Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Verhältnis von Leistungsgebot und zugrundeliegendem Haftungsbescheid
Leitsatz (NV)
1. Die Zahlungsaufforderung bei Haftungsbescheiden gemäß § 219 AO 1977 ist mit dem Leistungsgebot i. S. des § 254 Abs. 1 AO 1977 identisch.
2. Zur Zuständigkeit für Klagen gegen Leistungsgebote, wenn der finanzgerichtliche Geschäftsverteilungsplan keine ausdrückliche Regelung hierzu trifft.
3. Zugrundeliegender Steuer- bzw. Haftungsbescheid und Leistungsgebot stehen nicht in dem Verhältnis von Grundlagenbescheid und Folgebescheid zueinander.
4. Ist der Haftungsbescheid auf eine Steuerhinterziehung des Haftungsschuldners gestützt, darf das Leistungsgebot ohne Einhaltung der Voraussetzungen des § 219 Satz 1 AO 1977 ergehen; dabei ist unerheblich, ob der Haftungsschuldner tatsächlich eine Steuerhinterziehung begangen hat.
5. Im Verfahren über die Anfechtung des Leistungsgebots sind nach dem auch hier maßgeblichen Rechtsgedanken des § 256 AO 1977 nur Einwendungen zulässig, die sich gegen die Zulässigkeit des Leistungsgebots selbst, nicht aber gegen den zugrundeliegenden Verwaltungsakt richten.
6. Zum notwendigen Inhalt eines Leistungsgebots gemäß § 254 AO 1977.
7. Ist das Leistungsgebot mit dem Haftungsbescheid in einer Urkunde verbunden, so ist die teilweise Aufhebung des Haftungsbescheids regelmäßig gleichzeitig als konkludente teilweise Aufhebung des Leistungsgebots zu werten; ein neues, ausdrücklich angepaßtes Leistungsgebot braucht nicht zu ergehen.
8. Auch die Aussetzung der Vollziehung des zugrundeliegenden Verwaltungsakts gebietet die Anpassung eines bereits ergangenen Leistungsgebots nicht. Die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung des zugrundeliegenden Verwaltungsakts besagt nur, daß von diesem im Umfang der Vollziehungsaussetzung bzw. -aufhebung kein künftiger Gebrauch gemacht werden darf, daß also ein späteres Leistungsgebot nicht mehr erlassen werden darf, daß auf ein bereits ergangenes die Vollstreckung nicht mehr gestützt werden kann und daß daneben möglicherweise außerdem die durch das ggf. bereits verwirklichte Leistungsgebot eingetretenen Tilgungswirkungen rückgängig zu machen sind.
Normenkette
AO 1977 § 171 Abs. 10, §§ 219, 254 Abs. 1, § 256; FGO §§ 69, 142 Abs. 1
Tatbestand
Der Antragsteller ist vom beklagten Finanzamt (FA) mit auf § 71 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Haftungsbescheid vom 26. April 1989 wegen rückständiger Steuerschulden seiner Ehefrau (Einkommensteuersteuer 1978 bis 1981 in Höhe von insgesamt ... DM und Umsatzsteuer 1978 bis 1982 in Höhe von insgesamt ... DM) in Anspruch genommen worden, wobei der Gesamtbetrag mit ... DM angegeben war. Auf dem Haftungsbescheid befand sich eine "Zahlungsaufforderung" (Leistungsgebot) über diesen Betrag mit einer Zahlungsfrist bis zum 29. Mai 1989. Fristgerecht legte der Antragsteller Einspruch gegen den Haftungsbescheid und Beschwerde gegen das Leistungsgebot ein.
Durch Bescheid vom 16. August 1989 setzte das FA die Vollziehung des Haftungsbescheids hinsichtlich der Umsatzsteuerhaftung in Höhe eines Teilbetrags aus. Durch weiteren Bescheid vom 5. Januar 1990 hob das FA den Haftungsbescheid hinsichtlich der Einkommensteuer in vollem Umfang auf; hinsichtlich der Umsatzsteuer ist über den Einspruch noch nicht entschieden. Das Finanzgericht (FG) hat dem Antragsteller jedoch später Aussetzung der Vollziehung in voller Höhe gewährt.
Durch Beschwerdeentscheidung vom 29. Januar 1990 wies die dem FA vorgesetzte Oberfinanzdirektion (OFD) die Beschwerde des Antragstellers gegen das Leistungsgebot als unbegründet zurück. Dabei ist als Beschwerdegegenstand angegeben: "Leistungsgebot zur Zahlung von Haftungsschulden (Umsatzsteuer 1978 bis 1982) in Höhe von ... DM." In den Gründen ging die OFD davon aus, daß sich die Beschwerde gegen das Leistungsgebot zur Zahlung von Einkommensteuer durch die entsprechende Aufhebung des Haftungsbescheids auf den eingelegten Einspruch hin erledigt habe.
