Entscheidungsstichwort (Thema)
Form der Beschwerdeschrift
Leitsatz (NV)
1. In der Beschwerdeschrift ist das angefochtene Urteil durch Angabe des FG, das die Entscheidung getroffen hat, des Aktenzeichens, des Datums und der Sache, in der die Entscheidung ergangen ist, zu bezeichnen. Die Kläger und Beschwerdeführer sind mit Vornamen und Familiennamen zu benennen.
2. Halten die Kläger eine gesetzliche Regelung (hier §155 Abs. 5 AO 1977) für nicht verfassungsgemäß, müssen sie unter Auseinandersetzung mit der dazu ergangenen Rechtsprechung und Literatur darlegen, auf welche rechtlichen Erwägungen der vermeintliche Verstoß gegen Art. 3 und Art. 6 des Grundgesetzes (GG) gestützt wird.
3. Der Verzicht auf das Rügerecht vor dem FG schließt die Rüge unzureichender Sachaufklärung (§§115 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. 76 FGO) im Beschwerdeverfahren i. d. R. aus.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 3 Sätze 1, 3, Abs. 2 Nrn. 1, 3
Gründe
Die Beschwerdeschrift genügt noch den an die Form zu stellenden Mindestanforderungen, obwohl sie das angefochtene Urteil nur durch Angabe des Aktenzeichens und die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) lediglich mit dem Familiennamen bezeichnet. Grundsätzlich ist das angefochtene Urteil durch Angabe des Finanzgerichts (FG), das die Entscheidung getroffen hat, des Datums und der Sache, in der die Entscheidung ergangen ist, und des Aktenzeichens des finanzgerichtlichen Rechtsstreits zu bezeichnen. Zur Bezeichnung der Kläger und Beschwerdeführer sind der Vorname und der Familienname notwendig (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., §115 FGO Rz. 86, §120 FGO Rz. 5). Im vorliegenden Fall genügt die Beschwerdeschrift den gestellten Anforderungen nur deshalb, weil das FG aufgrund der Angabe des Aktenzeichens des finanzgerichtlichen Verfahrens in der Lage war, innerhalb der Beschwerdefrist das Urteil und damit die genauen Angaben zu der ergangenen Entscheidung und zur Identität der Kläger festzustellen, und die Gefahr der Verwechslung offensichtlich nicht gegeben war (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl. §120 Rz. 5, Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 24. Februar 1986 IX R 130/83, BFH/NV 1986, 542; BFH-Urteil vom 30. April 1980 VII R 94/74, BFHE 130, 480, BStBl II 1980, 588).
Die Beschwerde ist jedoch unzulässig, weil die Kläger weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch einen Verfahrensfehler in der nach §115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erforderlichen Weise gerügt haben.
a) Grundsätzliche Bedeutung
Wird die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache (§115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) begehrt, so muß diese in der Beschwerdeschrift dargelegt werden. Eine solche Darlegung i. S. von §115 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert konkrete Ausführungen darüber, inwieweit die aufgeworfene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluß vom 27. Juni 1996 VIII B 102/95, BFH/NV 1996, 921, m. w. N.). Das gilt auch, wenn die grundsätzliche Bedeutung auf einen Verstoß gegen Normen des Grundgesetzes (GG) gestützt wird (BFH-Beschluß vom 20. Juni 1994 III B 39/94, BFH/NV 1995, 50). Die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit einer Regelung reicht dazu nicht aus (vgl. Gräber/Ruban, a. a. O., §115 Rdnr. 62, m. w. N.).
Läßt sich eine Rechtsfrage unmittelbar aus dem Gesetz beantworten, ist sie nicht klärungsbedürftig. Sie ist auch dann nicht mehr klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH geboten erscheinen lassen (BFH-Beschluß vom 21. Juni 1996 VIII B 89/95, BFH/NV 1996, 920).
Hält der Beschwerdeführer eine Rechtsfrage dennoch für klärungsbedürftig oder sieht er durch eine gesetzliche Regelung oder deren Auslegung einen Verfassungsverstoß als gegeben an, so muß er auch unter Heranziehung der entsprechenden Rechtsprechung und Literatur darstellen, ob und ggf. in welchem Umfang die aufgeworfene Rechtsfrage umstritten ist, daß trotz eindeutiger gesetzlicher Regelung und vorhandener Rechtsprechung noch weiterer Klärungsbedarf besteht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 2. August 1996 XI B 208/95, BFH/NV 1997, 54; vom 12. September 1996 VIII B 16/96, BFH/NV 1997, 245) und daß die Rechtsfrage, aus der sich die Verfassungswidrigkeit ergeben soll, bisher nicht geklärt sei (vgl. BFH-Beschluß vom 14. Dezember 1987 V B 77/87, BFH/NV 1989, 27, 28, unter b der Gründe).
Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerde nicht.
