Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschlußfrist zur Vorlage der Prozeßvollmacht
Leitsatz (NV)
1. Das FG ist befugt, eine Ausschlußfrist zur Vorlage der Prozeßvollmacht sofort und ohne Mahnung zu setzen, damit vorweg die Prozeßvoraussetzungen geklärt werden können.
2. Die Verfügung über die Ausschlußfrist ist im Regelfall demjenigen zuzustellen, der ohne Vollmachtsvorlage für den Vertretenen bei Gericht als Bevollmächtigter auftritt. Die gerichtliche Fürsorgepflicht beinhaltet nicht die Pflicht zur ,,doppelten Zustellung" an Vertreter und Vertretenen, um diesem die Möglichkeit zu geben, seinen Prozeßbevollmächtigten bei der Fristwahrung zu überwachen.
3. Das FG ist nicht verpflichtet, den in den Steuerakten befindlichen Schriftverkehr daraufhin zu untersuchen, ob sich ein Schriftstück als konkludente Bevollmächtigung des Prozeßvertreters deuten läßt.
Normenkette
VGFGEntlG Art.3 § 1; FGO § 62 Abs. 3
Gründe
Voraussetzung für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ist u.a., daß die Prozeßführung hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 142 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i.V.m. § 114 Satz 1 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Daran fehlt es im Streitfall.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil der Prozeßbevollmächtigte trotz einer ihm gemäß Art.3 § 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) gesetzten Ausschlußfirst keine Prozeßvollmacht eingereicht hatte. Dieses Urteil läßt weder einen Verfahrensfehler erkennen noch stellt sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, wie es für eine Zulassung der Revision erforderlich wäre (§ 115 Abs. 3 FGO).
1. Gemäß Art.3 § 1 VGFGEnltG kann der Vorsitzende oder der von ihm gemäß § 79 FGO bestimmte Richter für das Einreichen der Vollmacht eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen. Wird die Vollmacht nicht innerhalb der Frist dem Gericht vorgelegt, sind die Prozeßhandlungen unwirksam, es sei denn, wegen schuldloser Fristversäumung wären die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegeben (§ 56 FGO). Wegen der weitreichenden Folgen der Ausschlußfrist werden nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) strenge Anforderungen an eine wirksame Fristsetzung gestellt. So muß die Verfügung einer angemessenen Frist vom Vorsitzenden oder dem von ihm bestimmten Berichterstatter mit vollem Namenszug unterschrieben sein. Sie muß den vollen Text der Fristsetzung enthalten, auf die Folgen der Fristversäumnis unmißverstänlich hinweisen und förmlich zugestellt worden sein (BFH-Urteil vom 28. Februar 1989 VIII R 181/84, BFH/NV 1989, 716 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt die Verfügung vom 14. August 1992.
a) Sie enthält den vollen Text der Fristsetzung und ist vom Berichterstatter unterzeichnet. Der Hinweis auf die ,,Ausschlußfrist" enthält einen ausreichenden Hinweis auf die Rechtsfolgen (BFH-Beschluß vom 12. März 1991 VII B 130/90, BFH/NV 1991, 762).
Die Frist von vier Wochen war angemessen (BFH-Urteil vom 23. Mai 1989 X R 7/85, BFH/NV 1990, 315). Das FG war auch befugt, die Ausschlußfrist sofort ohne Mahnung nach Eingang der Klageschrift zu setzen, denn das FG kann vorweg die Prozeßvoraussetzungen klären (BFH-Urteil in BFH/NV 1990, 315). Die Verfügung ist dem Prozeßvertreter auch wirksam am 19. August 1992 zugestellt worden.
b) Der Prozeßvertreter des Klägers, der nach der eidesstattlichen Versicherung des Klägers vom 15. Februar 1993 zur Prozeßführung befugt war, hat innerhalb der Ausschlußfrist keine Prozeßvollmacht vorgelegt. Hierzu wäre grundsätzlich erforderlich gewesen, die Prozeßvollmacht dem zuständigen Spruchkörper zu dem jeweiligen Verfahren im Original einzureichen. Eine Bezugnahme auf eine Vollmacht, die in einem anderen Verfahren beigebracht ist, reicht nur dann aus, wenn dem Gericht die Einsicht in diese Vollmachtsurkunde ohne weiteres möglich ist (BFH-Beschluß vom 30. Juli 1991 VIII B 88/89, BFHE 165, 22, BStBl II 1991, 848). Dasselbe muß für eine in den Steuerakten befindliche Prozeßvollmacht gelten, wenn die Akten noch rechtzeitig innerhalb der Ausschlußfrist dem Gericht vorgelegt werden und auf die darin enthaltene Originalvollmacht Bezug genommen worden ist. Keinesfalls ist das FG jedoch gehalten, eine in den Steuerakten des Klägers befindliche Vollmacht selbst ausfindig zu machen (BFH-Urteile in BFH/NV 1989, 716 und vom 12. Dezember 1991 IV R 109/89, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Finanzgerichtsordnung, § 62, Rechtsspruch 79).
