Entscheidungsstichwort (Thema)
Divergenz
Leitsatz (NV)
Zur hinreichend substantiierten Erhebung einer Divergenzrüge genügt nicht die bloße Bezeichnung einer angeblichen Divergenzentscheidung. Vielmehr ist grundsätzlich darzulegen, daß das erstinstanzliche Gericht seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der von einem ebenso tragenden abstrakten Rechtssatz in der Divergenzentscheidung abweichen soll. Nach Ablauf der Beschwerdefrist erhobene weitere Divergenzrügen sind wegen Verfristung unzulässig.
Normenkette
AO 1977 § 33 Abs. 1, § 45 Abs. 1 S. 1, § 179 Abs. 1-2, § 180 Abs. 1, § 193 Abs. 1, § 194 Abs. 1 S. 3, § 195 S. 2, § 196; BGB § 738 Abs. 2; FGO § 48 Abs. 1 Nr. 3 a. F, Nr. 3 n. F, § 60 Abs. 3, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, Abs. 3 S. 3
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Sie behauptet lediglich Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO), ohne sie indessen entsprechend den gesetzlichen Anforderungen nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO darzulegen.
1. Die Beschwerde bezieht sich insoweit auf einen anderen Anfechtungsgegenstand, als sie als Gegenstand des Rechtsstreits ausdrücklich die Prüfungsanordnung vom 23. Juni 1988 selbst bezeichnet. Ausweislich des angefochtenen Urteils hat die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) indessen nur die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides über die Beauftragung des Finanzamts (FA) für Großbetriebsprüfung (§ 195 Satz 2 der Abgabenordnung -- AO 1977 --) als einer gegenüber der Prüfungsanordnung (§ 196 AO 1977) verfahrensrechtlich selbständigen Regelung beantragt (vgl. ferner die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Einzelrichter; ausführlich Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 21. April 1993 X R 112/91, BFHE 171, 15, BStBl II 1993, 649). Die gleichzeitig gegen die Klägerin ergangene Prüfungsanordnung ist bestandskräftig geworden.
2. Selbst wenn zugunsten der -- steuerlich beratenen -- Klägerin davon ausgegangen wird, daß Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde unverändert der Bescheid über die Beauftragung selbst ist, fehlt es an substantiiert geltend gemachten Zulassungsgründen.
a) Die Beschwerde hat innerhalb der bis zum 15. Dezember 1994 laufenden Beschwerdefrist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht damit dargetan, daß sie eine offensichtlich grundsätzliche Bedeutung der Frage geltend macht, ob auch die Gesellschafter bei einer gegen eine Gesellschaft gerichteten Prüfungsanordnung, die u. a. auch die einheitliche Feststellung von Einkünften und des Vermögens zum Gegenstand hat, am Verfahren zu beteiligen sind, sofern die Frage nicht durch die zitierten Entscheidungen des BFH bereits geklärt sei. Soweit die Klägerin nach Ablauf der Beschwerdefrist mit Schriftsatz vom 26. April 1995 zwar einerseits die Rechtsfrage als höchstrichterlich geklärt ansieht, andererseits neue Erwägungen vorträgt, warum gleichwohl eine grundsätzliche Bedeutung gegeben sein könnte, sind diese bereits wegen Verfristung nicht mehr zu berücksichtigen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 11. August 1994 VIII B 25/94, BFH/NV 1995, 237; vom 10. März 1988 V B 45/86, BFH/NV 1988, 511, 512).
b) Die innerhalb der Beschwerdefrist unter Hinweis auf die BFH-Urteile vom 30. August 1994 IX R 65/91 (BFH/NV 1995, 517) und vom 8. September 1994 IX R 46/91 (nicht veröffentlicht) erhobene Divergenzrüge ist gleichfalls nicht hinreichend substantiiert. Dazu genügt nicht die bloße Bezeichnung einer angeblichen Divergenzentscheidung. Vielmehr ist grundsätzlich darzulegen, daß das erstinstanzliche Gericht seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der von einem ebenso tragenden abstrakten Rechtssatz in der Divergenzentscheidung abweicht (vgl. BFH-Beschluß vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479, 480, ständige Rechtsprechung). Hieran fehlt es in der Beschwerdebegründung.
Im übrigen ist nicht die Beteiligtenfähigkeit im Streit, sondern allenfalls die Frage, ob die Gesellschafter der Klägerin an dem gegen den Bescheid über die Beauftragung des FA für Großbetriebsprüfung gerichteten Klageverfahren zu beteiligen sind. Beide Entscheidungen haben unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 25. September 1990 IX R 84/88 (BFHE 162, 4, BStBl II 1991, 120) an der Abgrenzung zum Urteil des BFH vom 16. November 1989 IV R 29/89 (BFHE 159, 28, BStBl II 1990, 272) und damit an der unterschiedlichen verfahrensmäßigen Behandlung von Prüfungsanordnungen an Personengesellschaften mit gewerblichen Einkünften und solchen aus Vermietung und Verpachtung festgehalten. Die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 26. April 1995 nach Ablauf der Beschwerdefrist erhobene weitere Divergenzrüge, wonach der Beklagte und Beschwerdegegner (das FA) abweichend von den angeführten Entscheidungen des BFH hinsichtlich der Beteiligtenfähigkeit entsprechend § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO a. F. zwischen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und solchen aus Gewerbebetrieb unterschieden habe, ist gleichfalls wegen Verfristung unzulässig.
c) Die Beschwerde bezeichnet auch keinen Verfahrensmangel. Dazu hätte sie schlüssig darlegen müssen, daß das Finanzgericht (FG) gegen eine Vorschrift des Prozeßrechts verstoßen habe und die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (vgl. BFH-Beschluß vom 22. Januar 1991 V B 119/89, BFH/NV 1992, 667, 668, m. w. N.).
Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO ist eine Beiladung notwendig, wenn an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derartig beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Das ist der Fall, wenn die Entscheidung nach Maßgabe des materiellen Steuerrechts notwendigerweise und unmittelbar Rechte oder Rechtsbeziehungen des Beizuladenden beeinflußt (vgl. BFH-Urteil vom 27. Februar 1969 IV R 263/66, BFHE 95, 148, BStBl II 1969, 343). Wer nicht klagebefugt ist, darf nicht notwendigerweise beigeladen werden (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO). § 60 Abs. 3 FGO betrifft typischerweise die einheitliche und gesonderte Feststellung nach § 179 Abs. 1, Abs. 2 i. V. m. § 180 Abs. 1 AO 1977.
Eine Personengesellschaft, die einen gewerblichen Betrieb unterhält, muß als solche die Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO 1977 dulden. Adressat der Prüfungsanordnung ist die Gesellschaft, nicht ihre Gesellschafter (vgl. auch § 194 Abs. 1 Satz 3 AO 1977; BFH-Urteile vom 16. März 1993 XI R 42/90, BFH/NV 1994, 75, 77; in BFHE 159, 28, BStBl II 1990, 272; vom 1. Oktober 1992 IV R 60/91, BFHE 169, 294, BStBl II 1993, 82, 83; vom 23. Juli 1985, VIII R 48/85, BFHE 145, 3, BStBl II 1986, 433, 434).
Die einschlägige Rechtsgrundlage für die Anordnung einer Außenprüfung richtet sich nicht nach der eigenen Einschätzung hinsichtlich der Einkunftsart durch den Steuerpflichtigen. Eine Außenprüfung kann nicht nur, bzw. erst dann auf § 193 Abs. 1 AO 1977 gestützt werden, wenn bereits feststeht, daß der Steuerpflichtige tatsächlich in der in dieser Vorschrift beschriebenen Weise unternehmerisch tätig ist oder war. Vielmehr hat es die Außenprüfung mit potentiellen Steuerpflichtigen zu tun. Liegen Anhaltspunkte -- wie im Streitfall -- für eine unternehmerische Tätigkeit vor, so kann eine Außenprüfung zur Klärung dieser Frage auf § 193 Abs. 1 AO 1977 gestützt werden (vgl. BFH-Urteil vom 23. Oktober 1990 VIII R 45/88, BFHE 163, 98, BStBl II 1991, 278; vom 11. Dezember 1991 I R 66/90, BFHE 166, 490, BStBl II 1992, 595, 597; zustimmend Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 193 AO 1977 Rdnr. 6, 7; Kühn/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 17. Aufl., § 193 AO 1977 Bemerkung 3; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 193 Bemerkung 2 a; Mösbauer in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 193 Bemerkung 2/1).
Erst wenn sich durch die Prüfung herausstellt, daß der Steuerpflichtige kein Unternehmer ist, darf die Prüfung nur fortgesetzt werden, wenn auch die Voraussetzungen nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 vorliegen. Im Streitfall ist hingegen die Außenprüfung nach den nicht mit zulässigen und begründeten Rügen angegriffenen Feststellungen des FG gerade zu dem Ergebnis gelangt, daß die Klägerin in den Streitjahren gewerbliche Einkünfte erzielt hat.
Die Personengesellschaft ist auch insoweit als solche Steuerpflichtiger i. S. von § 33 Abs. 1 AO 1977 und damit Prüfungsobjekt, als sich die Prüfung auf die einheitliche und gesonderte Feststellung der gewerblichen Einkünfte und der Einheitswerte des Betriebsvermögens erstreckt (BFHE 159, 28, BStBl II 1990, 272, 273; BFHE 169, 294, BStBl II 1993, 82, 83; BFH-Urteil vom 13. September 1990 IV R 57/89, BFH/NV 1991, 716). Die Gesellschafter sind damit von einer gegen die Personengesellschaft gerichteten Prüfungsanordnung nicht unmittelbar betroffen. Eine einheitliche Entscheidung auch ihnen gegenüber ist nach dem Regelungsinhalt der Prüfungsanordnung nicht sicherzustellen.
Soweit der IX. Senat des BFH im Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung eine Beiladung (ehemaliger) nicht selbst klagender Gesellschafter für notwendig erachtet, beruht dies darauf, daß er bei Bauherrengemeinschaften und Gesellschaften des bürgerlichen Rechts (GdbR) den einzelnen Anleger als Steuerpflichtigen i. S. des § 197 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 ansieht, und zwar auch, wenn sich die Anleger zu einer GdbR zusammenschließen und in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielen. Die GdbR ist -- anders als die gewerbliche Personengesellschaft -- nicht selbst buchführungs- und aufzeichnungspflichtig und demgemäß nicht selbst Prüfungsobjekt. Auf diese unterschiedliche Ausgangslage und auf die sich hieraus ergebenden ebenfalls verschiedenen verfahrensrechtlichen Folgerungen hat der IX. Senat des BFH in seiner Entscheidung in BFHE 162, 4, BStBl II 1991,120, 122 ausdrücklich hingewiesen und daran in seinen späteren Urteilen durch Bezugnahme auf jene Entscheidung erkennbar festgehalten (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 1995, 517, 519; vom 30. August 1994 IX R 42/91, BFH/NV 1995, 481, 484).
Für den die Prüfungsanordnung ergänzenden Bescheid über die Beauftragung eines anderen FA mit der Außenprüfung gilt verfahrensrechtlich nichts anderes (vgl. BFHE 171, 15, BStBl II 1993, 649).
Einer weiteren Begründung bedarf die Entscheidung nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs nicht.
Fundstellen