Leitsatz (amtlich)
Der Inanspruchnahme nach § 14 Abs. 3 UStG 1967 kann nicht entgegengehalten werden, gemäß den Grundsätzen über die Verteilung der Abrechnungsbefugnis (Abrechnungslast) sei das vorliegende Abrechnungspapier (mit dem unberechtigten Steuerausweis) als Gutschrift und nicht als Rechnung einzustufen.
Normenkette
UStG 1967 § 14 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer war in der Zeit von Februar 1977 bis September 1978 Angestellter eines Unternehmens, das im Optionshandel tätig war. Im Anstellungsvertrag war vereinbart, daß der Kläger für seine Tätigkeit neben einem monatlichen Grundgehalt von 5 000 DM eine "Provision" von 1/2 v. H. des jeweiligen Monatsumsatzes erhalten solle. Diese als Overhead bezeichnete Provision wurde nach dem monatlichen Cash-Umsatz seines Arbeitgebers berechnet und in besonderen Abrechnungsbelegen festgehalten.
Diese Abrechnungen erfolgten auf maschinenschriftlich vorbereiteten Formularabdrucken. In den Monaten März und April 1977 trug dieses Formular links oben den Firmenstempel des Arbeitgebers. In dem Formulartext, der die Überschrift "Quittung" trägt, bescheinigte der Kläger, die in das Formular monatlich (mit Schreibmaschine) eingesetzten Beträge (Nettoprovisionsbetrag zuzüglich Umsatzsteuer = Gesamtbetrag) erhalten zu haben. Abschließend enthalten beide Abrechnungsbelege an vorgesehener Stelle Datum, Ortsangabe und Unterschrift des Klägers.
Ab Mai 1977 wurde ein geändertes (ebenfalls maschinenschriftlich erstelltes) Formular verwendet. Unter der Überschrift "Rechnung" folgte eingangs der Text: "Für meine Overhead/Optionsgeschäfte im Monat ... 1977 (1978) berechne ich, Herr ..., für:". Es folgen Rubriken für die Provision, die darauf entfallende Umsatzsteuer, den Gesamtbetrag, die Anrechnung von Abschlagszahlungen, den Restzahlungsbetrag und die Bestätigung des Zahlungserhalts. Abschließend sieht das Formular Orts- und Datumsangabe sowie Unterschriftsleistung vor. Statt des bisherigen Firmeneindrucks im Formularkopf ist jetzt maschinenschriftlich Firmenbezeichnung und Firmenadresse des Arbeitgebers eingesetzt. Ferner ist in den Formularen als die berechnende (abrechnende) Person der Name des Klägers maschinenschriftlich eingesetzt. In gleicher Weise folgen dann die Zahlenangaben unter gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer sowie die Orts- und Datumsangaben. Der Kläger hat diese Abrechnungen unterschrieben; in den Monaten März, Juli und September fehlen die Unterschriften.
Aus den beigezogenen Akten des Arbeitsgerichts hat das Finanzgericht entnommen, daß der Kläger seinen Arbeitgeber auf Zahlung der Provision für September 1978 verklagt und in diesem Verfahren eine von ihm unterschriebene Abrechnung über einen Provisionsanspruch für September 1978 von 7 395,29 DM zuzüglich 887,43 DM Umsatzsteuer vorgelegt hat, die inhaltlich der ursprünglichen, vom Kläger aber nicht unterschriebenen Abrechnung entspricht.
Das beklagte Finanzamt nahm den Kläger in Höhe der in den Abrechnungen März 1977 bis September 1978 gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 UStG 1967 in Anspruch (Steuerschulden von 4 320,93 DM in 1977 und von 4 848,79 DM in 1978). Die hiergegen erhobene Klage hatte in Höhe eines Betrages von 730,72 DM Erfolg; im übrigen wurde sie abgewiesen. Das Finanzgericht hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe mit der Unterschrift unter die vom Arbeitgeber angefertigten Abrechnungen als Nichtunternehmer Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis im Sinne des § 14 Abs. 3 UStG 1967 ausgestellt und in den Verkehr gebracht. Wegen fehlender Unterschrift unter den Abrechnungen März und Juli 1978 sei hier die Heranziehung des Klägers nicht zu Recht erfolgt. Für den Monat September 1978 habe der Kläger den Tatbestand des § 14 Abs. 3 UStG 1967 dadurch verwirklicht, daß er eine andere von ihm unterschriebene Abrechnung (mit gesondertem Steuerausweis) dem Arbeitsgericht vorgelegt und die in dieser Abrechnung spezifizierte Forderung klageweise gegen seinen Arbeitgeber geltend gemacht habe.