Mit seiner fristgerecht erhobenen Klage, über die das FG noch nicht entschieden hat, begehrt der Kläger die Aufhebung von Leistungsgebot und Beschwerdeentscheidung. Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe (PKH) hat das FG abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Zur Begründung führte das FG im wesentlichen aus: Der Begriff "Zahlungsaufforderung", den das FA im Haftungsbescheid gebraucht habe, sei zweifelsfrei als Leistungsgebot i. S. des § 254 AO 1977 zu verstehen. Da der Haftungsbescheid auf Steuerhinterziehung gestützt sei, habe das FA den Haftungsschuldner ohne Einhaltung der Voraussetzungen des § 219 Satz 1 AO 1977 unmittelbar auf Zahlung in Anspruch nehmen dürfen. Das Leistungsgebot sei auch ausreichend bestimmt. Insbesondere sei allein der Antragsteller als Adressat des Haftungsbescheids auch Adressat des Leistungsgebots, da dieses mit dem Haftungsbescheid in einer Urkunde verbunden und nichts Abweichendes bestimmt sei. Einer separaten Quantifizierung des Leistungsgebots nach den einzelnen Haftungsansprüchen bedürfe es jedenfalls dann nicht, wenn das Leistungsgebot mit dem Haftungsbescheid verbunden sei und sich aus jenem, wie im Streitfall, die erforderlichen Angaben eindeutig ergäben. Das Leistungsgebot verstoße ferner auch nicht gegen das sich aus § 225 Abs. 1 AO 1977 ergebende Leistungsbestimmungsrecht des Steuerpflichtigen, und es sei auch nicht erforderlich, daß es mit einer Abrechnungsverfügung verbunden sein müsse. Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des zugrundeliegenden Haftungsbescheids seien gemäß § 256 AO 1977 bei der Anfechtung des Leistungsgebots ausgeschlossen. Die falsche Addition der beiden Haftungssummen sei durch die Beschwerdeentscheidung gegenstandslos geworden. Für eine Anpassung des Leistungsgebots an das spätere Schicksal des zu vollstreckenden Verwaltungsakts (Aufhebung, teilweise Aufhebung, nachträgliche Aussetzung der Vollziehung) gebe es keine Rechtsgrundlage. Im übrigen sei in der Beschwerdeentscheidung die zwischenzeitliche Aufhebung der Einkommensteuerhaftung berücksichtigt worden, indem darin das Leistungsgebot auf ... DM beschränkt worden sei.
Gegen die Ablehnung der Bewilligung von PKH durch das FG hat der Antragsteller form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt und für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens die Bewilligung von PKH unter Beiordnung seines Prozeßbevollmächtigten beantragt, über die nachfolgend zu entscheiden ist.
Zur Begründung bringt der Antragsteller im wesentlichen vor: Bei der Vorentscheidung habe weder der geschäftsplanmäßig für Fragen des Leistungsgebots nicht zuständige ... Senat des FG entscheiden noch habe dabei der abgelehnte Richter am FG A mitwirken dürfen. Dem Haftungsbescheid seien keine Berechnungen oder Anlagen beigefügt gewesen, aus denen sich Grund und Höhe der Haftung einwandfrei ergäben; die in Bezug genommenen Unterlagen belegten eine Steuerhinterziehung nicht; auch die Beschwerdeentscheidung enthalte dazu nichts, und auch das FG habe dies rechtsfehlerhaft nicht aufgeklärt. Die Voraussetzungen des § 219 AO 1977 lägen damit nicht vor; selbst wenn man eine Steuerhinterziehung unterstellen würde, habe das FA jedenfalls sein Auswahlermessen nicht ausgeübt, da neben dem Antragsteller ca. 70 weitere Personen als Steuerhinterzieher und Haftende in Betracht kämen. All dem sei das FG fehlerhaft nicht nachgegangen.
Die Zahlungsaufforderung nach § 219 AO 1977, gegen die sich die Beschwerde allein wende, sei nicht mit dem Leistungsgebot nach § 254 Abs. 1 AO 1977 gleichzusetzen; OFD und FG hätten daher über ein "aliud" entschieden. Davon abgesehen lasse die Zahlungsaufforderung jegliche Begründung vermissen. Als selbständiger Verwaltungsakt sei die Zahlungsaufforderung zu Unrecht weder geändert noch angepaßt worden, nachdem die Haftung wegen Einkommensteuer aufgehoben worden sei; noch im Tenor der Beschwerdeentscheidung werde an der ursprünglichen Zahlungsaufforderung festgehalten und die Beschwerde ins gesamt -- ohne teilweise Abhilfe -- zurück gewiesen. Dabei sei ihm, dem Antragsteller, keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Das gleiche gelte für die teilweise Aussetzung der Vollziehung, die ebenfalls bei der Zahlungsaufforderung nicht berücksichtigt worden sei. Nachdem das FG später die Vollziehung in voller Höhe ausgesetzt habe, dürfe das mögliche Leistungsgebot, mit dem von den Wirkungen des Verwaltungsakts Gebrauch gemacht werde, überhaupt nicht mehr aufrechterhalten werden. Im übrigen sei das Verfahren über die Zahlungsaufforderung als Folgeverfahren antragsgemäß bis zur Entscheidung über den Haftungsbescheid als Grundlagenbescheid auszusetzen gewesen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist unbegründet.
