Entscheidungsstichwort (Thema)
Zukunftswirkung der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe
Leitsatz (NV)
Die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe wirkt grundsätzlich nur für die Zukunft. Rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung kann die Prozeßkostenhilfe ausnahmsweise nur dann bewilligt werden, wenn der Antragsteller einen formgerechten Antrag unter Beifügung aller etwa erforderlichen Unterlagen gestellt hat. Die Einreichung des Vordrucks mit der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers erstmalig im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung der Prozeßkostenhilfe kann daher der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.
Normenkette
FGO §§ 132, 142; ZPO § 114
Tatbestand
Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) erhoben ohne Begründung Klage wegen Lohnsteuer-Jahresausgleich 1986. Nach der Klageerhebung stellten sie Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH). Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse war nicht beigefügt.
Daraufhin teilte der Berichterstatter des zuständigen Senats des Finanzgerichts (FG) den Antragstellern mit, daß die Vorlage eines ,,persönlichen Prozeßkostenhilfeantrags" erforderlich sei. In demselben Schreiben wurden die Antragsteller unter Fristsetzung aufgefordert, die Klage zu begründen, um eine Beurteilung der Erfolgsaussichten zu ermöglichen.
Nachdem die gesetzte Frist erfolglos verstrichen war, wies das FG den Antrag auf PKH zurück. Es begründete die Entscheidung damit, daß die anwaltlich vertretenen Antragsteller die gemäß § 117 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erforderliche Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse trotz Aufforderung nicht vorgelegt hätten.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsteller. Zur Begründung führten sie lediglich aus, daß nunmehr die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt werde. Die Klagebegründung wurde wiederum erst für einen späteren Zeitpunkt angekündigt.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dem Antrag auf Bewilligung von PKH, der bei dem Prozeßgericht zu stellen ist, sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und entsprechende Belege beizufügen (§ 142 FGO i. V. m. § 117 Abs. 1 und 2 ZPO). Die Erklärung ist auf dem durch die Verordnung vom 24. November 1980 (BGBl I 1980, 2163) eingeführten amtlichen Vordruck abzugeben (§ 117 Abs. 3 und 4 ZPO).
Das FG hat im Streitfall den Antrag auf PKH zu Recht zurückgewiesen, weil die Antragsteller trotz besonderer Aufforderung den Vordruck mit der Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht abgegeben haben (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. August 1985 VIII B 29/84, BFH/NV 1987, 261; vom 17. März 1987 VII B 152/86, BFH/NV 1987, 733; vom 27. Januar 1988 IX B 161/87, BFH/NV 1988, 521).
2. Die Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsteller im Beschwerdeverfahren ändert an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des FG nichts.
a) Zweifelhaft ist schon, ob die Erklärung über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse überhaupt noch im Beschwerdeverfahren nachgereicht werden konnte. Zwar ist im Beschwerdeverfahren neues Vorbringen zulässig; auch können Anträge im Beschwerdeverfahren geändert oder erweitert werden (vgl. Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 132 Tz. 6 m. w. N.). Bedenken bestehen aber, ob ein im Zeitpunkt des Ergehens der angegriffenen Entscheidung u. U. noch unzulässiger Antrag erst im Beschwerdeverfahren so gestaltet werden kann, daß er zulässig wird.
Der VIII. Senat des BFH hat mit dem Beschluß in BFH/NV 1987, 261 entschieden, daß ein Antrag auf PKH unzulässig ist, wenn die vorgeschriebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorgelegt wird (ebenso Beschluß des Oberlandesgerichts - OLG - Köln vom 29. Oktober 1981 22 W 43/81, Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR - 1982, 152). Diese Auffassung ist allerdings umstritten (vgl. Schneider, MDR 1982, 89). Der Senat kann indessen offenlassen, ob schon aus diesem Grund die Nachreichung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsteller keinen Erfolg mehr haben kann.
b) Jedenfalls ist die Nachreichung im Beschwerdeverfahren deshalb verspätet, weil die Bewilligung der PKH grundsätzlich nur für die Zukunft wirkt (unveröffentlichter Beschluß des BFH vom 16. April 1982 VI B 130/81; vgl. allgemein zur Wirkung der Bewilligung der PKH nur für die Zukunft auch Beschluß des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 6. Dezember 1984 VII ZR 223/83, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1985, 921).
Eine Rückwirkung des Beschlusses auf den Zeitpunkt der Antragstellung für die PKH wird ausnahmsweise nur dann zugelassen, wenn der Antragsteller einen formgerechten Antrag unter Beifügung aller etwa erforderlichen Unterlagen gestellt hat (vgl. Beschluß des BGH vom 30. September 1981 IVb ZR 694/80, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 1982, 58; BGH-Beschluß in NJW 1985, 921). Daran hat es im Streitfall gefehlt, da die Antragsteller mit ihrem Antrag die vorgeschriebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorgelegt haben.
Ob im Streitfall eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt in Betracht kommt, in dem die Antragsteller die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nachgereicht haben, kann offenbleiben. Dieser Zeitpunkt liegt erst im Beschwerdeverfahren, also nach der angegriffenen ablehnenden Entscheidung des FG. Die Frage der Bewilligung von PKH ab diesem Zeitpunkt war nicht Gegenstand der angegriffenen Entscheidung des FG. Sie kann daher nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sein, sondern nur über einen neuen Antrag an das FG geltend gemacht werden.
c) Außerdem kann in Fällen, in denen der Antrag auf PKH nicht formgerecht oder unvollständig gestellt worden ist, eine Rückwirkung der Bewilligung der PKH allenfalls auf den Zeitpunkt der Beseitigung der Antragsmängel (Zeitpunkt der Bewilligungsreife) in Betracht kommen (vgl. Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, Zivilprozeßordnung, 48. Aufl., § 119 Anm. 2). Im Streitfall war mit der im Beschwerdeverfahren erfolgten Nachreichung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse noch keine Bewilligungsreife für die PKH gegeben. Die Antragsteller haben sich nämlich lediglich auf die Nachreichung der Erklärung beschränkt und weiterhin keine Angaben gemacht, die eine Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage ermöglichen. Die Klagebegründung wurde lediglich wiederum für einen späteren Zeitpunkt angekündigt. Schon aus diesem Grunde scheidet daher auch eine Bewilligung von PKH ab dem Zeitpunkt der Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse aus.
Fundstellen