Wegen Nichtzulassung der Revision im Urteil des Finanzgerichts hat der Kläger Beschwerde erhoben. In erster Linie stützt der Kläger seine Beschwerde auf eine Divergenz des Finanzgerichts-Urteils zum Urteil des Bundesfinanzhofs vom 4. März 1982 V R 107/79 (BFHE 135, 118, BStBl II 1982, 309 ). Nach den Grundsätzen dieses Urteils handele es sich bei den monatlichen Provisionsabrechnungen um Gutschriften, denn es lägen Abrechnungen eines Leistungsempfängers (des Arbeitgebers) über die an ihn erbrachten Leistungen vor. Allein der Arbeitgeber habe, weil die Provisionen nach seinem Cash-Umsatz zu berechnen gewesen seien, Kenntnis der Abrechnungsgrundlagen besessen, so daß ihm die Abrechnungslast zugefallen sei. Die Abrechnungslast könne, wie der BFH ausgeführt habe, durch die Unterschrift eines Beteiligten unter der Abrechnung nicht verschoben werden. Außerdem habe es sich bei der Unterschrift jeweils nur um die Bestätigung des Zahlungserhalts gehandelt. Sei demnach der Arbeitgeber der Aussteller von Gutschriften, komme er, der Kläger, als Rechnungsaussteller im Sinne des § 14 Abs. 3 UStG 1967 nicht mehr in Betracht. Für den Fall, daß eine Abweichung von der vorbezeichneten Entscheidung des BFH verneint werde, käme der Sache eine grundsätzliche Bedeutung zu. Es sei dann grundsätzlich klärungsbedürftig, ob es zur Disposition der zivilrechtlich am Abrechnungsverfahren Beteiligten stehe, Gutschriften durch Bezeichnung als Rechnungen und durch Unterschrift des Leistenden zu Rechnungen zu machen, die die Wirkungen des § 14 Abs. 3 UStG 1967 auslösten.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Eine Divergenz im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO liegt nicht vor, da das Grundsatzurteil zur Festlegung der Abrechnungslast vom 4. März 1982 V R 107/79 (BFHE 135, 118, BStBl II 1982, 309 ) für die Anwendung des § 14 Abs. 3 UStG 1967 nicht einschlägig ist. Der erkennende Senat hat bereits im Urteil vom 21. Februar 1980 V R 146/73 (BFHE 129, 569, BStBl II 1980, 283 ) die Grundsätze festgelegt, nach denen die Person festzustellen ist, die mit der Rechtsfolge des § 14 Abs. 3 UStG 1967 Abrechnungen mit gesondertem Steuerausweis erteilt. Die Vorschrift des § 14 Abs. 3 UStG 1967 regelt nach Auffassung des Senats einen Gefährdungstatbestand besonderer Art; er soll die unberechtigte Begebung von Abrechnungen mit gesondertem Steuerausweis verhindern, die zu Lasten des Fiskus eine Gefährdung des Steueraufkommens herbeiführt, da der Empfänger der Abrechnung in den Stand versetzt wird, sich unberechtigt Vorsteuerbeträge auszahlen zu lassen (Urteil vom 10. Dezember 1981 V R 3/75, BFHE 135, 107, BStBl II 1982, 229 ). Wegen des besonderen Charakters des § 14 Abs. 3 UStG 1967 ist der Anwendungsbereich auf die Fälle mißbräuchlicher Begebung beschränkt und sind deswegen diejenigen Fallgestaltungen nach § 14 Abs. 2 UStG 1967 verwiesen worden, in denen Unternehmer bei nichtsteuerbaren oder steuerfreien Leistungen (in der Regel rechtsirrtümlich oder versehentlich) Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen haben (Urteil vom 7. Mai 1981 V R 126/75, BFHE 133, 127, BStBl II 1981, 547 ).
Im Rahmen dieses Regelungsbereichs liegt nach dem dargestellten Gesetzesziel eine unberechtigte Rechnungsausstellung im Sinne der zweiten Alternative des § 14 Abs. 3 UStG 1967 vor, wenn eine Person ein Abrechnungspapier begeben (d. h. in den Verkehr gebracht) hat, welches nach seinem äußeren Erscheinungsbild diejenigen Merkmale einer Abrechnung ausweist, wie sie in § 14 Abs. 1 UStG 1967 beschrieben sind. Der vom Kläger unter Berufung auf das Urteil zur Festlegung der Abrechnungslast (BFHE 135, 118, BStBl II 1982, 309 ) ins Spiel gebrachte Gesichtspunkt der Abrechnungslast berührt diese Auslegung nicht, sondern geht an ihr vorbei.