1. Nach § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) wird einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten erbringen kann, auf Antrag PKH gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund dessen Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält, in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist und deshalb bei summarischer Prüfung für den Eintritt des angestrebten Erfolges eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 16. Dezember 1986 VIII B 115/86, BFHE 148, 215, BStBl II 1987, 217). Dies ist vor liegend nicht der Fall. Der Senat ist der Auffassung, daß die bei ihm anhängige Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung der PKH durch das FG für die Durchführung der Anfechtungsklage gegen das Leistungsgebot in dem gleichfalls an gefochtenen Haftungsbescheid vom 26. April 1989 bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung keine hinreichende Erfolgsaussicht bietet und daß infolgedessen das FG die Bewilligung von PKH zu Recht versagt hat.
2. Die Angriffe des Antragstellers dahingehend, die Vorentscheidung sei nicht durch den gesetzlichen Richter ergangen, gehen fehl. Nach dem dem Senat vorliegenden Geschäftsverteilungsplan des FG X für 1992 war im 1. Halbjahr 1992, in dem die Vorinstanz entschieden hat, der ... Senat des FG und dabei dessen Richter A für "Sachen betreffend Umsatzsteuer ( ... Haftungssachen, in denen nicht auch der Steueranspruch streitig ist) aus dem Bezirk des Finnazamts Y, soweit sie ... 1990 eingegangen sind" zuständig. Um eine solche Sache handelt es sich im vorliegenden Verfahren.
a) Zunächst kann mit dem FG nicht zweifelhaft sein, daß die auf dem Haftungsbescheid befindliche "Zahlungsaufforderung", um deren Rechtswirksamkeit es geht, eine Aufforderung zur Leistung i. S. des § 254 Abs. 1 Satz 1 AO 1977, also ein sog. Leistungsgebot, ist. Das hat im übrigen auch der Antragsteller ursprünglich so verstanden, wie sich aus seinem Klageantrag vor dem FG ergibt. Das Leistungsgebot kann mit dem zu vollstreckenden Verwaltungsakt verbunden werden (§ 254 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Handelt es sich bei diesem -- wie im Streitfall -- um einen Haftungsbescheid, müssen, soll das Leistungsgebot rechtswirksam sein, zusätzlich die Voraussetzungen des § 219 AO 1977 erfüllt sein.
Diese Vorschrift soll lediglich die grundsätzliche Subsidiarität des Haftungsanspruchs zum Ausdruck bringen, indem die Inanspruchnahme des Haftungsschuldners auf Zahlung einer materiellen "Einschränkung" (vgl. den Beginn des Satzes 2 der Vorschrift) unterworfen wird. Es bestehen jedoch schon nach dem Wortlaut des Satzes 1 der Vorschrift keine Anhaltspunkte dafür, daß diese Inanspruchnahme, die in der Überschrift der Vorschrift als "Zahlungsaufforderung bei Haftungsbescheiden" umschrieben ist, mittels eines vom Leistungsgebot verschiedenen und eigenständig neben ihm stehenden Verwaltungsakts erfolgen müßte. Auch von der Ökonomie des Verfahrens her wäre es unverständlich, würde man hier zwei auf das gleiche Ziel gerichtete Verwaltungsakte verlangen. Vielmehr spricht alles dafür, daß die Zahlungsaufforderung gemäß § 219 AO 1977 mit dem Leistungsgebot i. S. des § 254 Abs. 1 AO 1977 bei Haftungsbescheiden identisch ist.
Auch wenn diese Frage in Rechtsprechung und Literatur nicht oder nur am Rande und nicht mit letzter Deutlichkeit erörtert wird (vgl. indessen Kühn/Hofmann, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Nebengesetze, 17. Aufl. 1995, § 219 AO 1977 Anm. 1 und 4; Tipke/Kruse, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., Stand: 69. Lfg. April 1993, § 219 AO 1977 Rz. 1; besonders klar Haarmann in Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Stand: 25. Lfg. März 1993, Rz. 4041/5), so folgt hieraus nicht, daß es sich dabei um eine schwierige, bislang nicht hinreichend geklärte Rechtsfrage handelt, deren Entscheidung dem Senat im PKH-Verfahren verwehrt wäre (vgl. etwa Beschluß des Bundesverfassungsgerichts -- BVerfG -- vom 14. Juli 1993 1 BvR 1523/92, Neue Juristische Wochenschrift -- NJW -- 1994, 241). Denn bei einfacher Gesetzesauslegung, die mehr oder weniger Selbstverständliches zum Ausdruck bringt oder verdeutlicht, ist eine vertiefte Erörterung in Literatur und Rechtsprechung nicht zu erwarten.
b) Entgegen der Ansicht des Antragstellers bedarf die Anfechtung des Leistungsgebots keiner ausdrücklichen Regelung im Geschäftsverteilungsplan des FG, denn die Zuständigkeit ergibt sich kraft Sachzusammenhangs mit dem zugrundeliegenden Steuer- bzw. Haftungsbescheid.
