Entscheidungsstichwort (Thema)
Inhaltliche Bestimmtheit eines Steuerbescheides
Leitsatz (NV)
Zur inhaltlichen Bestimmtheit jedes Verwaltungsaktes gehört die Benennung des Inhaltsadressaten, d. h. die Angabe, wem gegenüber der Einzelfall geregelt werden soll. Ist nicht zweifelsfrei ersichtlich, ob der im Anschriftenfeld des Steuerbescheides genannte Adressat selbst als Steuerschuldner angesprochen werden sollte oder nur als Bekanntgabeadressat für einen Dritten angeführt ist, ist der Verwaltungsakt in bezug auf den Inhaltsadressaten nicht hinreichend bestimmt.
Normenkette
AO 1977 § 119 Abs. 1, § 124 Abs. 1 S. 2, § 157 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Vater der Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Beschwerdegegnerin) ,,übertrug" durch notariell beurkundeten Vertrag vom 15. September 1989 der Beschwerdegegnerin sowie ihrem Bruder ,,in Gesellschaft bürgerlichen Rechts" (GbR) ,,im Wege vorweggenommener Erbfolge" ein bebautes Grundstück sowie Teileigentum. In derselben Vertragsurkunde wurde die Auflassung erklärt und ein Gesellschaftsvertrag abgeschlossen, in dem ,,die Rechtsverhältnisse der zum Zwecke des Erwerbs, der Verwaltung und der Nutzung des übertragenen Grundbesitzes gegründeten GbR" geregelt wurden.
Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) sah hierin einen schenkweisen Erwerb der zwischen der Beschwerdegegnerin und ihrem Bruder vereinbarten GbR. Das FA setzte durch Bescheid, der an die Beschwerdegegnerin adressiert ist, ausgehend vom Einheitswert für den Grundbesitz unter Zugrundelegung der Steuerklasse IV und unter Berücksichtigung eines Freibetrages von 3000 DM Schenkungsteuer in Höhe von . . . DM fest. Der Schenkungsteuerbescheid erging ,,über den Erwerb der B-GbR aus der Schenkung des Herrn A (Vater)". In den Erläuterungen führt das FA folgendes aus:
,,Als Gesamthandsschuldner erhält jeder Beteiligte der B-GbR einen gleichlautenden Schenkungsteuerbescheid. Die Schenkungsteuer wird zur gesamten Hand geschuldet."
Der von der Beschwerdegegnerin persönlich eingelegte Einspruch blieb, wie auch der ihres Bruders, erfolglos. Die Einspruchsentscheidung erging jeweils gegen die Einspruchsführer ,,für die B-GbR". Über die Klage hat das Finanzgericht (FG) bislang nicht entschieden.
Dem Antrag der Beschwerdegegnerin, die Vollziehung des Schenkungsteuerbescheides auszusetzen, hat das FG hinsichtlich eines Teilbetrages entsprochen. Ernstlich zweifelhaft sei, ob bürgerlich-rechtlich die GbR als Erwerberin angesehen werden könne. Selbst wenn die GbR Erwerberin und damit Steuerschuldnerin sei, komme eine Berücksichtigung der Verwandtschaft der Beschwerdegegnerin in gerader Linie zum Schenker und damit die Anwendung der Steuerklasse I in Betracht.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Das FG ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, daß - zumindest in dem Umfang, in dem es die Vollziehung des angefochtenen Schenkungsteuerbescheides ausgesetzt hat -, an der Rechtmäßigkeit dieses Bescheides ernstliche Zweifel i. S. des § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bestehen.
Offenbleiben kann die - auch vom FG angesprochene - zivilrechtliche Vorfrage, ob die Beschwerdegegnerin oder die B-GbR Beschenkte ist, sowie ferner die schenkungsteuerrechtlichen Streitfragen, ob eine GbR überhaupt Erwerberin und Steuerschuldnerin i. S. von § 20 Abs. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) sein kann (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. Dezember 1988 II R 150/85, BFHE 155, 395, BStBl II 1989, 237) und ob hinsichtlich der Steuerklasse und des Freibetrages verwandtschaftliche Beziehungen zwischen dem Schenker und den Gesellschaftern der beschenkten Gesamthandsgemeinschaft berücksichtigt werden könnten. Denn ernstlich zweifelhaft ist im Streitfall, ob der angefochtene Verwaltungsakt i. S. von § 119 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) inhaltlich hinreichend bestimmt ist.
