Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung des BFH zur Aktenvorlagepflicht des FA
Leitsatz (NV)
Eine Entscheidung des BFH über die Rechtmäßigkeit der Weigerung des FA, bestimmte Akten dem FG vorzulegen, setzt voraus, dass das FG die Aktenvorlage angeordnet und sich das FA daraufhin geweigert hat, der Aufforderung nachzukommen. Hält das FG zum Zeitpunkt der erstrebten Entscheidung des BFH an seiner Vorlageaufforderung nicht mehr fest, besteht für ein entsprechendes Feststellungsbegehren eines Verfahrensbeteiligten keine Veranlassung mehr.
Normenkette
FGO § 86 Abs. 3
Tatbestand
I. Der Kläger und Antragsteller (Kläger) hat vor dem Finanzgericht (FG) Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 1996 vom 19. Juli 2000 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Juli 2004 erhoben. Die Klage richtet sich im Wesentlichen gegen die Nichtberücksichtigung von Ausgaben im Zusammenhang mit einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR).
Mit Schreiben vom 7. August 2004 bat der Kläger das FG, den Beklagten und Antragsgegner (das Finanzamt --FA--) zur Vorlage sämtlicher Steuerakten aufzufordern, da er, der Kläger, zur Begründung seiner Klage Akteneinsicht nehmen wolle. Auf die Aufforderung des FG vom 11. August 2004, die Steuerakten vorzulegen, soweit sie den Streitfall betreffen, übersandte das FA unter dem 3. September 2004 verschiedene Steuerakten ohne die Betriebsprüfungshandakten. Nach Einsicht in die vorgelegten Akten beantragte der Kläger unter dem 19. Oktober 2004 --wie schon zuvor--, das FA zur Vorlage der Betriebsprüfungshandakten aufzufordern, da er auch diese Akten zur Vorbereitung der Klagebegründung einsehen wolle.
Unter dem 11. November 2004 bat der Berichterstatter des zuständigen Senats des FG das FA, die Prüferhandakten einzureichen. Mit Schreiben vom 6. Januar 2005 übersandte das FA darauf die Handakten des Betriebsprüfers zu den Prüfungen bei der GbR und beim Kläger. Das FA teilte dazu mit, es habe aus den Akten verschiedene Blätter (im Einzelnen aufgeführt in dem Schreiben vom 6. Januar 2005) entnommen, da diese Vermerke und Auskünfte zu steuerlichen Verhältnissen Dritter enthielten, insbesondere dazu, ob und welche Ermittlungen mit welchen Ergebnissen die Finanzverwaltung bei Dritten geführt habe. Die entnommenen Blätter beträfen die Bearbeitung von Anfragen zum Vorsteuerabzug oder Kontrollmitteilungen über Geschäftsbeziehungen des Klägers zu Dritten. Die Anfragen und Auskünfte zum Vorsteuerabzug sowie die Kontrollmitteilungen hätten zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen des Klägers geführt. Die Daten seien durch das Steuergeheimnis geschützt und es beständen keine Anhaltspunkte dafür, dass sie für die Durchführung eines steuerlichen Verfahrens nützlich sein könnten.
Mit Schreiben vom 17. Januar 2005 stellte der Kläger daraufhin beim FG den Antrag, das FA zu verpflichten, auch die entnommenen Blätter vorzulegen. Unter dem 16. März 2005 reichte er eine als vorläufig bezeichnete Klagebegründung ein und machte geltend, das Steuergeheimnis stehe der Vorlage der besagten Aktenblätter nicht entgegen.
Anlässlich eines Erörterungstermins vor dem FG am 28. Februar 2007 bot das FA dem Kläger an, ihm die Blätter geschwärzt zur Ansicht zuzusenden. Der Berichterstatter schlug vor, so zu verfahren und bat den Kläger um Mitteilung nach Erhalt des Protokolls, ob er seinen Antrag auf Übersendung der bisher nicht vorgelegten Blätter der Handakten aufrechterhalte. Nachdem das FA dem Kläger die Blätter in geschwärzter Form übersandt hatte, teilte der Kläger mit, er halte an seinem Antrag fest.
Mit Beschluss vom 6. August 2007 legte das FG die Gerichtsakten dem Bundesfinanzhof (BFH) zur Entscheidung vor, ob die Weigerung des FA, die in den Anträgen des Klägers aufgeführten Blätter nicht zu den Gerichtsakten zu übersenden, rechtmäßig sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß festzustellen, dass die Verweigerung der Vorlage der aus den Prüferhandakten entnommenen Blätter, die in dem Schreiben des FA vom 6. Januar 2005 einzeln aufgeführt sind, rechtswidrig ist.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag ist unbegründet.