Zunächst ist davon auszugehen, daß Fragen des Leistungsgebots nicht in die Zuständigkeit des für die Vollstreckung zuständigen ... Senats des FG fallen. Das Leistungsgebot ist nämlich, obschon im Sechsten Teil der AO 1977, in § 254 geregelt, lediglich Vollstreckungsvoraussetzung, aber kein Verwaltungsakt im Vollstreckungsverfahren (BFH-Beschluß vom 24. Juni 1981 I B 18/81, BFHE 133, 494, BStBl II 1981, 729). Gleichermaßen kommt eine Zuständigkeit des für Abrechnungsbescheide zuständigen ... Senats des FG jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn, wie im Streitfall, das Leistungsgebot nicht mit einem solchen Bescheid verbunden ist.
Allerdings ist das Leistungsgebot ein selbständiger Verwaltungsakt. Wenn er auch häufig mit dem zugrundeliegenden Steuer- oder Haftungsbescheid verbunden ist, so wird er dadurch doch nicht zum inhaltlichen Bestandteil dieses Bescheids (BFH- Beschluß vom 1. Juni 1983 III B 40/82, BFHE 138, 422, BStBl II 1983, 622). Das bedeutet aber nicht, daß Klagen gegen Leistungsgebote im finanzgerichtlichen Geschäftsverteilungsplan eine spezielle Regelung erfahren müßten und daß sie, sofern eine solche fehlte, dann notwendigerweise in die im Geschäftsverteilungsplan festgelegte Auffangzuständigkeit (hier des ... Senats des FG) fielen. Es ist vielmehr zu bedenken, daß zwischen Leistungsgebot und zugrundeliegendem Bescheid trotz ihrer, auch im Verhältnis zueinander bestehenden Selbständigkeit als Verwaltungsakte ein enger Sachzusammenhang besteht.
Allerdings stehen entgegen der Auffassung des Antragstellers zugrundeliegender Steuer- bzw. Haftungsbescheid und Leistungsgebot nicht in dem Verhältnis von Grundlagenbescheid und Folgebescheid zueinander. Die Legaldefinition des § 171 Abs. 10 AO 1977 greift schon nach ihrem Wortlaut nur dann, wenn ein Bescheid rechtliche Bindungswirkung für einen anderen Bescheid entfaltet, der im Rahmen des Steuerfestsetzungsverfahrens ergeht. Das Leistungsgebot gehört indessen, wie gerade die systematische Stellung des § 219 AO 1977 zeigt, dem Erhebungsverfahren an. Mithin kann die Konstruktion des Grundlagenbescheids hier schon deshalb nicht angewandt werden. Hinzu kommt, daß die Rechtmäßigkeit des Leistungsgebots grundsätzlich unabhängig von der materiellen Rechtmäßigkeit des zugrundeliegenden Steuer- und Haftungsbescheids beurteilt und entschieden werden kann (vgl. nur § 256 AO 1977), so daß sich auch die vom Antragsteller aufgeworfene Frage einer Aussetzung des Verfahrens über das Leistungsgebot bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Haftungsbescheid gemäß § 74 FGO nicht stellt.
Ein Leistungsgebot darf indessen nur ergehen -- und hierin besteht der für die Zuständigkeitsregelung entscheidende enge Sachzusammenhang --, wenn wenigstens ein vollstreckbarer Verwaltungsakt i. S. des § 251 AO 1977 vorhanden ist (vgl. Beermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 254 AO 1977 Rz. 10 und 56). Diese Zulässigkeitsvoraussetzung für das Ergehen eines Leistungsgebots hat das um Rechtsschutz gegen das Leistungsgebot angegangene Gericht von Amts wegen zu prüfen. Ist somit zwangsläufig die Existenz des zugrundeliegenden Bescheids zu überprüfen, so erscheint es angebracht und sachgerecht, die Zuständigkeit für die Überprüfung eines angefochtenen Leistungsgebots kraft Sachzusammenhangs im Grundsatz bei den Senaten des FG anzusiedeln, die nach dem Geschäftsverteilungsplan für die Befassung mit der nach dem betreffenden zugrundeliegenden Bescheid angeforderten Steuer bzw. der Haftung für diese Steuer zuständig wären.
c) Aufgrund der vorstehenden Ausführungen kommen im Streitfall allein die mit der Umsatzsteuer bzw. Umsatzsteuerhaftung betrauten Senate des FG als entscheidungsbefugt in Betracht.
