Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Revisionszulassung wegen materiell-rechtlicher Einwendungen; grundsätzliche Bedeutung; Rechtsfortbildung
Leitsatz (NV)
1. Eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts ist insbesondere in Fällen erforderlich, in denen über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist, zum Beispiel wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Grundsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen.
2. Erforderlich ist eine Entscheidung des BFH nur dann, wenn die Rechtsfortbildung über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegt und die Frage nach dem “ob” und ggf. “wie” der Rechtsfortbildung klärungsbedürftig ist.
3. Insoweit gelten die zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung höchstrichterlich entwickelten strengen Darlegungsanforderungen gleichermaßen.
4. Darüber hinaus ist auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen. Es reicht weder ‐ für sich allein ‐ aus, dass die Rechtsfrage bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden worden ist, noch genügt die Behauptung, das FG habe sachlich unrichtig entschieden.
5. Höchstrichterlich geklärt ist, dass für die Abgrenzung der Einkunftsart nach § 20 EStG gegenüber § 19 EStG mangels ausdrücklicher Kollisionsregel auf die Wesensart der jeweiligen Einkunftsart abzustellen ist und darauf, welche Einkunftsart im Vordergrund steht und die Beziehung zu den anderen Einkunftsarten verdrängt.
6. Maßgebend ist, ob sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist.
7. Ob ein Leistungsaustausch aufgrund einer anderen Rechtsbeziehung vorliegt, kann nach ständiger Rechtsprechung nur aufgrund einer primär dem FG als Tatsacheninstanz obliegenden Würdigung der den jeweiligen Einzelfall prägenden Umstände entschieden werden.
8. Für die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung ist auch auszuführen, inwieweit das insoweit anzuwendende Veranlassungsprinzip für die Zuordnung zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in abstrakter und fallübergreifender Weise über die höchstrichterlich entwickelten Kriterien hinaus weiter in genereller und abstrakter Weise konkretisiert werden könnte.
Normenkette
EStG §§ 19, 20 Abs. 1 Nr. 2a, Abs. 3; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 116 Abs. 3 S. 3, § 118 Abs. 2
Verfahrensgang
FG Köln (Urteil vom 14.03.2007; Aktenzeichen 14 K 2377/06) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2, 1. Alternative FGO nicht gemäß den gesetzlichen Anforderungen nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargetan.
1. Soweit der Kläger Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend macht, wird damit kein Zulassungsgrund dargetan. Von vornherein unbeachtlich sind Einwände gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die nur im Rahmen einer Revisionsbegründung relevant sein können; denn das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten.
Gleiches gilt hinsichtlich einer behaupteten unzulänglichen Beweiswürdigung, die revisionsrechtlich ebenfalls dem materiellen Recht zuzuordnen ist (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Januar 2006 VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799, m.w.N.).
2. a) Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache verlangt substantiierte Ausführungen insbesondere zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist. Hierzu muss sich die Beschwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des BFH, den Äußerungen im Schrifttum sowie mit den ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen.
Ist über die Rechtsfrage bereits entschieden worden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinandergesetzt hat. Darüber hinaus ist auch auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen. Allein das Fehlen einer Entscheidung des BFH zu der konkreten Fallgestaltung begründet weder einen Klärungsbedarf noch erst recht das erforderliche Allgemeininteresse. Ebenso fehlt es an einer grundsätzlichen Bedeutung bei einer lediglich einzelfallbezogenen Beurteilung eines Streitfalles (vgl. BFH-Beschluss vom 17. August 2007 VIII B 36/06, BFH/NV 2007, 2293, m.w.N.).
b) Eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative FGO) ist insbesondere in Fällen erforderlich, in denen über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist, so beispielsweise, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Grundsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen. Erforderlich ist eine Entscheidung des BFH nur dann, wenn die Rechtsfortbildung über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegt und die Frage nach dem "Ob" und ggf. "Wie" der Rechtsfortbildung klärungsbedürftig ist. Insoweit gelten die zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO höchstrichterlich entwickelten strengen Darlegungsanforderungen ebenfalls. Darüber hinaus ist auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen. Es reicht weder --für sich allein-- aus, dass die Rechtsfrage bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden worden ist, noch genügt die Behauptung, das Finanzgericht (FG) habe sachlich unrichtig entschieden (BFH-Beschluss vom 23. Januar 2007 VIII B 211/05, BFH/NV 2007, 912, m.w.N.).
