Entscheidungsstichwort (Thema)
Ernennung der Richter am Finanzgericht durch Staatsminister der Finanzen verfassungsrechtlich unbedenklich
Leitsatz (NV)
Das Finanzgericht München ist nicht deshalb i. S. des §116 Abs. 1 Nr. 1 FGO unvorschriftsmäßig besetzt, weil die Berufsrichter vom Staatsminister der Finanzen ernannt worden sind.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) gegen den Einkommensteuerbescheid des Streitjahres 1991 durch Urteil in der Besetzung mit fünf Richtern als unbegründet ab. Der Kläger rügt mit der Revision eine falsche Besetzung der Richterbank. Er macht geltend, daß nach Art. 2 des bayerischen Gesetzes zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung (AGFGO) vom 23. Dezember 1965 (Gesetz- und Verordnungsblatt S. 357) die Staatsregierung die Präsidenten der Finanzgerichte ernenne und die anderen Richter vom Staatsminister der Finanzen ernannt würden. Daß ein Organ der Exekutive einen Richter ernenne, verstoße gegen das Prinzip der Gewaltenteilung. Man habe deshalb als Vertreter des Steuerpflichtigen immer das Gefühl, daß den drei Berufsrichtern, die allesamt aus der Verwaltung stammten, das Argument der Verwaltung rasch einleuchte und ihnen die Seite des Staates, den sie seit Jahrzehnten vertreten hätten, näher sei als der unabhängige Richter. Das finanzgerichtliche Urteil sei auch falsch. Es handele sich bei den geltend gemachten Aufwendungen nicht um Ausbildungskosten, sondern um Berufsfortbildungskosten.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die geltend gemachten Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abzuziehen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt) beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
Gemäß Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs findet abweichend von §115 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Revision nur statt, wenn das FG oder auf die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision der Bundesfinanzhof (BFH) sie zugelassen hat oder wenn ein Fall der zulassungsfreien Revision gemäß §116 FGO gegeben ist. Im Streitfall haben weder das FG noch der BFH die Revision zugelassen. Die Voraussetzungen des §116 Abs. 1 FGO liegen nicht vor.
Die Verfahrensrüge, das FG sei bei seiner Entscheidung nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§116 Abs. 1 Nr. 1 FGO), hat der Kläger nicht ordnungsgemäß erhoben. Eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts ist nach der Rechtsprechung (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 26. Juli 1994 VII R 78/93, BFH/NV 1995, 403, 404, m. w. N.) nur dann ordnungsgemäß gerügt worden, wenn die zur Begründung vorgetragenen Tatsachen, ihre Richtigkeit unterstellt, die Mängel ergeben, d. h., wenn sie schlüssig vorgetragen sind. Daran fehlt es im Streitfall.
Der Kläger trägt selbst vor, daß die drei Berufsrichter, die gemäß §5 Abs. 3 Satz 1 FGO an dem Urteil mitgewirkt haben, in Übereinstimmung mit Art. 2 AGFGO, mithin also im Einklang mit den Vorschriften des Landesrechts vom Staatsminister der Finanzen ernannt worden sind. Soweit der Kläger geltend macht, die Ernennung der Richter am Finanzgericht durch ein Organ der Exekutive verstoße gegen das Gewaltenteilungsprinzip des Grundgesetzes (GG), wäre damit eine unwirksame Ernennung der Richter, die an dem Urteil mitgewirkt haben, und folglich ein Verfahrensfehler i. S. des §116 Abs. 1 Nr. 1 FGO nur dann schlüssig gerügt worden, wenn die Ernennung der Richter durch den Staatsminister der Finanzen grundgesetzwidrig wäre. Das ist jedoch nicht der Fall. Denn nach dem GG steht es den Ländern frei, ihre Richter durch einen Landesminister, also durch die Exekutive, zu ernennen. Gemäß Art. 98 Abs. 4 Satz 1 GG können die Länder bestimmen, daß über die Anstellung der Richter in den Ländern der Landesjustizminister gemeinsam mit einem Richterwahlausschuß entscheidet. Wenn die Länder Richterwahlausschüsse einrichten können, aber nicht müssen, so folgt daraus zwangsläufig, daß es in ihr Belieben gestellt ist, von der Richterwahl überhaupt abzusehen und es bei der hergebrachten Ernennung durch die Landesminister zu belassen (vgl. Herzog in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 98 Rz. 36).
Die Nennung der Landesjustizminister in Art. 98 Abs. 4 GG bedeutet auch nicht etwa, daß die Berufung der Richter in den Ländern jedenfalls durch diese und nicht etwa durch die Landesminister des jeweils betroffenen Ressorts vorgenommen werden müsse. Denn Art. 98 Abs. 4 GG ist seinem Gesamtcharakter nach nicht die Bedeutung beizumessen, daß die Länder verpflichtet werden sollten, abweichend von der bisherigen Rechtslage ein einheitliches Rechtsprechungsministerium einzurichten (vgl. Herzog in Maunz/Dürig, a. a. O., Art. 98 Rz. 40). Im übrigen liegt die Auffassung, daß die Ernennung der Landesrichter unabhängig davon grundgesetzkonform ist, ob sie durch den Landesjustizminister oder den für das jeweilige Sachgebiet zuständigen Landesminister vorgenommen worden ist, auch auf der Linie der BFH-Urteile vom 23. Februar 1968 VI 325/65 (BFHE 91, 67, BStBl II 1968, 289) und vom 2. August 1968 VI R 219/67 (BFHE 93, 218, BStBl II 1968, 746). Danach verstieß es nicht gegen den Grundsatz der Trennung der Gewalten und führte nicht zu einer unvorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts, daß die Richter der Finanzgerichtsbarkeit in Nordrhein- Westfalen früher der Dienstaufsicht des Finanzministers unterstanden. In dem Urteil in BFHE 93, 218, BStBl II 1968, 746, 747 wird ausgeführt, daß der Finanzrichter durch die Tatsache, daß die Ernennung und Beförderung beim Finanzminister liege, in keiner Weise gehindert sei, über die ihm vorliegenden Sachen unabhängig und allein nach dem Gesetz zu entscheiden.
Fundstellen