Zwar handelte es sich bei dem zugrundeliegenden Bescheid ursprünglich um einen kombinierten Umsatzsteuer- und Einkommensteuerhaftungsbescheid. Da indessen der die Einkommensteuerhaftung betreffende Teil des Bescheids noch vor Ergehen der Beschwerdeentscheidung aufgehoben worden ist, stand bereits bei Rechtshängigkeit der Klage fest, daß es zu einer Überprüfung der Einkommensteuerhaftung durch das FG in keinem Fall mehr kommen konnte. Der notwendige Sachzusammenhang war somit vom Eingang der Sache beim FG an ausschließlich zur Umsatzsteuer gegeben.
Unmaßgeblich ist demgegenüber, daß das zugeteilte Aktenzeichen als Ergänzung neben dem "U" (Umsatzsteuer) auch ein "E" (Einkommensteuer) aufweist und daß im Rubrum des angefochtenen Beschlusses als Gegenstand des Klagebegehrens neben der Umsatzsteuerhaftung auch die Einkommensteuerhaftung angegeben ist. Denn solche Äußerlichkeiten, die zwar durchaus der leichteren Identifizierung des Klage gegenstandes förderlich sein können, haben für die Beurteilung des Klagegegenstandes (§ 65 Abs. 1 FGO), der sich allein danach richtet, was nach dem Inhalt der Klageschrift einschließlich deren Auslegung nach ihrem Kontext rechtshängig werden sollte und objektiv auch rechtshängig geworden ist, keine eigenständige Bedeutung.
d) Von den mit der Umsatzsteuer befaßten Senaten des FG steht derjenige der Entscheidung "am nähesten", dem nach dem Geschäftsverteilungsplan speziell die Umsatzsteuerhaftungssachen, "in denen nicht auch der Steueranspruch streitig ist", zugewiesen ist. Das ist unter Berücksichtigung des FA, das den angefochtenen Bescheid erlassen hat (hier: FA Y), und des Eingangsjahres der Klage (hier: 1990) der ... Senat des FG mit dem Richter am FG A als Berichterstatter.
Nicht maßgeblich ist dabei, ob der der eigentlichen Umsatzsteuerhaftung zugrundeliegende Steueranspruch an sich streitig oder unstreitig ist. Entscheidend ist vielmehr die konkret zu beurteilende prozessuale Lage, über die das um Rechtsschutz angegangene Gericht zu befinden hat.
Im Rechtsstreit, für dessen Durchführung PKH beantragt worden ist, geht es allein um die Rechtmäßigkeit des Leistungsgebots. Im Verfahren über das Leistungsgebot ist indessen der Antragsteller jedenfalls mit Einwendungen über die materielle Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids (Steuerfestsetzung) und damit auch über Grund und Höhe der Steuer gemäß dem Rechtsgedanken des § 256 AO 1977 ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 24. April 1990 VII R 55/89, BFH/NV 1991, 350). Damit ist für dieses Verfahren das Bestehen des Steueranspruchs zu unterstellen und der Steueranspruch insofern nicht streitig. Die für eine einheitliche Zuständigkeit für die Beurteilung von Steuer- und Haftungsanspruch maßgeblichen prozeßökonomischen Gründe stehen hier somit nicht entgegen.
e) Aus im wesentlichen gleichen Gründen hat im übrigen auch der beschließende Senat seine BFH-interne Zuständigkeit für die Entscheidung über die Beschwerde des Antragstellers gegen die Ablehnung von PKH und für den dafür gestellten PKH-Antrag, über den jetzt zu befinden ist, bejaht und deshalb die betreffenden Verfahren vom XI. Senat übernommen.
f) Schließlich ist der Antragsteller auch nicht durch die Mitwirkung des von ihm abgelehnten Richters am FG A an der angefochtenen Vorentscheidung in seinem Anspruch auf den gesetzlichen Richter verletzt. Dieser Richter war, nachdem das FG über die betreffenden Ablehnungsgesuche negativ entschieden hatte, nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, an der Entscheidung der Vorinstanz mitzuwirken (BFH-Beschluß vom 30. November 1981 GrS 1/80, BFHE 134, 525, BStBl II 1982, 217). Auch hat der Antragsteller nicht behauptet, daß die seine Ablehnungsgesuche zurückweisenden Entscheidungen der Vorinstanz später vom BFH aufgehoben worden seien.
3. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, durfte das angefochtene Leistungsgebot dem Grunde nach ergehen. Das FA durfte den Antragsteller als Haftungsschuldner ohne Einhaltung der Voraussetzungen des § 219 Satz 1 AO 1977 (erfolgloser Vollstreckungsversuch in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners bzw. Annahme der Aussichtslosigkeit der Vollstrekung) unmittelbar auf Zahlung in Anspruch nehmen, weil der zugrundeliegende Haftungsbescheid auf eine Steuerhinterziehung des Haftungsschuldners gestützt ist (s. Satz 2 der Vorschrift). Nur auf diese formelle Bescheidlage kommt es im Rahmen des § 219 Satz 2 AO 1977 an. Unerheblich ist, ob der Haftungsschuldner tatsächlich eine Steuerhinterziehung begangen hat, der Haftungsbescheid gegen ihn also zu Recht ergangen ist.
