Entscheidungsstichwort (Thema)
Offenbare Unrichtigkeit eines Beschlusses über die Verwerfung einer Revision
Leitsatz (NV)
Ein Beschluß, mit dem der BFH eine eingelegte Revision mangels schlüssiger Rüge eines wesentlichen Verfahrensmangels als unzulässig verworfen hat, kann nicht wegen offenbarer Unrichtigkeit berichtigt werden, wenn der Revisionskläger lediglich seinen Vortrag aus dem Revisionsverfahren wiederholt.
Normenkette
FGO § 107 Abs. 1, § 116 Abs. 1
Tatbestand
Streitig war, ob der Gewinn aus der Ver äußerung einer landwirtschaftlichen Hofstelle steuerlich zu erfassen gewesen ist.
Mit der Klage war geltend gemacht worden, der landwirtschaftliche Betrieb sei aufgegeben worden. Auch nach dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 29. Februar 1972 (BStBl I 1972, 102) gelte der Betrieb als aufgegeben.
Durch Urteil vom 5. August 1993 wies das Finanzgericht (FG) die vom Kläger, Revisionskläger und Antragsteller (Kläger) erhobene Klage als unbegründet zurück. Es führte aus, der landwirtschaftliche Betrieb sei nicht aufgegeben worden. Eine eindeutige Betriebsaufgabeerklärung liege nicht vor. Der Kläger könne sich auch nicht auf die ergangenen Verwaltungsanweisungen berufen. Die Revision ließ das FG nicht zu.
Der erkennende Senat hat die vom Kläger eingelegte Revision mit Beschluß vom 6. September 1994 als unzulässig verworfen, weil der Kläger einen wesentlichen Verfahrensmangel (§ 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) nicht schlüssig gerügt hat. Insbesondere hat der Senat dort ausgeführt, daß das angegriffene Urteil des FG mit Gründen versehen gewesen sei, die es den Beteiligten ermöglicht hätten, die getroffene Entscheidung auf ihre Richtigkeit und Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Das FG habe nämlich ausführlich begründet, warum bestehende Verwaltungsanweisungen, u. a. auch das BMF-Schreiben in BStBl I 1972, 102, die Finanzgerichte nicht binden könnten.
Mit Schreiben vom 2. Dezember 1994 beantragt der Kläger, den ergangenen Beschluß vom 6. September 1994 gemäß § 107 Abs. 1 FGO zu berichtigen.
Er macht geltend, die gemäß § 116 Abs. 1 FGO eingelegte Revision sei damit begründet worden, daß das FG über den Antrag, das BMF-Schreiben in BStBl I 1972, 102 anzuwenden, ohne Angabe von Gründen entschieden habe. Diese zu § 55 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ergangene und dem erkennenden Senat bekannte Verwaltungsvorschrift besage, daß ein landwirtschaftlicher Betrieb als aufgegeben gelte, sofern vor 1970 keine Einkünfte aus Landwirtschaft erklärt worden seien. Die Revision sei gerade nicht mit dem vom FG zitierten BMF-Schreiben vom 4. Juli 1984 (Steuererlaß in Karteiform, § 14 EStG Nr. 29) begründet worden; diese Verwaltungsvorschrift sei zu § 14 EStG ergangen und mache Aussagen über den notwendigen Inhalt von Betriebsaufgaben. In der Revisionsschrift sei noch einmal besonders auf den Inhalt des BMF-Schreibens in BStBl I 1972, 102 hingewiesen worden. Dieses sei auch nicht geändert worden. Bei den beiden Anweisungen handle es sich um zwei getrennte Vorschriften mit gänzlich anderem Rechtsinhalt. Obwohl die Anwendung des BMF-Schreibens in BStBl I 1972, 102 bereits im Klageverfahren beantragt worden sei, enthalte das FG-Urteil dazu keine Begründung.
Es sei bekannt, daß § 107 FGO nicht dazu diene, auch schwere Rechtsfehler selbst des Bundesfinanzhofs (BFH) zu berichtigen. Demgemäß bäte er den erkennenden Senat ausdrücklich zu begründen, daß es sich bei den Aussagen über den Inhalt des BMF- Schreibens in BStBl I 1972, 102 um einen Rechtsirrtum handle. Bei einem derart schweren Rechtsfehler durch einen mit drei Berufsrichtern besetzten Senat könne es sich ausschließlich um eine offenbare Unrichtigkeit handeln.
Entscheidungsgründe
Der Antrag des Klägers ist unbegründet.
1. Gemäß § 107 Abs. 1 FGO sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten in Urteilen jederzeit vom Gericht zu berichtigen. Das gilt für Beschlüsse entsprechend (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 107 Anm. 1). Sinn und Zweck dieser Vorschrift liegen darin, das Gericht und die Beteiligten nicht an etwas zu binden, was in Wirklichkeit nicht gewollt war (BFH-Beschlüsse vom 4. September 1984 VIII B 157/83, BFHE 142, 13, BStBl II 1984, 834, und vom 25. November 1993 IV B 80/93, BFH/NV 1994, 723).
Offenbar ist eine Unrichtigkeit, wenn sie auf der Hand liegt. Als offenbar ist anzusehen, was durchschaubar, eindeutig und augenfällig ist; doch ist § 107 Abs. 1 FGO nicht anwendbar, wenn auch nur die Möglichkeit eines Fehlers, selbst eines offensichtlichen, in der Rechtsanwendung oder Tatsachenwürdigung besteht oder wenn ein Verfahrensverstoß oder ein Denkfehler nicht ausgeschlossen werden können (BFH-Beschlüsse in BFHE 142, 13, BStBl II 1984, 834 und BFH/NV 1994, 723).
2. Danach ist der Beschluß des erkennenden Senats vom 6. September 1994 nicht zu berichtigen. Er enthält keine offenbare Unrichtigkeit i. S. des § 107 Abs. 1 FGO. Der Kläger verkennt, daß der erkennende Senat die eingelegte Revision verworfen hat, weil der Kläger den geltend gemachten wesentlichen Revisionsmangel, das angefochtene FG-Urteil sei nicht mit Gründen versehen (§ 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO), nicht schlüssig gerügt hat. Insbesondere hat der erkennende Senat zum einen darauf abgestellt, daß sich das FG mit dem Vorbringen des Klägers auseinandergesetzt habe, und zwar auch mit dem BMF-Schreiben in BStBl I 1972, 102, und das FG auch dargelegt habe, daß die Verwaltungsanweisungen die Gerichte nicht binden und im übrigen auch deren Voraussetzungen für ihre Anwendung im Streitfall nicht vorlägen.
Zum anderen hat der erkennende Senat darauf hingewiesen, daß das FG im einzelnen begründet habe, daß die Verwaltungsauffassung bereits durch das BMF-Schreiben vom 4. Juli 1984 (a.a.O.) modifiziert worden sei und dazu festgestellt habe, daß der Kläger am 23. November 1984 für die Erblasserin ausdrücklich die Fortführung des Betriebs erklärt habe. Auch insoweit war -- wie bereits im Beschluß vom 6. September 1994 ausgeführt -- für den Kläger deutlich erkennbar, von welchen Überlegungen das FG in diesem Punkt ausgegangen war.
Ob diese Überlegungen des FG sachlich richtig waren, hatte der erkennende Senat in seinem Beschluß vom 6. September 1994 nicht zu beurteilen. Das verkennt der Kläger.
Fundstellen