Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Fortsetzungsfeststellungsklage
Leitsatz (NV)
Die Geltendmachung eines Feststellungsinteresses i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO zwecks Führens eines Schadenersatzprozesses setzt voraus, dass die Feststellung der Rechtswidrigkeit des ursprünglich erlassenen und inzwischen geänderten Verwaltungsaktes für den zu führenden Schadenersatzprozess von Bedeutung ist. Dies erfordert die Darlegung des Klägers, welchen über die Verfahrenskosten hinausgehenden Schaden er speziell durch den ursprünglich rechtswidrig ergangenen Verwaltungsakt erlitten hat und warum ein Interesse an einer zusätzlichen Entscheidung des FG gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO speziell für den Verwaltungsakt besteht, wenn bereits gerichtliche Parallelentscheidungen des FG zu Gunsten des Klägers vorliegen.
Normenkette
FGO § 100 Abs. 1 S. 4
Tatbestand
I. Der Antragsteller, Kläger und Beschwerdeführer (Antragsteller) wurde mit seiner inzwischen von ihm geschiedenen Ehefrau für 1989 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Gegen den Bescheid vom 11. März 1991 legte er Einspruch und am 27. Juli 1993 Untätigkeitsklage ein. Die zurückweisende Einspruchsentscheidung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt ―FA―) datiert erst vom 28. August 1995.
Während des erstinstanzlichen Rechtsstreits erließ das FA am 2. März 2000 einen Änderungsbescheid, durch den es die Einkommensteuer 1989 auf Null DM herabsetzte. Der Grund für den Erlass des Änderungsbescheides lag in den Tatsachen, dass der 5. Senat des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf in einem Parallelverfahren für die Jahre 1979 bis 1982 und 1988 sowie der 13. Senat des FG Düsseldorf in einem weiteren Parallelverfahren für die Jahre 1985 bis 1987 den Klagen des Antragstellers stattgegeben hatte. Das FA erklärte auch den Rechtsstreit für das Streitjahr 1989 als durch den Änderungsbescheid in der Hauptsache für erledigt.
Der Antragsteller schloss sich der Erledigungserklärung nicht an. Er stellte seinen Klageantrag um und begehrte in der Form einer Fortsetzungsfeststellungsklage die Feststellung der Abzugsfähigkeit aller strittigen Positionen. Er war der Auffassung, seine wirtschaftliche Existenz sei durch überhöhte Steuerfestsetzungen, Pfändungen und den haltlosen Vorwurf der Steuerhinterziehung vernichtet worden. Dieserhalb war schon damals eine Amtshaftungsklage des Antragstellers vor dem Landgericht anhängig. Das FG wies die bei ihm anhängige Klage durch Urteil vom 22. November 2000 als unzulässig ab, weil es an einem besonderen Feststellungsinteresse fehle. Das Urteil wurde dem Antragsteller am 8. Dezember 2000 zugestellt. Er legte am 8. Januar 2001 Nichtzulassungsbeschwerde ein, die er auf Divergenz und auf Verfahrensmängel stützte. Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Ebenfalls mit Schriftsatz vom 8. Januar 2001 beantragte der Antragteller beim FG die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens. Dem Antrag ist eine Erklärung des Antragstellers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 5. Januar 2001 beigefügt. Wegen der behaupteten Erfolgsaussichten nimmt der Antragsteller auf die Beschwerdebegründung Bezug. Das FG hat den Antrag an den Bundesfinanzhof (BFH) weitergeleitet. Der Antragsteller erhielt eine Abgabenachricht.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag auf Gewährung von PKH ist unbegründet. Die eingelegte Beschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Nach Aktenlage ist die Revision nicht zuzulassen. Der Antrag war deshalb abzulehnen.
1. Die Vorentscheidung weicht nicht von dem BFH-Urteil vom 11. August 1998 VII R 72/97 (BFHE 187, 159, BStBl II 1998, 750) ab. Entgegen der Darstellung des Antragstellers enthält die zitierte Entscheidung nicht den tragenden Satz, einem Beteiligten, der einen beabsichtigten zivilgerichtlichen Schadensersatzprozess vorbereite, könne das berechtigte Interesse an einer Fortsetzungsfeststellungsklage nicht abgesprochen werden. Vielmehr ist die Aussage des BFH unter II. 2. seiner Entscheidungsgründe eine sehr viel differenziertere. Danach kann ein Feststellungsinteresse i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) begründet sein, wenn ein Beteiligter wegen der erledigten Ablehnung seines Begehrens (dort: Zulassung zum Steuerberater) durch die Behörde einen Schadensersatzanspruch, wenn schon nicht anhängig gemacht hat, so doch mit hinreichender Sicherheit anhängig machen will, sofern (!) die Entscheidung nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO für diesen Schadensersatzprozess nicht ohne Bedeutung wäre und der Schadensersatzanspruch nicht offensichtlich aussichtslos ist. Der BFH betont anschließend an diesen Satz unter Hinweis auf weitere Entscheidungen, es müsse substantiiert dargelegt werden, dass ein Schadensersatzprozess bevorstehe. Dazu folgt aus dem ebenfalls in BFHE 187, 159, BStBl II 1998, 750 zitierten Urteil vom 27. Juli 1994 II R 109/91 (BFH/NV 1995, 322) als weitere Voraussetzung für die Annahme eines berechtigten Interesses, dass die Entscheidung nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO für den Schadensersatzprozess nicht unerheblich und der Schadensersatzprozess nicht offensichtlich aussichtslos sein dürfen.