Dem entspricht es, daß die Überprüfung der materiellen Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids dem Verfahren über die Anfechtung des Haftungsbescheids vorbehalten bleibt; im Verfahren über die Anfechtung des Leistungsgebots sind nach dem auch hier maßgeblichen Rechtsgedanken des § 256 AO 1977 nur Einwendungen zulässig, die sich gegen die Zulässigkeit des Leistungsgebots selbst, nicht aber gegen den zugrundeliegenden Verwaltungsakt richten (BFH/NV 1991, 350; Kühn/Hofmann, a.a.O., § 254 AO 1977 Anm. 4 und § 219 AO 1977 Anm. 4; Beermann in Hübsch mann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 254 AO 1977 Rz. 32). Hieraus folgt, daß der Antragsteller im vorliegenden Verfahren mit allen Einwendungen ausgeschlossen ist, die sich gegen seine Haftungsschuldnerschaft aus Steuerhinterziehung richten. Entsprechendem Vorbringen des Antragstellers nebst Beweisangeboten ist die Vorinstanz daher mit Recht nicht nachgegangen, und auch im Beschwerdeverfahren, über das der Senat zu entscheiden hat, müssen die hiergegen erhobenen Aufklärungsrügen des Antragstellers unberücksichtigt bleiben.
4. Auch nach seinem Inhalt ist das Leistungsgebot nicht zu beanstanden.
Wie der BFH noch zur Reichsabgabenordnung entschieden hat, gehört zum notwendigen Inhalt eines Leistungsgebots, daß der im Leistungsgebot bezeichnete Steuerpflichtige unter entsprechender Rechtsbehelfsbelehrung aufgefordert wird, einen dem Grunde und der Höhe nach genau bezeichneten Geldbetrag bis zu einem bestimmten Zeitpunkt bei bestimmt bezeichneten Stellen in näher bezeichneter Weise (z. B. Überweisung) zu leisten (BFH-Beschluß vom 29. September 1976 I B 113/75, BFHE 120, 134, BStBl II 1977, 83). Es kann dahinstehen, ob alle diese Merkmale auch heute noch begriffsnotwendig für die Annahme eines wirksamen Leistungsgebots gemäß § 254 AO 1977 zu fordern sind oder ob nicht jedenfalls auf die Angabe von Zahlungsfrist und Beifügung der Rechtsbehelfsbelehrung verzichtet werden kann (vgl. so einschränkend Beermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 254 AO 1977 Rz. 38), denn im Streitfall sind alle diese Merkmale erfüllt. Dabei ist zu berücksichtigen, daß das Leistungsgebot -- zulässigerweise (§ 254 Abs. 1 Satz 2 AO 1977) -- mit dem Haftungsbescheid auf einer Urkunde verbunden ist. Die begriffsnotwendigen Merkmale des Leistungsgebots können sich daher aus der gesamten Urkunde, insbesondere auch aus den zum Haftungs bescheid selbst gehörenden Merkmalen er geben.
Als Haftungsschuldner und Adressat des Leistungsgebots, der eindeutig sowohl von der Person des Steuerschuldners als auch von der Person des lediglich zum Empfang des Haftungsbescheids Bevollmächtigten unterschieden ist, ist im Bescheid zweifelsfrei der Antragsteller bezeichnet. Die zu leistenden Geldbeträge sind sowohl dem Grunde nach (Umsatzsteuer 1978, 1979, 1980, 1981, 1982; Einkommensteuer 1978, 1979, 1980, 1981) als auch jeweils der Höhe nach genau bezeichnet. Daß sich in der Addition aller Beträge ein Rechenfehler in Höhe von 1 000 DM zuungunsten des Antragstellers eingeschlichen hat, schadet nicht, denn angefochten und Gegenstand der Beurteilung ist das Leistungs gebot in der Gestalt, die es durch die Beschwerdeentscheidung der OFD (§ 44 Abs. 2 FGO) gefunden hat. Darin wird lediglich noch -- auch der Höhe nach zutreffend -- zur Zahlung von Haftungsschulden bezüglich Umsatzsteuer 1978 bis 1982 in Höhe von ... DM aufgefordert. Schließlich fehlt es ausweislich der in der Verwaltungsakte befindlichen Abschrift des Haftungsbescheids auch nicht an der Angabe der Zahlungsfrist (29. Mai 1989), der Zahlungsstelle (Finanzkasse Y), des Zahlungswegs (Einzahlung auf ein Bank-/Postgirokonto) und der Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung.
Weiterer Voraussetzungen für den Erlaß des Leistungsgebots bedarf es nicht. Insbesondere schlagen wegen des eigenständigen Charakters des Leistungsgebots Mängel des Haftungsbescheids nicht auf das Leistungsgebot durch, sofern mit dem Haftungsbescheid jedenfalls ein existenter und nicht nichtiger vollstreckbarer Verwaltungsakt i. S. des § 249 Abs. 1 AO 1977 vorhanden ist (vgl. Beermann in Hübsch mann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 254 AO 1977 Rz. 56). Ist der Haftungsbescheid hingegen ansonsten mangelhaft und anfechtbar, so hat dies keine Auswirkung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Leistungsgebots. Soweit der Antragsteller daher geltend macht, die dem Haftungsbescheid beigefügten Berechnungen und Anlagen seien nicht nachvollziehbar und mangelhaft bzw. unvollständig, könnte dieser Einwand zwar die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids berühren, ist aber für die hier maßgebliche Beurteilung des Leistungsgebots unbeachtlich.