Die Kläger halten die Regelung des §155 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO 1977) für grundgesetzwidrig i. S. von Art. 6, 3 und 2 Abs. 1 GG, weil sie Ehegatten schlechter stelle, als die allgemeine Vorschrift des §122 Abs. 1 AO 1977, wonach ein Steuerbescheid jedem einzelnen Beteiligten zuzustellen sei. Die Kläger tragen dazu aber nur vor, die Regelung des §155 Abs. 5 AO 1977 diene lediglich der Verwaltungsvereinfachung und dürfe den Grundsatz des §122 Abs. 1 AO 1977 nicht ändern. Das bei den Klägern aufgetretene Risiko, daß ein Ehegatte dem anderen vorsätzlich den Steuerbescheid vorenthalte, sei durch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auszugleichen. Andernfalls verstoße die Regelung auch gegen rechtsstaatliche Grundsätze, wonach jedem Bürger ein Rechtsmittel gegen staatliche Maßnahmen zustehe. Eine Auseinandersetzung mit der zur Vorschrift des §155 Abs. 5 AO 1977 ergangenen Rechtsprechung enthält dieser Vortrag nicht. So hat der BFH im Urteil vom 13. Oktober 1994 IV R 100/93 (BFHE 176, 510, BStBl II 1995, 484) ausführlich dargelegt, daß der Gesetzgeber bei Einfügung der ab dem 1. Januar 1986 geltenden Regelung in §155 Abs. 5 AO 1977 (eingefügt durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 vom 19. Dezember 1985, BGBl I 1985, 2436, BStBl I 1985, 735) die Bekanntgabe nur einer Ausfertigung eines zusammengefaßten Steuerbescheides für vertretbar halten durfte, sofern die Beteiligten in einer Gemeinschaft leben und eine gemeinsame Anschrift haben. Die gegenseitige Unterrichtung sei in diesem Fall üblich und gewährleistet (vgl. BTDrucks 10/1636, 42 f.). Die Kläger legen nicht dar, auf welche rechtlichen Erwägungen der vermeintliche Verstoß der Norm gegen Art. 3 und 6 GG im Hinblick auf die in §155 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 vom Gesetzgeber eingeräumte Möglichkeit, die vereinfachte Bekanntgabe durch einen Antrag auf Einzelbekanntgabe auszuschließen, gestützt wird. Aus den von den Klägern angeführten Entscheidungen zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Beschluß vom 30. Oktober 1981 Vf. 128 -- VI/80, Neue Juristische Wochenschrift -- NJW -- 1982, 2660, und Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 29. März 1995 13 A 3442/93, NJW 1995, 2508) ergibt sich nichts zur grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage. Vielmehr ergibt der Hinweis auf diese Entscheidungen, daß der Kläger das Urteil des FG für sachlich unzutreffend hält. Der Einwand, das FG habe verkannt, daß dem Kläger die Wiedereinsetzung allein deshalb zu gewähren war, weil ihm der Steuerbescheid von seiner Ehefrau vorenthalten wurde und er ohne eigenes Verschulden davon keine Kenntnis erlangt habe, richtet sich gegen die Rechtsanwendung durch das FG. Damit wird allenfalls ein materiell-rechtlicher Fehler geltend gemacht, auf den die Zulassung der Revision nicht gestützt werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluß vom 12. März 1996 VIII B 134/95, BFH/NV 1996, 691, und vom 31. Oktober 1996 VIII B 42/96, BFH/NV 1997, 490). Soweit der Kläger eine Benachteiligung und die Verletzung des rechtsstaatlichen Grundsatzes, daß jedermann, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, der Rechtsweg offensteht (Art. 19 Abs. 4 GG), darin sieht, daß ihm das FG die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verwehrt hat, betrifft die Anwendung der von der Rechtsprechung zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entwickelten Rechtsgrundsätze lediglich den Einzelfall des Klägers. Damit hat er weder einen allgemeinen Verstoß dieser Rechtssätze gegen die Verfassung noch das allgemeine Interesse an der Klärung dieser Fragen dargelegt (vgl. BFH- Beschluß vom 2. Oktober 1996 VIII B 101/95, BFH/NV 1997, 354, m. w. N.).
b) Die Beschwerde bezeichnet auch keinen Verfahrensmangel.
-- Soweit die Verletzung des rechtlichen Gehörs (§96 Abs. 2 FGO) mit dem Vorbringen gerügt wird, das Gericht habe erst in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, daß die in den Prozeßakten befindliche eidesstattliche Versicherung der Kläger nicht unterschrieben sei, ist nicht dargelegt, daß das Urteil des FG auf diesem Umstand beruht (vgl. §115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
-- Ferner rügen die Kläger die unterlassene Anordnung ihres persönlichen Erscheinens, ohne anzugeben, welchen Verfahrensmangel sie damit geltend machen wollen. Sollte damit die Rüge mangelnder Sachaufklärung wegen Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§76 FGO) durch das FG erhoben werden, so hätten die Kläger u. a. schlüssig darlegen müssen, warum sie nicht von sich aus in der mündlichen Verhandlung einen entsprechenden Antrag auf Anhörung der Kläger als Partei gestellt haben. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung von einem sachkundigen Prozeßvertreter vertreten werden. Die Beschwerde trägt dazu nichts vor. Auch aus der Sitzungsniederschrift des FG über die mündliche Verhandlung ergibt sich weder, daß die Frage der Anhörung oder der Vernehmung eines Beteiligten (vgl. dazu List in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., §80 FGO Rz. 2) erörtert noch daß ein entsprechender Antrag gestellt worden ist (Verzicht des Rügerechts gemäß §155 FGO i. V. m. §295 der Zivilprozeßordnung; BFH-Beschluß vom 28. Juli 1993 V B 25/93, BFH/NV 1995, 307; BFH-Urteil vom 2. September 1987 I R 315/83, BFH/NV 1988, 300, ständige Rechtsprechung).
Die weiteren Ausführungen zur Begründetheit der Nichtzulassungsbeschwerde im Schreiben vom 30. September 1996 erfolgten außerhalb der maßgeblichen Begründungsfrist (§115 Abs. 3 FGO) und können daher nicht berücksichtigt werden.
Von einer weiteren Begründung wird nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.
Fundstellen