Zum einen ist die Regelung in § 14 Abs. 3 UStG 1967 darauf gerichtet, alle rechnungsbegebenden Personen zu erfassen, die in ihrer Person die Voraussetzungen zur Erteilung von Abrechnungen mit gesondertem Steuerausweis nicht erfüllen, nämlich die Nichtunternehmer und die Kleinunternehmer im Sinne des § 19 Abs. 1 UStG 1967 (BFHE 133, 127, BStBl II 1981, 547 ). Einer Inanspruchnahme nach der zweiten Alternative des § 14 Abs. 3 UStG 1967 kann der abrechnungserteilende Nichtunternehmer nicht entgegenhalten, im zivilrechtlichen Verhältnis zu seinem Rechnungsadressaten sei er zu seinem Tun gar nicht berechtigt. Dieses Argument schafft den Vorgang der tatsächlichen (unberechtigten) Begebung einer Rechnung mit den Merkmalen des § 14 Abs. 1 UStG 1967 nicht aus der Welt; allein auf ihn jedoch stützt das Gesetz die Besteuerungsfolge.
Zum anderen zieht der Kläger den Anwendungsbereich der Grundsätze über die Abrechnungslast zu weit. Sie gehen, wie insbesondere dem Abschnitt 6 der Entscheidungsgründe des Urteils in BFHE 135, 118, BStBl II 1982, 309 zu entnehmen ist, von Abrechnungsverhältnissen aus, in denen der Abrechnende nicht von den Besteuerungsfolgen des § 14 Abs. 3 UStG 1967 erfaßt wird. Nach den Gründen vorbezeichneter Entscheidung ist die Frage nach der Abrechnungslast nur dann relevant, wenn der Leistende als Unternehmer zur Abrechnung mit gesondertem Steuerausweis berechtigt ist und über eine ausgeführte (bzw. auszuführende) steuerpflichtige Leistung abrechnet; auch für eine Abrechnung durch Gutschrift war und ist dies nach Auffassung des Senats Voraussetzung (vgl. früher § 5 der 1. UStDV sowie jetzt § 14 Abs. 5 UStG 1980).
Diese Auslegungsgrundsätze hat das Finanzgericht beachtet, so daß der Fall einer Divergenz im Sinne des § 115 Abs. 1 Nr. 2 FGO nicht vorliegt. Die Abrechnungspapiere, die zur Heranziehung des Klägers nach der zweiten Alternative des § 14 Abs. 3 UStG 1967 geführt haben, betreffen Teile seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Dienstleistung und des ihm dafür - in Gestalt einer sog. Erfolgsprovision - vertraglich zugesicherten Arbeitslohns. Damit enthalten sie Berechnungen über die Entlohnung eines Arbeitnehmers im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1967, also einer im Sinne der zweiten Alternative des § 14 Abs. 3 UStG 1967 nicht zur Rechnungsausstellung befugten Person mit dem Abrechnungsgegenstand der nichtsteuerbaren Arbeitsleistung. Die vom Kläger erteilten Abrechnungen sind nach den vom Finanzgericht getroffenen Feststellungen (jedenfalls für die Zeit ab Mai 1977) als Abrechnungspapiere einzustufen, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild diejenigen Merkmale aufweisen, wie sie Rechnungen eines Unternehmers zu eigen sind; dies trifft entgegen der Auffassung des Finanzgerichts auch auf diejenigen Abrechnungen zu, die der Kläger nicht unterschrieben hat. Zutreffend hat das Finanzgericht auch entschieden, daß der Kläger diese Abrechnungen dadurch in den Verkehr gebracht hat, daß er sie seinem Arbeitgeber zur beliebigen Verwendung überließ.
2. Eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kommt der Sache nicht zu. Der Senat hat durch das vorbezeichnete Urteil in BFHE 129, 569, BStBl II 1980, 283 bereits entschieden, unter welchen Voraussetzungen ein Abrechnungspapier die Merkmale einer Rechnung im Sinne des § 14 Abs. 3 UStG 1967 erfüllt. Die vom Kläger vorgetragene, nach seiner Meinung klärungsbedürftige Fragestellung ist von der unzutreffenden Auffassung, es käme auf die nach den Grundsätzen der Abrechnungslast zu treffende Scheidung zwischen Rechnungen und Gutschriften an, geprägt; wie zu Abschnitt 1 ausgeführt, führt dies jedoch an den für die Anwendung des § 14 Abs. 3 UStG 1967 maßgeblichen Auslegungsgrundsätzen vorbei.
Fundstellen
BStBl II 1985, 20 |
BFHE 1985, 63 |