Des weiteren bedurfte das Leistungsgebot im Streitfall, in dem es ohne Einhaltung der besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 219 Satz 1 AO 1977 ergehen durfte, auch keiner weiteren Begründung. Wenn der Antragsteller rügt, das FA habe sein Auswahlermessen (nämlich unter einer Vielzahl von Gesamthaftungsschuldnern gerade ihn, den Antragsteller, herauszugreifen) nicht ordnungsgemäß ausgeübt und begründet, so richtet sich dieser Einwand wiederum gegen die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids und nicht spezifisch gegen das Leistungsgebot, so daß für eine Prüfung im Rahmen des vorliegenden Verfahrens kein Raum ist.
5. Schließlich ist das Leistungsgebot auch nicht etwa deshalb rechtswidrig geworden, weil es nach Auffassung des Antragstellers nicht an den geänderten zugrundeliegenden Haftungsbescheid angepaßt worden sei.
a) Mit dem FG ist davon auszugehen, daß das Leistungsgebot im Streitfall jedenfalls insoweit an den Haftungsbescheid angepaßt worden ist, als es letztlich nicht mehr auf den ursprünglich festgesetzten vollen Haftungsbetrag, sondern lediglich noch auf den Betrag der darin enthaltenen Umsatzsteuer in Höhe von ... DM lautete. Das ergibt sich freilich nicht konstitutiv aus der Beschwerdeentscheidung der OFD; es ist vielmehr in ihr bereits vorausgesetzt.
Ist das Leistungsgebot mit dem Haftungsbescheid in einer Urkunde verbunden, so liegt aus Gründen der Verfahrensökonomie jedenfalls die Annahme nahe, daß eine teilweise Aufhebung des Haftungsbescheids gleichzeitig als stillschweigende (konkludente) teilweise Aufhebung des Leistungsgebots in entsprechender Höhe zu werten ist, sofern sich nichts Gegenteiliges aus dem Aufhebungsbescheid ergibt. Einer solchen -- möglichen -- Auslegung steht die grundsätzliche Selbständigkeit der beiden betroffenen Verwaltungsakte nicht entgegen, denn wenn sie bei ihrem Erlaß aneinander gekoppelt werden können, so muß dies auch für ihre Aufhebung bzw. teilweise Aufhebung gelten. Auch wird die Rechtsstellung des Haftungsschuldners dadurch nicht beeinträchtigt; auf keinen Fall wird dieser beschwert.
Insofern mußte dem Antragsteller auch keine ausdrückliche Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu eingeräumt werden. Im Ergebnis stimmt diese Betrachtung mit der in der Literatur vertretenen, noch weitergehenden Ansicht überein, wonach ein (ausdrückliches) neues Leistungsgebot nicht ergehen muß, wenn der dem Leistungsgebot zugrundeliegende Verwaltungsakt (hier der Haftungsbescheid) durch eine Rechtsbehelfsentscheidung bestätigt oder teilweise bestätigt wird (Tipke/Kruse, a.a.O., § 254 AO 1977 Rz. 5; Szymczak in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 4. Aufl. 1993, § 254 Rz. 4/2).
Die OFD durfte somit bei Erlaß ihrer Beschwerdeentscheidung über das angefochtene Leistungsgebot davon ausgehen, daß die teilweise Aufhebung des Haftungsbescheids (hinsichtlich der Einkommensteuer) durch das FA vom 5. Januar 1990 auch zu einer entsprechenden Reduzierung des Leistungsgebots geführt hat. Dann war es auch folgerichtig, daß die OFD den Beschwerdegegenstand lediglich noch als "Leistungsgebot zur Zahlung von Haftungsschulden (Umsatzsteuer 1978--1982) in Höhe von ... DM" bezeichnet und auch nur darüber entschieden hat. Jedenfalls brauchte ein neues, ausdrücklich angepaßtes Leistungsgebot entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht zu ergehen.
Fehl geht schließlich auch die Auffassung des Antragstellers, das Leistungsgebot hätte an die bereits mit Bescheid vom 16. August 1989 gewährte teilweise Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids hinsichtlich der Umsatzsteuer angepaßt werden müssen und es hätte später nach der vollständigen Aussetzung der Vollziehung überhaupt nicht mehr aufrechterhalten werden dürfen.