3. Die Beschwerdebegründung wird diesen Darlegungsanforderungen erkennbar nicht gerecht.
Der Kläger wirft zwei Rechtsfragen auf: Zum einen, ob der gewählte Wortlaut (einer Abfindungsvereinbarung) bei der Abgrenzung der insoweit in Betracht kommenden Einkunftsarten von Bedeutung sei oder nicht vielmehr der dahinterstehende Zweck und der Veranlassungszusammenhang, zum anderen, ob Einnahmen aus Kapitalvermögen dadurch ihr Gepräge verlören, dass sie anlässlich eines arbeitsrechtlichen Vorgangs ausgezahlt würden.
Für beide Fragen hat der Kläger indes einen erneuten oder weiteren, im Allgemeininteresse liegenden Klärungsbedarf nicht dargetan. Eine Klärungsbedürftigkeit wird von vornherein nicht mit dem Hinweis substantiiert, eine genau den Streitfall betreffende höchstrichterliche Rechtsprechung gebe es noch nicht. Vielmehr hätte der Kläger unter Auseinandersetzung mit der bisher ergangenen und von ihm zumindest teilweise zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung sowie mit dem Fachschrifttum darlegen müssen, dass sich mit Hilfe der darin entwickelten Kriterien die von ihm aufgeworfenen Rechtsfragen nicht beantworten ließen.
Der Kläger stellt selber zutreffend dar, dass für die Abgrenzung zwischen den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes --EStG--) einerseits und den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) andererseits der Veranlassungszusammenhang maßgebend sei.
Der erkennende Senat hat dementsprechend bereits im Urteil vom 31. Oktober 1989 VIII R 210/83 (BFHE 160, 11, BStBl II 1990, 532, m.w.N.) ausgeführt, insoweit fehle es an einer Kollisionsregel wie sie der Gesetzgeber in § 20 Abs. 3 EStG für andere Einkunftsarten getroffen habe. Die Abgrenzung sei aus der Wesensart der jeweiligen Einkunftsart zu treffen. Maßgebend sei diejenige Einkunftsart, die im Vordergrund stehe und die Beziehung zu den anderen Einkunftsarten verdränge.
Darüber hinaus ist höchstrichterlich durch eine ständige Rechtsprechung geklärt, dass Bezüge oder Vorteile dann für eine Beschäftigung gewährt werden, wenn sie durch das individuelle Arbeitsverhältnis veranlasst sind. Hingegen liegt Arbeitslohn dann nicht vor, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt werden. Maßgebend ist, ob sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinn als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist. Ob ein Leistungsaustausch aufgrund einer anderen Rechtsbeziehung vorliegt, kann nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung nur aufgrund einer primär dem FG als Tatsacheninstanz obliegenden Würdigung der den jeweiligen Einzelfall prägenden Umstände entschieden werden (vgl. BFH-Urteil vom 1. Februar 2007 VI R 72/05, BFH/NV 2007, 898, m.w.N.; BFH-Beschlüsse vom 28. Juni 2007 VI B 23/07, BFH/NV 2007, 1870, m.umf.N.; vom 30. Dezember 2004 VI B 67/03, BFH/NV 2005, 702, m.w.N.).
Im Kern wendet sich der Kläger gegen die Würdigung des FG. Insoweit verkennt der Kläger jedoch, dass die tatrichterliche Überzeugungsbildung, die Tatsachen- bzw. Sachverhaltswürdigung und die diesbezüglichen Schlussfolgerungen einer Nachprüfung durch den BFH (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) weitgehend entzogen sind (dazu BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 1870).
Schließlich ist auch nicht erkennbar, inwieweit das auch vom FG seiner Entscheidung zugrunde gelegte Veranlassungsprinzip für die Zuordnung zu der Einkommensart gemäß § 19 EStG in abstrakter und fallübergreifender Weise über die in der langjährigen Rechtsprechung des BFH entwickelten Kriterien hinaus weiter in genereller und abstrakter Weise konkretisiert werden könnte. Vielmehr sind infolge der Einzelfallbezogenheit die aufgeworfenen Fragen einer noch weitergehenden generellen und abstrakten Festlegung von allgemeinen, für alle einschlägigen Fälle gleichermaßen geltenden Kriterien nicht zugänglich (vgl. allgemein auch BFH-Beschluss vom 8. Oktober 2007 II B 15/07, juris).
Fundstellen