich Vermittlerin der Anlieferungs-Referenzmengen sei.
Entsprechend der Rechtsmittelbelehrung im Widerspruchsbescheid erhob der Kläger Klage beim Finanzgericht (FG) Nürnberg, das den Rechtsstreit an das seiner Ansicht nach örtlich zuständige FG München verwies.
Das FG München gab der Klage statt (vgl. "Entscheidungen der Finanzgerichte" --EFG-- 2004, 1726). Es verpflichtete den Freistaat Bayern bzw. die L, dem Kläger eine Abrechnung mit Mehrwertsteuerausweis über den im April 2001 erfolgten Ankauf einer Milchreferenzmenge von 16 500 kg zum Preis von 11 012,07 € zuzüglich 16 % Mehrwertsteuer in Höhe von 1 761,93 € zu erteilen.
Das FG ging davon aus, dass L nach § 14 Abs. 1 Satz 1 UStG zur Ausstellung einer Rechnung unter gesondertem Ausweis von Umsatzsteuer verpflichtet gewesen sei, weil sie als Unternehmerin in eigenem Namen dem Kläger eine Anlieferungs-Referenzmenge verkauft habe.
Mit ihrer Revision rügt die L, der Finanzrechtsweg sei --entgegen der Belehrung im Widerspruchsbescheid-- nicht eröffnet. In der Sache trägt die L vor, sie habe lediglich eine Vermittlungsleistung erbracht. Ein Leistungsaustauschverhältnis liege nur zwischen Anbieter und Nachfrager vor. Außerdem sei sie nicht als Unternehmerin, sondern hoheitlich tätig geworden. Die Möglichkeit, Private als Träger einer Verkaufsstelle zuzulassen (§ 8 Abs. 2 Satz 3 ZAV) --wie dies z.B. in Baden-Württemberg geschehen sei--, führe zu keiner anderen Beurteilung. Sowohl von den staatlichen als auch von den privaten Verkaufsstellen würde die Übertragung der Anlieferungs-Referenzmengen als hoheitliche Aufgabe wahrgenommen. Dass der Kläger beim Erwerb einer Referenzmenge die in dem Kaufpreis enthaltene Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abziehen könne, sei systembedingt und unvermeidbar.
Die L beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen, hilfsweise die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Er verteidigt die Vorentscheidung und macht geltend, die Erwerber einer Referenzmenge bei bestehenden Pachtverträgen (nach § 12 Abs. 3 ZAV) hätten --anders als er, der Kläger-- im Streitjahr vom Veräußerer eine Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis erhalten, die ihnen den Vorsteuerabzug ermöglicht habe. Diese Ungleichbehandlung von Erwerbern bei verschiedenen Erwerbswegen führe zu Wettbewerbsverzerrungen.
Entscheidungsgründe
II. Zur Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH)
Der Senat hat von der Zulässigkeit des Finanzrechtswegs auszugehen (§ 17a Abs. 5 des Gerichtsverfassungsgesetzes --GVG--). Er setzt das Verfahren aus und legt dem EuGH die im Leitsatz genannten Fragen zur Vorabentscheidung vor.
A. Zur Rechtslage nach deutschem Recht
1. Die deutsche ZAV bestimmte im Streitjahr auszugsweise:
"§ 7 Neuordnung des Übertragungssystems
(1) … Anlieferungs-Referenzmengen können flächenungebunden nach Maßgabe der Absätze 2 und 3 sowie der §§ 8 bis 11 übertragen werden und im Wege der gesetzlichen, gewillkürten oder vorweggenommenen Erbfolge übergehen oder nach § 12 Abs. 3 übernommen werden.
(2) Wird ein gesamter Betrieb, der als selbständige Produktionseinheit weiter für die Milcherzeugung bewirtschaftet wird, auf Grund eines Kauf- oder Pachtvertrages oder eines Rechtsgeschäfts mit vergleichbaren Rechtsfolgen übergeben, überlassen oder zurückgewährt, können die Vertragsparteien den unmittelbaren Übergang der dem Abgebenden zustehenden Anlieferungs-Referenzmenge auf den Käufer, Pächter oder Verpächter schriftlich vereinbaren. … Satz 1 gilt entsprechend, wenn ein gesamter Betrieb oder Teile eines Betriebs zwischen Verwandten in gerader Linie oder Ehegatten übergeben, überlassen oder zurückgewährt werden.