1. Nach § 86 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der ab 1. April 2005 geltenden Fassung sind Behörden grundsätzlich zur Vorlage von Urkunden und Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Nach Abs. 2 der Vorschrift kann die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung elektronischer Dokumente und die Erteilung von Auskünften verweigert werden, wenn die Vorgänge aus bestimmten Gründen geheimgehalten werden müssen. Nach Abs. 3 der Vorschrift stellt der BFH auf Antrag eines Beteiligten in den Fällen der Abs. 1 und 2 ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, die Übermittlung elektronischer Dokumente oder die Verweigerung der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen.
2. Das FG hat das an das FG als Gericht der Hauptsache gerichtete Begehren des Klägers zutreffend als Feststellungsantrag i.S. von § 86 Abs. 3 Satz 1 FGO gewertet. Der Kläger geht davon aus, der Berichterstatter des FG habe die Handakten des Betriebsprüfers ohne Einschränkung angefordert und das FA sei diesem Vorlageverlangen durch die Herausnahme der bezeichneten Blätter aus den Akten nicht vollständig nachgekommen. Dadurch habe das FA die Vorlage teilweise verweigert i.S. von § 86 Abs. 3 Satz 1 FGO. Der Kläger erstrebt die Feststellung, dass die Weigerung des FA rechtswidrig ist, um nach einer entsprechenden Vorlage der aussortierten Blätter im Wege der Akteneinsicht beim FG Kenntnis von deren Inhalt erlangen zu können.
a) Wie der BFH in dem Beschluss vom 18. Juli 2006 X B 65/06 (BFH/NV 2006, 1699) ausgeführt hat, setzt die Regelung in § 86 Abs. 3 FGO voraus, dass das FG im finanzgerichtlichen Verfahren die Vorlage der betreffenden Unterlagen oder die Erteilung von Auskünften angeordnet hatte und die ersuchte Behörde sich daraufhin geweigert hat, dieser Aufforderung nachzukommen. Voraussetzung einer Feststellung i.S. von § 86 Abs. 3 Satz 1 FGO ist daher, dass das FG, wenn es im Rahmen eines bei ihm anhängigen Verfahrens Steuerakten vom FA anfordert und diese nicht vollständig vorgelegt werden, weiterhin, d.h. auch noch zum Zeitpunkt der erstrebten Entscheidung des BFH, auf der lückenlosen Vorlage besteht. Lässt das FG dagegen erkennen, dass ihm an den vom FA nicht vorgelegten Unterlagen nicht oder nicht mehr gelegen ist, besteht für ein entsprechendes Feststellungsbegehren eines Verfahrensbeteiligten keine Veranlassung (mehr). Denn die Regelung, die den Grundsatz der Amtshilfe nach § 13 FGO konkretisiert, ist ein dem FG zur Verfügung stehendes Mittel zur Erforschung des Sachverhalts (§ 76 FGO). Besteht das FG indes nach einer nicht vollständigen Aktenvorlage nicht auf der Nachreichung herausgenommener Blätter, weil es insoweit eine Sachaufklärung nicht für erforderlich hält, ist die Durchsetzung der Amtshilfe nicht geboten. Es kann allerdings ein mit der Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde --nicht mit dem Feststellungsverfahren nach § 86 Abs. 3 FGO-- angreifbarer Verfahrensmangel unzureichender Sachaufklärung vorliegen, wenn das FG die Beiziehung von Akten unterlässt, die vom materiell-rechtlichen Standpunkt des FG entscheidungserheblich waren (BFH-Beschluss vom 12. November 2003 VII B 347/02, BFH/NV 2004, 511).
b) Hiervon ausgehend liegen im Streitfall die Voraussetzungen für ein Feststellungsverfahren nach § 86 Abs. 3 FGO nicht vor. Der Berichterstatter des FG hatte zwar unter dem 11. August 2004 "die Steuerakten, soweit sie den Rechtsstreit betreffen" und unter dem 11. November 2004 "die angeforderte Handakte" (ohne Einschränkung) verlangt. Im Erörterungstermin vom 28. Februar 2007 schlug er indes vor, dem Angebot des FA zu folgen, die herausgenommenen Blätter dem Kläger geschwärzt mit der Bitte um Mitteilung zu übersenden, ob er weiterhin auf der Übersendung der entsprechenden Blätter bestehe. Aus dem Vorschlag, die Aktenstücke an den Kläger --nicht an das FG-- in geschwärzter Form zu übersenden, ergibt sich, dass der Berichterstatter die Vorlage der herausgenommenen Blätter im Original an das Gericht nicht --oder jedenfalls nicht mehr-- für erforderlich hielt und insoweit an seinem Vorlageverlangen nicht festhielt. Es fehlt somit an einer für das Verfahren nach § 86 Abs. 3 FGO vorausgesetzten und vom FG aufrechterhaltenen Anordnung der Vorlage der entsprechenden Aktenteile. Dem Kläger geht es darum, Einsicht in die Originale der ihm nur in geschwärzter Form überlassenen Aktenbestandteile zu nehmen. Da das FG indes an deren Vorlage nicht mehr festhält, kann er über das Feststellungsverfahren nach § 86 Abs. 3 FGO nicht ereichen, dass sie das FA dem FG vorlegt.
Fundstellen