Die Aussetzung der Vollziehung des zugrundeliegenden Verwaltungsakts hat auf ein bereits ergangenes Leistungsgebot keine Auswirkungen. Das ergibt sich nach der erwähnten Literaturansicht schon aus der einfachen Überlegung, daß, wenn bei teilweiser Aufhebung des zugrundeliegenden Verwaltungsakts schon keine Anpassung des Leistungsgebots erforderlich ist, dies erst recht gelten muß, wenn der zugrundeliegende Verwaltungsakt voll aufrechterhalten bleibt und lediglich in seiner Vollziehung ausgesetzt wird (arg. a fortiori).
Auch die Natur der Aussetzung der Vollziehung gebietet die Anpassung des Leistungsgebots nicht. Zwar hat der BFH entschieden, daß Vollziehung i. S. des § 69 FGO jedes Gebrauchmachen von den Wirkungen eines Verwaltungsakts, d. h. jede Verwirklichung seines materiellen Regelungsinhalts zur Herbeiführung der in ihm ausgesprochenen Rechtsfolge sei, wozu auch das Leistungsgebot gehöre (vgl. BFH-Urteil vom 11. April 1989 VIII R 219/84, BFH/NV 1989, 755; Beschluß vom 10. April 1992 I B 4/92, BFH/NV 1992, 683; zuletzt Vorlagebeschluß an den Großen Senat vom 23. Juni 1993 X B 134/91, BFHE 172, 9, m. w. N.). Das besagt aber nur, daß im Umfang der Vollziehungsaussetzung bzw. -aufhebung von dem zugrundeliegenden Verwaltungsakt kein künftiger Gebrauch gemacht werden darf, ein späteres Leistungsgebot als "Vollziehung" des zugrundeliegenden Bescheids (vgl. Haarmann in Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, a.a.O., Rz. 4041/5) also nicht mehr erlassen und auf ein bereits früher ergangenes Leistungsgebot die Vollstreckung nicht mehr gestützt werden kann, und daß daneben möglicherweise außerdem die durch das ggf. bereits verwirklichte Leistungsgebot eingetretenen Tilgungswirkungen rückgängig zu machen sind (s. insbesondere BFH/NV 1989, 755).
Gefordert wird mit dieser Formulierung aber nicht, daß auch ein vor Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung des zugrundeliegenden Verwaltungsakts in der Vergangenheit ergangenes Leistungsgebot, das zudem noch nicht verwirklicht ist, als solches aufgehoben wird. Weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur wird, soweit ersichtlich, eine solche Forderung erhoben. Ihr Sinn wäre auch im Hinblick darauf, daß das Leistungsgebot nur Voraussetzung, nicht aber Grundlage der Vollstrekung ist, nicht einsichtig. Grundlage der Vollstreckung ist allein der zu vollstreckende Verwaltungsakt; nur der darin genannte Betrag ist als Zahlungsbetrag letztlich maßgeblich, und nur ihn anzugreifen und aus der Welt zu schaffen, muß letztlich das vom Recht anzuerkennende Rechtsschutzziel des Steuer- und Haftungsschuldners sein.
Im Streitfall ist das Leistungsgebot zusammen mit dem ursprünglichen Haftungsbescheid und damit vor dem Zeitpunkt der teilweisen Aussetzung der Vollziehung desselben ergangen und noch in keiner Weise verwirklicht worden. Mithin hatten weder das FA noch die OFD anläßlich der Abfassung ihrer Beschwerdeentscheidung Anlaß, das Leistungsgebot der Höhe nach zu reduzieren und an den teilweise in der Vollziehung ausgesetzten Haftungsbescheid anzupassen. Soweit das Leistungsgebot entsprechend der späteren teil weisen Aufhebung des Haftungsbescheids insoweit ebenfalls als stillschweigend aufgehoben angesehen worden ist, ist darauf hinzuweisen, daß darin nicht etwa das Erlassen eines neuen Leistungsgebots -- was in Höhe des vorher ausgesetzten Betrages nicht zulässig wäre -- zu sehen ist, sondern daß es sich dabei um das lediglich der Höhe nach reduzierte ursprüngliche Leistungsgebot handelt. Aus denselben Gründen führt schließlich auch die zuletzt gewährte vollständige Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids durch das FG nicht zu einer Aufhebung des ursprünglichen Leistungsgebots.
Abschließend ist zu bemerken, daß, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, die für die Entscheidung der Beschwerde des Antragstellers maßgeblichen Rechtsfragen und ihre Beantwortung mit hinreichender Klarheit und Deutlichkeit zutage liegen. Es ist daher nicht zu erwarten, daß eine Überprüfung im Hauptsacheverfahren zu einem von der vorliegend gebotenen summarischen Prüfung abweichenden Ergebnis führen könnte. Dem Senat war daher entgegen der Auffassung des Antragstellers die Entscheidung dieser Fragen im vorliegenden PKH-Verfahren nicht verwehrt (vgl. schon oben Ziff. 2 a a. E.).
Da nach alldem die Beschwerde des Antragstellers gegen die Ablehnung der Bewilligung der PKH durch das FG keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht, war der hierzu gestellte PKH-Antrag abzu lehnen.
Fundstellen