(3) Sofern eine Gesellschaft, die am 31. März 2000 bestanden hat, aufgelöst wird oder einzelne Mitglieder aus einer solchen Gesellschaft ausscheiden, können die Anlieferungs-Referenzmengen nach den für die Gesellschaft geltenden Bestimmungen flächenlos und unmittelbar auf die ausscheidenden Mitglieder übertragen werden. …
§ 8 Regulierte entgeltliche Übertragung von Anlieferungs-Referenzmengen
(1) Die Übertragung von Anlieferungs-Referenzmengen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 erfolgt außer in den Fällen des § 7 Abs. 2 und 3, der Erbfolge im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 2 sowie des § 12 Abs. 3 durch Verkaufsstellen nach Maßgabe des Absatzes 3 und der §§ 9 bis 11 zum 1. April, 1. Juli oder 30. Oktober eines jeden Kalenderjahres (Übertragungstermin). …
Die Länder richten die Verkaufsstellen ein. Für jedes Land soll mindestens eine Verkaufsstelle zuständig sein; die Tätigkeit einer Verkaufsstelle kann sich auf das Gebiet mehrerer Länder erstrecken. Private können nach pflichtgemäßem Ermessen als Träger einer Verkaufsstelle zugelassen werden, wenn
1. sie oder ihre Träger repräsentative landwirtschaftliche Berufsverbände oder Organisationen sind und
2. gegen ihre Zuverlässigkeit und Eignung keine Bedenken bestehen. …
(3) Anlieferungs-Referenzmengen können nur innerhalb der sich aus der Anlage ergebenden Übertragungsbereiche übertragen werden. …
§ 12 Behandlung laufender Pachtverträge
… (3) Soweit Anlieferungs-Referenzmengen nach Absatz 2 bei Beendigung des Pachtvertrages zurückzugewähren sind, hat der Pächter das Recht, die zurückzugewährende Anlieferungs-Referenzmenge vom Verpächter innerhalb eines Monats nach Ablauf des Pachtvertrages zu übernehmen (Übernahmerecht) …
Anlage (zu § 8 Abs. 2 und 3)
Übertragungsbereiche
1. Baden-Württemberg
a) Regierungsbezirk Freiburg
b) Regierungsbezirk Karlsruhe
c) Regierungsbezirk Stuttgart
d) Regierungsbezirk Tübingen
2. Bayern
a) Regierungsbezirk Oberbayern
b) Regierungsbezirk Niederbayern
c) Regierungsbezirk Oberpfalz
d) Regierungsbezirk Oberfranken
e) Regierungsbezirk Mittelfranken
f) Regierungsbezirk Unterfranken
g) Regierungsbezirk Schwaben
3. Brandenburg und Berlin
4. Hessen
5. Mecklenburg-Vorpommern
6. Niedersachsen und Bremen
7. Nordrhein-Westfalen
8. Rheinland-Pfalz und Saarland
9. Sachsen
10. Sachsen-Anhalt
11. Schleswig-Holstein und Hamburg
12. Thüringen."
2. Die Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 UStG lautete im Streitjahr wie folgt:
"Führt der Unternehmer steuerpflichtige Lieferungen oder sonstige Leistungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, so ist er berechtigt und, soweit er die Umsätze an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausführt, auf Verlangen des anderen verpflichtet, Rechnungen auszustellen, in denen die Steuer gesondert ausgewiesen ist."
Der Begriff "Unternehmer" wird in § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG wie folgt definiert: "Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt." Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG sind juristische Personen des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art und ihrer land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig. Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) alle Einrichtungen, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft dienen und die sich innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person wirtschaftlich herausheben; die Absicht, Gewinn zu erzielen, und die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sind nicht erforderlich. Zu den Betrieben gewerblicher Art gehören nach § 4 Abs. 5 KStG nicht Betriebe, die überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienen (Hoheitsbetriebe). Für die Annahme eines Hoheitsbetriebs reichen Zwangs- oder Monopolrechte nicht aus.
3. Im Streitfall hat L --wovon das FG zu Recht ausgegangen ist-- eine Anlieferungs-Referenzmenge in eigenem Namen auf den Kläger übertragen (Art. 8 Buchst. b VO Nr. 3950/92/EWG; vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 24. Februar 2005 C-305/03, Kommission/Vereinigtes Königreich, Randnr. 41 f., nicht veröffentlicht --NV--); sie ist deshalb nicht lediglich Vermittlerin.
4. Die deutsche Finanzverwaltung geht davon aus, dass staatliche Milchquoten-Verkaufsstellen keine Unternehmer sind (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 19. Dezember 2000, NV). Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG richtlinienkonform auszulegen. Die Beurteilung der Unternehmereigenschaft der L hängt von der --dem EuGH vorbehaltenen-- Auslegung des Gemeinschaftsrechts ab.