Diesen Anforderungen ist im Streitfall nicht genügt worden. Selbst wenn man in der Gesprächsnotiz vom . . . über eine Besprechung im FA, bei der der Antragsteller Erklärungen im Beisein des Bevollmächtigten abgegeben hat, eine konkludente Prozeßvollmacht zur Niederschrift sehen wollte, fehlt es jedenfalls an einer Bezugnahme auf dieses Schriftstück gegenüber dem FG, die dem Gericht das Auffinden der Vollmacht leicht und eindeutig ermöglicht hätte. Dem FG war nicht zuzumuten, den in den Steuerakten enthaltenen Schriftverkehr daraufhin zu untersuchen, ob sich ein darin enthaltenes Schreiben etwa als konkludente Bevollmächtigung des Bevollmächtigten deuten ließe. Es ist vielmehr Sache des Prozeßbevollmächtigten, dem Gericht seine Vollmacht klar und eindeutig nachzuweisen. Aus demselben Grunde kommt es auch nicht mehr darauf an, ob das FG eine Untervollmacht des Rechtsanwaltes A vom . . . zutreffend dahin ausgelegt hat, daß diese nicht zur Vertretung des Klägers im vorliegenden Verfahren berechtigte. Zudem könnte die Auslegung einer Prozeßvollmacht vom Revisionsgericht nur auf Verstöße gegen Denk- oder Erfahrungssätze überprüft werden (BFH-Beschluß vom 21. Juli 1989 VIII R 16/85, BFH/NV 1990, 252). Derartige Verstöße hat der Antragsteller nicht behauptet.
c) Das FG hat weiterhin zu Recht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) abgelehnt. Der Antragsteller hat geltend gemacht, daß die Ausschlußfrist durch das Verschulden seines früheren Prozeßbevollmächtigten versäumt worden sei. Der Antragsteller selbst habe die hierin zum Ausdruck kommende Ungeeignetheit seines Prozeßvertreters erst nach Ablauf der Ausschlußfrist erkennen können. Dieser Vortrag schließt ein Verschulden, das eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen würde, nicht aus; denn gemäß § 155 FGO i.V.m. § 51 Abs. 2 ZPO ist das Verschulden eines Bevollmächtigten dem Vertretenen zuzurechnen (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 1990, 315 und vom 15. Mai 1981 VI R 212/78, BFHE 133, 344, BStBl II 1981, 678).
2. Schließlich ist auch die vom Antragsteller aufgeworfene Rechtsfrage, ob eine vom FG nach Art.3 § 1 VGFGEntlG gesetzte Ausschlußfrist neben dem Prozeßbevollmächtigten auch dem Kläger zugestellt werden muß, nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Diese Frage ist bereits geklärt. Wie der BFH entschieden hat, ist die Ausschlußfrist im Regelfalle gegenüber dem Vertreter zu setzen, der ohne Vollmachtsvorlage für den Vertretenen bei Gericht aufgetreten ist (BFH-Urteil vom 11.Januar 1980 VI R 11/79, BFHE 129, 305, BStBl II 1980, 229 unter 3.; BFH-Beschluß vom 4. September 1992 V B 45/92, BFH/NV 1993, 320). Diese Rechtsauffassung wird in der Rechtsprechung der Finanzgerichte und in der Literatur geteilt (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 5. November 1991 4 K 398/88, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1992, 290; FG des Saarlandes, Urteil vom 11.Juni 1992 2 K 43/88, EFG 1992, 680; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, § 62 Anm.77; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 62 FGO Tz.12). Besondere Umstände, die eine Zustellung an den Kläger geboten erscheinen lassen, sind im Streitfall weder dargetan noch erkennbar. Entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers beinhaltet die Fürsorgepflicht des Gerichts gegenüber dem Kläger nicht die Verpflichtung zur doppelten Zustellung, um den Kläger in die Lage zu versetzen, seinen Bevollmächtigten bei der Fristwahrung zu überwachen. Denn die FGO geht in § 62 Abs. 3 Satz 3, wonach Zustellungen im finanzgerichtlichen Verfahren allein an den bestellten Prozeßvertreter zu richten sind, von einem Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Prozeßbevollmächtigten aus.
Fundstellen