Zur inhaltlichen Bestimmtheit jedes Verwaltungsaktes gehört die Benennung des Inhaltsadressaten, d. h. die Angabe, wem gegenüber der Einzelfall geregelt werden soll. Bei Steuerbescheiden bedarf es dementsprechend nach § 157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 der Angabe des Steuerschuldners. Ernstlich zweifelhaft ist im vorliegenden Fall, ob der angefochtene Schenkungsteuerbescheid in der erforderlichen Klarheit zum Ausdruck bringt, wer durch ihn als Schuldner der festgesetzten Steuer in Anspruch genommen werden soll, die Beschwerdegegnerin selbst oder die B-GbR. Denn dem Schenkungsteuerbescheid ist nicht zweifelsfrei zu entnehmen, ob die als Adressatin im Anschriftenfeld - ohne jeden weiteren, ein mögliches Vertretungsverhältnis zum Ausdruck bringenden Zusatz - genannte Beschwerdegegnerin selbst als Inhaltsadressatin in Anspruch genommen werden oder ihr die Schenkungsteuerfestsetzung als Bekanntgabeadressatin für einen anderen Steuerschuldner - die GbR - bekanntgegeben werden sollte.
Allerdings können Zweifel über den Inhalt eines Steuerbescheids auch durch Auslegung behoben werden (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 17. Juli 1986 V R 96/85, BFHE 147, 211, BStBl II 1986, 834). Dabei ist auf den objektiven Erklärungsinhalt aus der Sicht des Adressaten abzustellen. Da der Verwaltungsakt nur mit dem bekanntgegebenen Inhalt wirksam werden könnte (§ 124 Abs. 1 Satz 2 AO 1977), muß die Auslegung einen Anhalt in der bekanntgegebenen Regelung haben (vgl. auch BFH-Urteil vom 4. Oktober 1988 VIII R 161/84, BFH/NV 1989, 758). Etwa der Steuerfestsetzung beigefügte Erläuterungen können mitberücksichtigt werden.
Im vorliegenden Fall können auch im Auslegungswege nicht alle Zweifel an der Person des Inhaltsadressaten einwandfrei ausgeräumt werden. Der im Schenkungsteuerbescheid mitgeteilte, der Steuerfestsetzung zugrunde gelegte Sachverhalt ,,Erwerb der B-GbR" erlaubt nicht mit der erforderlichen Sicherheit einen Rückschluß darauf, ob die im Anschriftenfeld genannte Beschwerdegegnerin oder die GbR als Steuerschuldnerin in Anspruch genommen werden sollte. Diese Unklarheit wird auch nicht durch die Erläuterungen auf der Rückseite des Schenkungsteuerbescheides beseitigt. Zwar spricht der Hinweis, die Schenkungsteuer werde ,,zur gesamten Hand geschuldet" und die Aussage, ,,jeder Beteiligte an der B-GbR" erhalte den Steuerbescheid als ,,Gesamthandsschuldner" dafür, daß das FA die GbR als Steuerschuldnerin ansprechen wollte. Andererseits ergeben sich aus der Verwendung des Begriffs ,,Gesamthandsschuldner" wiederum Zweifel, ob nicht doch die derart bezeichnete Beschwerdegegnerin selbst als (Gesamthands-) Schuldnerin der festgesetzten Steuer, etwa wie eine Gesamtschuldnerin in Anspruch genommen werden sollte.
Ist aber nicht zweifelsfrei ersichtlich, ob der im Anschriftenfeld genannte Adressat selbst als Steuerschuldner angesprochen werden sollte oder nur als Bekanntgabeadressat für einen Dritten angeführt ist, ist der Verwaltungsakt in bezug auf den Inhaltsadressaten nicht hinreichend bestimmt. Die im vorliegenden Fall bestehenden Zweifel sind jedenfalls so erheblich, daß sie die Aussetzung der Vollziehung rechtfertigen.
Fundstellen
Haufe-Index 418295 |
BFH/NV 1992, 784 |