B. Zur Rechtslage nach Gemeinschaftsrecht
Nach Art. 4 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) gilt als Steuerpflichtiger, wer eine der in Abs. 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis. Allerdings gelten Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Leistungen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben (Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn eine Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde (Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG). Die vorstehend genannten Einrichtungen gelten in jedem Fall als Steuerpflichtige in Bezug auf die in Anhang D aufgeführten Einrichtungen, sofern der Umfang dieser Tätigkeiten nicht unbedeutend ist (Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG). In Anhang D Nr. 7 sind "Umsätze der landwirtschaftlichen Interventionsstellen aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die in Anwendung der Verordnungen über eine gemeinsame Marktorganisation für diese Erzeugnisse bewirkt werden" und in Anhang D Nr. 12 sind "Umsätze von betriebseigenen Kantinen, Verkaufsstellen und Genossenschaften und ähnlichen Einrichtungen" genannt.
C. Der Senat sieht sich nach Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) zur Anrufung des EuGH verpflichtet und ersucht um Vorabentscheidung der im Tenor genannten Fragen.
1. Der Senat geht zwar davon aus, dass Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 i.V.m. Anhang D Nr. 7 und Nr. 12 der Richtlinie 77/388/EWG im Streitfall nicht eingreifen. Er hält dies jedoch nicht für derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt und er deshalb nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH-Urteile vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, 3415, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1983, 1257; vom 15. September 2005 C-495/03, Intermodal Transports BV, Slg. 2005, I-8151, BFH/NV 2006, Beilage 1, 43) von einem entsprechenden Vorabentscheidungsersuchen absehen dürfte. Dies führt zur ersten Frage.
2. Sollten staatliche Milchquoten-Verkaufsstellen nicht schon nach Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 i.V.m. Anhang D Nr. 7 oder 12 der Richtlinie 77/388/EWG als Steuerpflichtige anzusehen sein, hat der Senat Zweifel, nach welchen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben er die Prüfung "größerer Wettbewerbsverzerrungen" i.S. des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG durchzuführen hat.
a) L erfüllt die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG. Sie war eine Einrichtung des öffentlichen Rechts und erbrachte ihre Leistung an den Kläger im Rahmen der öffentlichen Gewalt, weil sie aufgrund öffentlich-rechtlicher Sonderregelungen (§§ 8 ff. ZAV) tätig wurde. Die Bescheinigung über den Übergang einer Anlieferungs-Referenzmenge ist ein feststellender Verwaltungsakt (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. April 1997 3 C 2/95, Recht der Landwirtschaft 1997, 278; vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Oktober 1986 VII R 41/86, BFHE 148, 84, unter II.3.).
b) Aufgrund der Rechtsprechung des EuGH geht der Senat ferner davon aus, dass Verkaufsstellen privater Träger (§ 8 Abs. 2 Satz 3 ZAV), wie etwa im Bundesland Baden-Württemberg, Steuerpflichtige sind.
Sie werden zwar ebenfalls --nach Art. 8 Buchst. b VO Nr. 3950/92/EWG zulässigerweise-- im Rahmen der öffentlichen Gewalt tätig (als sog. "beliehene Unternehmer", z.B. Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. März 2003 4 K 438/03, NV; Düsing, Milchabgabeverordnung, 2005, S. 43). Eine Person ist jedoch nicht bereits dann als Nicht-Steuerpflichtige anzusehen, wenn sie im Rahmen der öffentlichen Gewalt tätig wird, sondern es muss sich bei der Person außerdem um eine Einrichtung des öffentlichen Rechts handeln (EuGH-Urteile vom 26. März 1987 Rs. 235/85, Kommission/Niederlande, Slg. 1987, 1485; vom 25. Juli 1991 C-202/90, Ayuntamiento de Sevilla, Slg. 1991, I-4247; a.A. H.-P. Lange/Spils, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2006, 7, 9 f.). Dies ist bei beliehenen Unternehmern nicht der Fall (vgl. BFH-Urteile vom 18. Januar 1995 XI R 71/93, BFHE 177, 154, BStBl II 1995, 559; vom 25. März 1993 V R 84/89, BFH/NV 1994, 59).
c) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die Beurteilung, ob im Einzelfall die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG vorliegen, Sache der nationalen Gerichte (vgl. EuGH-Urteile vom 14. Dezember 2000 C-446/98, CMP, Slg. 2000, I-11435, BFH/NV 2001, Beilage 1, 40, Randnr. 23; vom 6. Februar 1997 C-247/95, Marktgemeinde Welden, Slg. 1997, I-779, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 1997, 130, Randnr. 21; vom 15. Mai 1990 C-4/89, Comune di Carpaneto Piacentino II, Slg. 1990, I-1869, UR 1991, 225, Randnr. 11).
aa) Der Senat hat aber Zweifel, nach welchen gemeinschaftsrechtlichen Kriterien bei Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG der räumlich relevante Markt zu bestimmen ist. Diese Frage ist nach Auffassung des Senats durch die Rechtsprechung des EuGH noch nicht geklärt.
