Entscheidungsstichwort (Thema)
Bezeichnung eines Verfahrensmangels; grundsätzliche Bedeutung
Leitsatz (NV)
1. Bei der Bezeichnung eines Verfahrensmangels muß auch schlüssig vorgetragen werden, daß das FG-Urteil auf diesem Mangel beruhen kann.
2. Fragen der Würdigung der Umstände des Einzelfalls sind keine Fragen grundsätzlicher Bedeutung.
3. Die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten der Finanzverwaltung im Rahmen der Außenprüfung einen bestimmten Vertrauenstatbestand begründen kann, ist grundsätzlich geklärt.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2-3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die mit Vertrag vom 20. Dezember 1989 zum 1. Januar 1990 von Eheleuten gegründet wurde. Der Ehemann betreibt eine Landwirtschaft. Zweck der Gesellschaft war die gemeinsame Errichtung von Wirtschaftsgebäuden sowie die Erhaltung und Verbesserung der Existenzfähigkeit des Betriebs. Der Ehemann brachte der Gesellschaft zur Nutzung ein Grundstück sowie seine Arbeitskraft, soweit erforderlich, ein. Die Ehefrau verpflichtete sich, ihre Arbeitskraft, soweit erforderlich, einzubringen. Auf dem eingebrachten Grundstück wurden Stallungen und Maschinenschuppen errichtet. Das bebaute Grundstück überließ die Gesellschaft dem Ehemann zum 1. Juli 1990.
Am 27. November 1990 führte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) bei der Klägerin eine Umsatzsteuersonderprüfung für die Voranmeldungszeiträume I bis III/1990 durch. Mit Schreiben vom 21. Januar 1991 teilte das FA der Klägerin mit, daß die Prüfung "zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen geführt" habe.
Für das Streitjahr 1990 machte die Klägerin einen Vorsteuerüberschuß von ... DM geltend. Für das Streitjahr 1991 gab die Klägerin keine Umsatzsteuererklärung ab.
Das FA verweigerte den Vorsteuerabzug mit der Begründung, es liege eine rechtsmißbräuchliche Gestaltung vor. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Mit der Beschwerde beantragt die Klägerin Zulassung der Revision wegen Verfahrensmangels und wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Das FA tritt der Beschwerde entgegen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht wegen Verfahrensmangels zuzulassen.
Ein Verfahrensmangel lag nach dem Vortrag der Klägerin darin, daß das Gericht gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung nach § 96 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sowie gegen den Amtsermittlungsgrundsatz nach § 76 FGO verstoßen habe. In der öffentlichen Sitzung des Finanzgerichts (FG) vom 2. Mai 1995 seien dem Vorsitzenden die Anordnung des FA vom 14. November 1990 über die Durchführung einer Umsatzsteuersonderprüfung sowie das Schreiben des FA vom 21. Januar 1991 an die Klägerin übergeben worden. Das FG habe in den Entscheidungsgründen des Urteils bei der Beweiswürdigung den Inhalt der Anordnung nicht gewürdigt. Die Beweiswürdigung habe sich ausschließlich auf den Inhalt des Schreibens vom 14. November 1990 sowie auf den Umstand erstreckt, daß der Prüfer bei der am 27. November 1990 durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung der Klägerin ausdrücklich geraten habe, den Gesellschaftsvertrag zu ändern. Hätte das FG den Inhalt der Anordnung vom 14. November 1990 zusammen mit den Äußerungen des Prüfers und der Mitteilung des FA vom 21. Januar 1991 -- in einer Gesamtschau -- umfassend gewürdigt, hätte es zum Ergebnis gelangen müssen, daß im Streitfall aus Gründen des Vertrauensschutzes der Klägerin der Vorsteuerabzug hätte gewährt werden müssen. Aus den Äußerungen und dem Verhalten des Prüfers im Zusammenhang mit der Umsatzsteuersonderprüfung, dem Inhalt der Anordnung vom 14. November 1990 und dem Inhalt der Mitteilung vom 21. Januar 1991 ergebe sich ein Tatbestand, der so nachhaltig sei, daß sie, die Klägerin, den Schluß daraus ziehen konnte und durfte, daß das FA ihr Vorsteuerabzug gewähren würde.
Die Anordnung vom 14. November 1990 habe nicht den ausdrücklichen Hinweis enthalten, daß eine Umsatzsteuersonderprüfung auf die Prüfung der Voraussetzungen "für den Abzug der Vorsteuern beschränkt ist", wie das FG ausgeführt habe. Die Beweiswürdigung erweise sich somit als lükenhaft.
Der Senat braucht nicht weiter darauf einzugehen, ob das Vorbringen der Klägerin noch teilweise als Verfahrensrüge des Verstoßes gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO oder aber insgesamt als (materiell-rechtliche) Rüge der fehlerhaften Beweiswürdigung zu beurteilen ist. In beiden Fällen führt die Rüge nicht zum Erfolg. Bei Annahme einer Verfahrensrüge fehlt es jedenfalls am schlüssigen Vortrag dazu, daß das Urteil des FG auf dem Verfahrensmangel (diesen unterstellt) beruhen könne. Der Vortrag der Klägerin, bei einer umfassenden Gesamtwürdigung des Inhalts der Prüfungsanordnung zusammen mit den Äußerungen des Prüfers und der Mitteilung des FA hätte das FG zum Ergebnis gelangen müssen, ihr sei aus Gründen des Vertrauensschutzes der Vorsteuerabzug zu gewähren, reicht dazu nicht aus. Keiner der von der Klägerin geltend gemachten Umstände, die in die Gesamtwürdigung hätten einbezogen werden sollen, betrifft die Frage des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977), auf den das FA die Jahressteuer-Festsetzungen gegen die Klägerin gestützt hat. Die Klägerin trägt dazu -- was notwendig gewesen wäre -- nicht vor, daß die Prüfungsanordnung, deren hinreichende Berücksichtigung von ihr bemängelt wird, insoweit irgendwelche vertrauensschutzbildenden Hinweise enthalten habe.
2. Auch der weitere, von der Klägerin geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache führt nicht zur erstrebten Zulassung der Revision. Die Frage, "ob aus Gründen des Vertrauensschutzes Vorsteuerabzug zu gewähren ist, wenn eine Prüfungsanordnung nicht mit dem ausdrücklichen Zusatz versehen ist, daß eine Umsatzsteuersonderprüfung auf die Prüfung der Voraussetzungen für den Abzug der Vorsteuern beschränkt ist, ein Prüfer im Anschluß an die Prüfung eine Ergänzung des Gesellschaftsvertrages zur umsatzsteuerlichen Anerkennung empfiehlt sowie dem Steuerpflichtigen vom Finanzamt mitgeteilt wird, die durchgeführte Umsatzsteuersonderprüfung habe zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen geführt", ist keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung. Es handelt sich um eine Frage der Würdigung der Umstände des Einzelfalls im vorliegenden Rechtsstreit.
Die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten der Finanzverwaltung auch im Rahmen einer Außenprüfung einen Vertrauenstatbestand begründen kann, ist prinzipiell geklärt. Ob die Grundsätze im Streitfall auf dessen Umstände zutreffend angewandt worden sind, gehört nicht zum grundsätzlich klärungsbedürftigen Bereich.
Fundstellen
Haufe-Index 423694 |
BFH/NV 1997, 328 |