Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug bei Reisekosten nach Pauschbeträgen
Leitsatz (NV)
Der - früher mögliche - Abzug von Vorsteuerbeträgen bei Reisekosten nach Pauschbeträgen setzt voraus, dass über die Reise ein Beleg ausgestellt wurde, der Zeit, Ziel und Zweck der Reise, die Person, die die Reise ausgeführt hat, und den Betrag angab, aus dem die Vorsteuer errechnet wurde. Für eine Schätzung dieser Vorsteuerbeträge war kein Raum.
Normenkette
UStG 1991 § 15 Abs. 1 Nr. 1; UStDV 1991 § 36 Abs. 5; UStG 1999 § 15 Abs. 1a Nr. 2
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betreibt eine Spedition. Sie machte in den Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre (1991 bis 1993) Vorsteuerbeträge aus Reisekosten nach Pauschbeträgen gemäß § 36 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1991 bzw. 1993 (UStDV) geltend. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) versagte im Anschluss an eine bei der Klägerin durchgeführte Außenprüfung in Umsatzsteuer-Änderungsbescheiden den Vorsteuerabzug wegen fehlender Eigenbelege i.S. des § 36 Abs. 5 UStDV.
Mit ihrer dagegen nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage machte die Klägerin geltend: Zwar lägen keine Eigenbelege i.S. des § 36 Abs. 5 UStDV vor. Die nach dieser Vorschrift erforderlichen Angaben ergäben sich jedoch aus den Frachtpapieren, aus der sog. Rollkarte und aus den "Tachoscheiben", mit denen jedes Fahrzeug ausgestattet sei.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte zur Begründung im wesentlichen aus, im Falle der Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs bei Reisekosten nach Pauschbeträgen sei der von § 36 Abs. 5 UStDV geforderte Eigenbeleg materiell-rechtliche Voraussetzung für den Vorsteuerabzug und durch andere Beweismittel nicht zu ersetzen (Hinweis auf Entscheidungen des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 13. Dezember 1984 V R 44/82, Umsatzsteuer-Rundschau ―UR― 1985, 90, und vom 11. August 1989 V R 59/86, BFH/NV 1990, 270). Die Klägerin habe ―wie sie selbst einräume― keine vollständigen Eigenbelege erstellt. Die erforderlichen Angaben über Zeit, Ziel und Zweck der Reise sowie die Person, die die Reise ausgeführt habe, der für die Errechnung der Vorsteuer maßgebende Betrag und die Anzahl der gefahrenen Kilometer ließen sich auch den von der Klägerin (ersatzweise) vorgelegten, teilweise unzutreffenden Unterlagen nicht entnehmen.
Die Klägerin begehrt Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Sie meint, es bestehe aus Gründen der Rechtssicherheit und der einheitlichen Handhabung des Rechts ein abstraktes Interesse der Allgemeinheit an der Klärung der Frage, ob die formalen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug "nur" Beweisvorschriften oder aber Tatbestandsmerkmal seien. Falls § 36 Abs. 5 UStDV als formelle Beweisvorschrift anzusehen sein sollte, sei der Weg zu einer Schätzung eröffnet.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt deshalb nur wegen einer klärungsbedürftigen und im Revisionsverfahren klärbaren Rechtsfrage in Betracht. Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie sich bereits ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt oder durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Rechtsfrage durch den BFH erforderlich machen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 17. September 1974 VII B 112/73, BFHE 113, 409, BStBl II 1975, 196, und vom 11. April 1996 V B 133/95, BFH/NV 1996, 718). Im Übrigen liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im allgemeinen nur dann vor, wenn sie für die Zukunft richtungsweisend ist und nicht bereits außer Kraft getretenes Recht betrifft (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 30. Januar 1989 V B 123/86, BFH/NV 1989, 706). In der Beschwerdeschrift muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).
Vorsteuerbeträge, die auf Reisekosten des Unternehmers und seines Personals entfallen, soweit es sich um Verpflegungskosten, Übernachtungskosten oder um Fahrtkosten für Fahrzeuge des Personals handelt ―wie sie die Klägerin im Streitfall geltend macht―, sind seit dem 1. April 1999 gemäß § 15 Abs. 1 a Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1999 nicht mehr abziehbar; §§ 36 bis 39 UStDV sind aufgehoben worden (vgl. Art. 7 Nr. 11 Buchst. b, Art. 8 Nr. 1, Art. 18 Abs. 2 des Steuerentlastungsgesetzes ―StEntlG― 1999/2000/2002, BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304). Ob bereits deshalb die vorliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO hat, lässt der Senat offen. An der grundsätzlichen Bedeutung fehlt es jedenfalls deshalb, weil die von der Klägerin aufgeworfene Frage bereits durch die ―vom FG angewendete― höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Rechtsfrage durch den BFH erforderlich machen.
Soweit sich die Klägerin insoweit auf Stimmen in der Literatur beruft, die sich für eine Schätzung der nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG abziehbaren Vorsteuerbeträge aussprechen (Tipke, UR 1983, 105; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 162 AO 1977 Tz. 27; Trzaskalik in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 162 AO 1977 Rz. 29, m.w.N.), ergibt sich daraus für den Streitfall kein (erneuter) Klärungsbedarf. Die Sonderregelung des § 36 UStG lässt abweichend von § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG bei Reisekosten einen pauschalen Vorsteuerabzug im Wege der bloßen Berechnung zu (vgl. dazu z.B. Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, § 15 Rz. 148 ff., 158 ff.; Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, E 15 Abs. 5 Rz. 105 ff.). Hierzu bestimmt § 36 Abs. 5 UStDV ausdrücklich, dass (lediglich errechnete) Vorsteuerbeträge bei Reisekosten nach Pauschbeträgen (nur) unter den in dieser Vorschrift bezeichneten Voraussetzungen abgezogen werden können ("Die nach den Absätzen 1 bis 4 errechneten Vorsteuerbeträge können unter folgenden Voraussetzungen abgezogen werden: …"). Für eine Schätzung dieser Vorsteuerbeträge ist deshalb entsprechend der Rechtsprechung des BFH in UR 1985, 90 und in BFH/NV 1990, 270 kein Raum.
Diese Rechtsprechung muss entgegen der Ansicht der Klägerin nicht im Hinblick auf das BFH-Urteil vom 19. November 1998 V R 102/96 (BFHE 187, 344, BStBl II 1999, 255) in einem Revisionsverfahren überprüft werden. Nach diesem Urteil kann der Unternehmer den Nachweis, dass die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1991 vorliegen, im Vergütungsverfahren nach §§ 59 ff. UStDV 1991 ebenso wie im allgemeinen Veranlagungsverfahren durch Vorlage der Zweitschrift des Ersatzbelegs führen, wenn der dem Erstattungsantrag zugrunde liegende Vorgang stattgefunden hat und keine Gefahr besteht, dass weitere Erstattungsanträge gestellt werden; es kommt dann nicht darauf an, aufgrund welcher Umstände die Erstschrift des Ersatzbelegs nicht vorgelegt werden kann. Diese Entscheidung ―und das ihr zugrunde liegende Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 11. Juni 1998 Rs. C-361/96, Societe generale des grandes sources d'eaux minerales francaises (Slg. 1998, I-3495, Internationales Steuerrecht 1998, 401, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 1998, 275)― betrifft einen anderen Sachverhalt als den im Streitfall gegebenen. Überdies fehlt für das Vergütungsverfahren nach §§ 59 ff. UStDV eine § 36 Abs. 5 UStDV entsprechende Vorschrift.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.
Fundstellen
Haufe-Index 424963 |
BFH/NV 2000, 760 |