Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Ablehnung eines Gutachterausschusses für Grundstückswerte wegen Besorgnis der Befangenheit
Leitsatz (NV)
1. Der Gutachterausschuß für Grundstückswerte (§§ 192 ff. BauGB) kann als solcher nicht wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
2. Ein gegen (sämtliche) Mitglieder des Gutachterausschusses gerichtetes Ablehnungsgesuch ist jedenfalls dann unbegründet, wenn es sich nur auf Ablehnungsgründe stützt, die sich aus der Institution des Ausschusses und den gesetzlichen Vorgaben für seine Zusammensetzung ergeben.
Normenkette
FGO §§ 82, 88; ZPO § 406 Abs. 1; BauGB § 192 Abs. 1, § 193 Abs. 1 Nr. 4
Tatbestand
Der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) wird mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Beklagte, Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt) wies die vom Kläger gegen die Einkommensteuerbescheide 1987 und 1988 eingelegten Einsprüche teilweise als unbegründet zurück. Über die von den Eheleuten erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden. Streitig ist der Anteil des Grund und Bodens an den Anschaffungskosten mehrerer Mietwohngrundstücke des Klägers und die Nutzungsdauer der Gebäude.
Das FG erließ einen Beweisbeschluß, wonach ein Gutachten des Gutachterausschusses für Grundstückswerte bei der Stadt A eingeholt werden sollte. Der Kläger lehnte den Gutachterausschuß als befangen ab und begehrte, einen Sachverständigen zu beauftragen, der nicht so enge Beziehungen zur Stadt A habe. Diese drohe ihm unter Berufung auf den schlechten Zustand einiger Häuser eine Nutzungsuntersagung bzw. den Abriß der Häuser an und prüfe das Vorliegen bau- und ordnungsrechtlicher Verstöße. Ein Datenschutz innerhalb der verschiedenen Stellen der Stadt A sei nicht gewährleistet.
Das FG wies das Ablehnungsgesuch des Klägers zurück. Mit der hiergegen ein gelegten Beschwerde macht der Kläger geltend, es sei zu befürchten, daß der Gutachterausschuß die Grundstücke zu niedrig bewerte, damit bei einer eventuellen Enteignung auf Veranlassung der Stadt A nur eine geringe Entschädigung gezahlt zu werden brauche.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanz hat das Ablehnungs gesuch des Klägers im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.
Der Gutachterausschuß für Grundstückswerte (§§ 192 ff. des Baugesetzbuches -- BauGB --) kann als solcher nicht gemäß § 82 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 406 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs -- BGH -- vom 23. Januar 1974 IV ZR 92/72, BGHZ 62, 93; Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 9. Juli 1981 IV B 44/80, BFHE 133, 500, BStBl II 1981, 720; Beschluß des Oberlandesgerichts -- OLG -- Oldenburg vom 9. Dezember 1991 12 WF 138/91, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht -- FamRZ -- 1992, 451; Beschluß des OLG Hamm vom 28. Dezember 1989 1 W 111/89, NJW- Rechtsprechungs-Report Zivilrecht -- NJW-RR -- 1990, 1471; List in Hübsch mann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 82 FGO Rz. 101). Ebensowenig ist seine Ablehnung nach § 88 FGO mit der Behauptung möglich, es sei eine Verletzung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses oder Schaden für die geschäftliche Tätigkeit zu befürchten. Zwar handelt es sich bei dem vom Ausschuß gemäß § 193 Abs. 1 Nr. 4 BauGB zu erstattenden Gutachten der Sache nach um ein Sachverständigengutachten. Da das Gutachten jedoch von einer durch Gesetz speziell zur Ermittlung von Grundstückswerten geschaffenen kollegialen Behörde zu erstatten ist, können die Vorschriften der §§ 82 ff. FGO i. V. m. §§ 402 ff. ZPO über den Sachverständigenbeweis auf dieses Beweismittel nicht so angewandt werden, wie sie anzuwenden sind, wenn das Gericht nach diesen Vorschriften eine bestimmte Person als Sachverständigen bestellt hat. Bereits aus der Normierung der Aufgaben, Rechte und Pflichten der Gutachterausschüsse folgt, daß diese selbständig und unabhängig den Wert eines Grundstücks unparteiisch zu ermitteln haben (§ 192 Abs. 1, 3 BauGB, § 199 Abs. 2 Nr. 1 BauGB i. V. m. § 3 Abs. 2 der Verordnung über die Gutachterausschüsse für Grundstückswerte vom 7. März 1990 -- GAVO NW --, Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein- Westfalen 1990, 156). Entgegen der Ansicht des Klägers gilt dies auch im Verhältnis zu der Gebietskörperschaft -- hier der Stadt A --, für deren Bereich sie gebildet worden sind (vgl. auch BGH-Urteil vom 2. November 1970 III ZR 129/68, Baurecht 1971, 46).
Im Streitfall bedarf es keiner Entscheidung, ob der herrschenden Meinung (vgl. BGH in BGHZ 62, 93; BFH in BFHE 133, 500, BStBl II 1981, 720; OLG Oldenburg in FamRZ 1992, 451; OLG Hamm in NJW-RR 1990, 1471; List in Hübsch mann/Hepp/Spitaler, a.a.O.) auch insoweit zu folgen ist, als die Ablehnung einzelner Mitglieder des Gutachterausschusses ebenfalls stets ausgeschlossen sein soll. Ein gegen (sämtliche) Mitglieder des Gutachterausschusses gerichtetes Ablehnungsgesuch kann jedenfalls dann keinen Erfolg haben, wenn es sich nur auf Ab lehnungsgründe stützt, die sich aus der Institution des Ausschusses und den gesetzlichen Vorgaben für seine Zusammensetzung ergeben. Mit seinem Vorbringen, der Gutachterausschuß stünde der Stadt A zu nahe und wegen deren Interesse an seinen Grundstücken sei eine zu niedrige Bewertung zu befürchten sowie der Datenschutz nicht gewahrt, macht der Kläger lediglich derartige pauschale Gründe gegen den Ausschuß und seine sämtlichen Mitglieder geltend, die keine Ablehnung rechtfertigen. Hingegen trägt er keine Ab lehnungsgründe vor, die sich konkret auf einzelne Personen oder auf alle Ausschußmitglieder beziehen.
Fundstellen