2. Von dieser Rechtsprechung ist auch das FG erkennbar ausgegangen. Es hat sich auf den Boden der höchstrichterlich seit langem gefestigten Rechtsprechung gestellt, zu der auch das BFH-Urteil in BFHE 187, 159, BStBl II 1998, 750 gehört. Das FG hat in erster Linie die Auffassung vertreten, es könne im Rahmen einer gedachten Sachentscheidung nur die Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Einkommensteuerbescheides 1989, nicht jedoch die "Rechtswidrigkeit" einzelner Besteuerungsgrundlagen feststellen. Diese Auffassung steht in keinem Widerspruch zu der o.g. Rechtsprechung. Das FG hat ferner die Auffassung vertreten, die Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Einkommensteuerbescheides 1989 sei bereits geklärt. Auch diese Aussage ist mit der o.g. Rechtsprechung vereinbar. Soweit sich das FG mit den Aussichten einer Schadensersatzklage des Antragstellers auseinander gesetzt hat, hat es die Auffassung vertreten, es sei nicht nachvollziehbar, welchen Einfluss die vom Antragsteller begehrten Feststellungen auf die Erfolgsaussichten seiner Schadensersatzklage haben könnten. Auch diese Aussage steht in keinem Widerspruch zu dem BFH-Urteil in BFHE 187, 159, BStBl II 1998, 750. Das FG musste ein Feststellungsinteresse des Antragstellers schon deshalb verneinen, weil dieser bis zum Ende der mündlichen Verhandlung vor dem FG nicht dargelegt hatte, welchen über die Verfahrenskosten hinausgehenden Schaden er speziell durch den ursprünglich rechtswidrig ergangenen Einkommensteuerbescheid 1989 erlitten und warum ein Interesse an einer zusätzlichen Entscheidung des FG gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO speziell für die Einkommensteuer 1989 bestanden haben soll, obwohl bereits Parallelentscheidungen des FG zu Gunsten des Antragstellers zur Einkommensteuer 1979 bis 1982 und 1985 bis 1988 vorlagen.
3. Die Vorentscheidung weicht auch nicht von dem BFH-Urteil vom 18. Mai 1976 VII R 108/73 (BFHE 119, 26, BStBl II 1976, 566) ab. Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat der BFH in BFHE 119, 26, BStBl II 1976, 566 das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 28. April 1967 IV C 163.65 nicht übernommen. Das Urteil wird lediglich innerhalb der Wiedergabe der Revisionsbegründung zitiert, ohne dass der BFH die Auffassung des BVerwG übernimmt. Zwar referiert der BFH in BFHE 119, 26, BStBl II 1976, 566 aus dem Urteil des BVerwG vom 15. Dezember 1972 IV C 18.71 (Deutsches Verwaltungsblatt 1973, 365). Er schließt sich dessen Auffassung jedoch nicht an, sondern führt lediglich aus, dass die dort genannten Voraussetzungen im Urteilsfall nicht erfüllt seien.
4. Die Vorentscheidung beruht auch nicht auf Verfahrensfehlern. Der unter III. 1 der Beschwerdeschrift gerügte Fehler war für die Entscheidung des FG nicht kausal, weil das FG den tatsächlich gestellten Antrag ausdrücklich im Sinne einer Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO ausgelegt und über diesen Antrag entschieden hat (vgl. Seite 4 der Entscheidungsgründe). Mit der unter III. 2 der Beschwerdeschrift erhobenen Rüge behauptet zwar der Antragsteller, das FG habe das Feststellungsinteresse des Antragstellers verkannt und deshalb ein Prozessurteil statt eines Sachurteils erlassen. Hierin kann auch die Rüge eines Verfahrensfehlers gesehen werden. Diese greift jedoch nicht durch, weil das FG das Feststellungsinteresse des Antragstellers so lange nicht bejahen durfte, als dieser den ihm durch das anhängige Verfahren entstandenen Schaden nicht schlüssig konkretisiert hatte. Entsprechendes gilt für die behauptete Wiederholungsgefahr.
5. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Fundstellen
Haufe-Index 614052 |
BFH/NV 2001, 1426 |