Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerde gegen Erörterungsschreiben
Leitsatz (NV)
Die formlose ohne Rechtsmittelbelehrung versandte Mitteilung einer Rechtsansicht durch das FG ist keine beschwerdefähige Entscheidung i.S. des § 128 Abs. 1 FGO.
Normenkette
FGO § 128 Abs. 1
Tatbestand
I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) stellte am 27. November 2002 beim Finanzgericht (FG) gegen sie ergangene Steuerbescheide Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) übersandte daraufhin dem FG zusammen mit seinem Abweisungsantrag die gesamten Steuerakten.
Mit Schreiben vom 8. April 2003 beantragte ein Prozessbevollmächtigter der Antragstellerin beim FG die Übersendung der Gerichtsakten und sämtlicher Beiakten zwecks Akteneinsicht in seine Kanzleiräume. Dies lehnte der Vorsitzende Richter des zuständigen FG-Senats mit Schreiben vom 10. April 2003 ab. Zur Begründung führte er aus, dass eine Aktenübersendung in Anwaltsbüros im FG-Verfahren grundsätzlich nicht stattfinde und Akteneinsicht bei größerer Entfernung beim nächsten FG bzw. ordentlichen Gericht gewährt werde. Er wies zudem darauf hin, dass nur ein geringer Teil der angeforderten Unterlagen bei Gericht vorhanden sei.
Mit Schreiben vom 26. Mai 2003 beantragte der Prozessbevollmächtigte daraufhin die Übersendung der dem FG vorliegenden Akten in seine Kanzleiräume, hilfsweise an das Amtsgericht. Für den Fall der Nichtabhilfe seines Hauptantrags bat er das FG, sein Schreiben als Beschwerde aufzufassen und an den Bundesfinanzhof (BFH) weiterzuleiten. Zur Begründung führte er aus, dass ein Akteneinsichtsrecht aus Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) folge. Die Gefahr des Untergangs der Akten lasse sich durch Anfertigung einer kopierten Zweitakte, die dann an die Kanzleiadresse zu versenden sei, umgehen. Eine Akteneinsicht an Amtsstelle sei umständlich und könne nicht in der nötigen Ruhe erfolgen. Die Nichtversendung der Akten laufe auf eine rechtswidrige Behinderung der Akteneinsicht hinaus, die die Art. 3 Abs. 1, 103 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG bzw. Art. 6 Abs. 1 der Menschenrechtskonvention (MRK) verletze.
Einen im Nachgang zusätzlich gestellten Antrag auf Fertigung von Aktenkopien lehnte das FG am 26. Juni 2003 ab. Es bezog die dagegen erhobene Beschwerde vom 23. Juli 2003 in diejenige vom 26. Mai 2003 ein (Schreiben vom 4. August 2003).
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist nicht statthaft.
Gemäß § 128 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an den BFH zu gegen Entscheidungen des FG, des Vorsitzenden oder Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind. In dem nur vom Vorsitzenden des FG-Senats unterzeichneten Schreiben vom 10. April 2003 an die Antragstellerin hat dieser lediglich seine Rechtsauffassung erläutert und keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt. Eine solche formlose Mitteilung der Rechtsansicht des FG durch einen nicht (allein) zur Entscheidung berufenen Richter ist keine mit der Beschwerde anfechtbare gerichtliche Entscheidung i.S. von § 128 Abs. 1 FGO (vgl. BFH-Beschlüsse vom 16. Juli 1974 VII B 31/74, BFHE 113, 94, BStBl II 1974, 716; vom 30. Mai 1985 VI B 39/84, BFH/NV 1986, 35; vom 19. Juni 1991 VIII B 145/90, BFH/NV 1992, 184; vom 28. August 2002 IX B 38/02, BFH/NV 2002, 1610). Dies gilt umso mehr für das Schreiben vom 26. Juni 2003.
Fundstellen
Haufe-Index 1121866 |
BFH/NV 2004, 644 |