Im Bereich des Wettbewerbsrechts ist der räumlich relevante Markt das Gebiet, in dem die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind und das sich von benachbarten Gebieten durch spürbar unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen unterscheidet (EuGH-Urteil vom 14. Februar 1978 Rs. 27/76, United Brands, Slg. 1978, 207, Randnr. 10/11; Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABlEG Nr. C 372 vom 9. Dezember 1997, S. 5, Tz. 8). Gebiete, innerhalb derer der Wettbewerb durch hoheitliche Interventionen verfälscht wurde, bilden eigenständige räumlich relevante Märkte (vgl. EuGH-Urteil vom 23. April 1991 C-41/90, Höfner und Elser, Slg. 1991, I-1979, Randnr. 28; Jung in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 82 EGV Rz. 44). Dies könnte auch vorliegend gelten.
Der deutsche Verordnungsgeber schuf allerdings durch § 8 Abs. 2 und 3 und die Anlage zu § 8 Abs. 2 und 3 ZAV innerhalb der Bundesrepublik Deutschland 21 Übertragungsbereiche für Anlieferungs-Referenzmengen. Referenzmengen durften nur innerhalb eines Übertragungsbereichs übertragen werden (§ 8 Abs. 3 Satz 1 ZAV). Innerhalb des jeweiligen Übertragungsbereichs hatte die staatliche oder private Verkaufsstelle ein Übertragungsmonopol. Dadurch konnte kein Wettbewerb zwischen staatlichen und privaten Verkaufsstellen entstehen. Danach wäre die L als Nicht-Steuerpflichtige anzusehen. Dass dem Kläger beim Leistungsbezug von einem Nicht-Steuerpflichtigen kein Vorsteuerabzug zustünde, wäre dann die notwendige Folge der Existenz von Ausnahmen vom Mehrwertsteuersystem (vgl. EuGH-Urteil vom 2. Juni 2005 C-378/02, Waterschap Zeeuws Vlaanderen, Slg. 2005, I-4685, BFH/NV 2005, Beilage 4, 323, Randnr. 43).
Der Senat hält es jedoch nicht für ausgeschlossen, dass zur Wahrung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität die Prüfung "größerer Wettbewerbsverzerrungen" i.S. des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG dann --ausnahmsweise-- marktübergreifend vorzunehmen ist, wenn nur durch eine marktordnungsrechtlich zulässige Schaffung von räumlich eigenständigen Märkten ein Wettbewerb verhindert wurde.
Auch das Ziel der Richtlinie 77/388/EWG, Doppelbesteuerungen zu vermeiden (vgl. EuGH-Urteil vom 30. März 2006 C-184/04, Uudenkaupungin kaupunki, BFH/NV 2006, Beilage 3, 286, Randnr. 24), könnte bei der Bestimmung des relevanten Marktes für die Anwendung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu berücksichtigen sein. Bei der flächenungebundenen Übertragung von Anlieferungs-Referenzmengen wurde aus marktordnungsrechtlichen Gründen eine Verkaufsstelle als Leistungsempfänger und Leistender in Übertragungen zwischengeschaltet, die für Rechnung aller Anbieter anteilig auf alle Nachfrager erfolgte. Wären staatliche Verkaufsstellen Nicht-Steuerpflichtige, käme es nur aufgrund ihrer Zwischenschaltung zu Doppelbesteuerungen, obwohl Anbieter und Nachfrager Steuerpflichtige sind.
bb) Ferner ist gemeinschaftsrechtlich nicht offenkundig, ob Übertragungen nach § 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3, § 12 Abs. 3 ZAV bei der Prüfung "größerer Wettbewerbsverzerrungen" zu berücksichtigen sind.
Zwar konnten auch Milcherzeuger nach § 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3, § 12 Abs. 3 ZAV Anlieferungs-Referenzmengen unmittelbar flächenungebunden auf andere Milcherzeuger übertragen. Die übertragenden Milcherzeuger waren Steuerpflichtige. Bei diesen Übertragungen handelte es sich aber sowohl nach Art. 7 VO Nr. 3950/92/EWG als auch nach den genannten Bestimmungen der ZAV um Ausnahmefälle.
III. Rechtsgrundlage für die Vorlage an den EuGH ist Art. 234 Abs. 3 EGV. Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf § 74 der Finanzgerichtsordnung.
Fundstellen
Haufe-Index 1585737 |
BFH/NV 2006, 2216 |
BStBl II 2006, 938 |
BFHE 2006, 436 |
BFHE 213, 436 |
BB 2006, 2346 |
DB 2007, 503 |
DStRE 2006, 1528 |
DStZ 2006, 753 |
HFR 2006, 1253 |
UR 2006, 628 |