Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassungsfreie Revision: Fehlende Vertretung und mangelnde Begründung
Leitsatz (NV)
1. Die Rüge fehlender Vertretung im Verfahren (§ 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO) kann nicht mit der Weigerung des FG begründet werden, den Verhandlungstermin zu vertagen.
2. Die Rüge, das angefochtene Urteil sei wegen stillschweigenden Übergehens eines selbständigen Anspruchs nicht mit Gründen versehen (§ 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO), greift nicht durch, wenn das FG dieses Klagebegehren erkennbar nicht beschieden, sondern durch zulässiges Teilurteil gem. § 98 FGO erkannt hat.
Normenkette
FGO §§ 98, 116 Abs. 1 Nrn. 3, 5
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielt Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Mit Verfügung vom 31. März 1987 ordnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) eine auf § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützte Außenprüfung für die Jahre 1982 bis 1984 an.
Nach erfolglosem Beschwerdeverfahren erhob der Kläger Klage mit dem Begehren, die Prüfungsanordnung für die Jahre 1982 bis 1984 und verschiedene andere finanzbehördliche Maßnahmen aufzuheben. Durch Beschluß vom 17. Dezember 1990 wurde das Verfahren wegen Anordnung einer Außenprüfung abgetrennt und an den zuständigen Senat abgegeben. Nachdem der Kläger die Ladung zur mündlichen Verhandlung auf den 14. Februar 1991 erhalten hatte, beantragte er mit Schriftsatz vom 30. Januar 1991, die Verfahren wieder zu verbinden, und mit weiterem Schriftsatz vom 11. Februar 1991 - eingegangen beim Finanzgericht (FG) am 12. Februar 1991 -, das FA zusätzlich zu verurteilen, einen beigetriebenen Umsatzsteuerbetrag von . . . DM zurückzuzahlen. Zur Begründung seines Antrags führte der Kläger u. a. aus, das FA habe die Anerkennung der Vorsteuerbeträge von der Durchführung der angeordneten Betriebsprüfung abhängig gemacht.
Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, die Prüfungsanordnung sei rechtmäßig ergangen. Auf das mit Schriftsatz vom 11. Februar 1991 geltend gemachte Klagebegehren ging das FG nicht ein. Der Berichterstatter teilte dem Kläger jedoch durch Verfügung vom 18. März 1991 mit, eine Abschrift seines Schriftsatzes vom 11. Februar 1991 sei an den Senat weitergeleitet worden, bei dem das Verfahren anhängig sei; das zusätzliche Begehren auf Anerkennung weiterer Vorsteuerbeträge gehöre zu jenem Verfahren.
Dagegen richtet sich die Revision, mit der der Kläger wesentliche Verfahrensmängel geltend macht. Hinsichtlich des geltend gemachten Vorsteueranspruchs sei die angefochtene Entscheidung nicht mit Gründen versehen (§ 116 Abs. 1 Nr. 5 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Im übrigen sei ihm, dem Kläger, das rechtliche Gehör versagt worden, weil das FG seinem vor der mündlichen Verhandlung übersandten Vertagungsantrag nicht stattgegeben habe (§ 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unzulässig. Die Voraussetzungen für eine zulassungsfreie Revision sind im Streitfall nicht gegeben.
1. Die geltend gemachte Rüge fehlender Vertretung im Verfahren (§ 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO) hat keinen Erfolg. Diese Rüge kann nicht mit der Weigerung des FG begründet werden, den Termin zur mündlichen Verhandlung zu vertagen (zuletzt Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Mai 1990 VII S 28/89, BFH/ NV 1991, 336 m. w. N.). Dabei handelt es sich allenfalls um eine Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs (§ 119 Nr. 3 FGO), die eine zulassungsfreie Revision nicht eröffnet (§ 116 FGO).
2. Auch die Rüge, das angefochtene Urteil sei nicht mit Gründen versehen (§ 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO), greift nicht durch.
Ein Urteil ist dann - teilweise - nicht mit Gründen versehen, wenn das Gericht zwar über das gesamte Klagebegehren entschieden, einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel jedoch mit Stillschweigen übergangen hat (BFH-Urteile vom 11. Juni 1969 I R 27/68, BFHE 95, 529, BStBl II 1969, 592; vom 15. April 1986 VIII R 325/84, BFHE 147, 101, BStBl II 1987, 195, und BFH-Beschlüsse vom 9. Februar 1977 I R 136/76, BFHE 121, 298, BStBl II 1977, 351, und vom 20. November 1990 IV R 80/90, BFH/NV 1991, 609). Zwar hat der Kläger mit Schriftsatz vom 11. Februar 1991 einen eigenständigen Anspruchsgrund geltend gemacht und damit zugleich seine Klage geändert (§ 67 FGO). Wie sich jedoch aus dem Betreff des angefochtenen Urteils ergibt, hat das FG ersichtlich nicht über diesen Antrag entschieden. Es hat damit bewußt nicht über das gesamte Klagebegehren, sondern vielmehr allein über einen entscheidungsreifen, selbständigen Streitgegenstand, den Antrag auf Aufhebung der Prüfungsanordnung, entschieden und damit zugleich erkennen lassen, daß es den Rest später erledigen wolle (vgl. Beschluß des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 29. Februar 1984 IV b ZB 28/83, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1984, 1543).
Die Vorentscheidung erweist sich demnach als ein nach § 98 FGO zulässiges Teilurteil, das als solches nicht unbedingt zu bezeichnen ist; es genügt, daß sich - wie im Streitfall - aus der Entscheidung selbst oder aus den Begleitumständen ergibt, daß es sich um ein Teilurteil handelt (BGH in NJW 1984, 1543; Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. Juni 1988 8 U 214/86, Versicherungsrecht 1989, 705; vgl. auch Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 9. Juni 1987 1 Z 89/86, BayObLGE 1987, 195). Soweit das FG über den nachträglich geltend gemachten Umsatzsteueranspruch noch nicht entschieden hat, ist die Sache weiterhin dort anhängig.
Fundstellen