Entscheidungsstichwort (Thema)
Begründung der Revision bei mehreren Streitgegenständen; Bestimmung des Revisionsbegehrens bei in erster Instanz gestellten Haupt- und Hilfsanträgen
Leitsatz (NV)
1. Die Revisionsbegründung muß aus sich heraus erkennen lassen, daß der Revisionskläger sich mit den Gründen des finanzgerichtlichen Urteils auseinandergesetzt hat und aus welchen Gründen er eine Änderung dieser Entscheidung für geboten erachtet. Hat das Finanzgericht über mehrere selbständige Streitgegenstände entschieden, so bedarf es für jeden Streitgegenstand einer Begründung, die diesen Anforderungen genügt.
2. Hat der Kläger in erster Instanz mehrere Anträge (hier: Haupt- und Hilfsanträge) gestellt und wurden diese teils als unzulässig, teils als unbegründet abgelehnt, so kann er die Forderung nach einem bestimmten Revisionsantrag nur dann erfüllen, wenn er deutlich erkennen läßt, in bezug auf welche Anträge er das finanzgerichtliche Urteil für falsch hält.
Normenkette
FGO § 120
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb im Jahre 1971 eine Apotheke. Die anläßlich der Betriebsübertragung vereinbarten Rentenzahlungen machte sie in den Streitjahren als ,,Betriebliche Versorgungsrente" geltend.
Erklärungsgemäß erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) endgültige Bescheide betreffend die Gewinnfeststellung 1971, Einkommensteuer 1972 sowie die Festsetzung des Gewerbesteuer-Meßbetrages 1972.
Im Anschluß an eine Betriebsprüfung, bei der ein Apotheken-Kaufvertrag vorgelegt wurde, beurteilte das FA die Rentenabrede als Vereinbarung einer betrieblichen Veräußerungsrente und erließ für die Streitjahre 1971 und 1972 Änderungsbescheide (§ 222 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsabgabenordnung - AO -). Außerdem setzte das FA erstmals die Einkommensteuer 1974 und den Gewerbesteuer-Meßbetrag 1974 fest.
Auf die Einsprüche der Klägerin wurden die Gewerbesteuer-Meßbeträge 1972 und 1974 herabgestezt. Der Grund für diese Änderung bestand darin, daß nach Ansicht des FA bei der Ermittlung des Gewerbeertrags die Rentenzahlungen der Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 2 des Gewerbesteuergestezes (GewStG) unterlägen, soweit sie die Minderung der Rentenbarwerte übersteigen. Da aber derjenige Aufwandsteil, der durch die Erhöhung der Rentenverpflichtung aufgrund einer Wertsicherungsklausel einträte, nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. November 1975 I R 135/73 (BFHE 118, 44, BStBl II 1976, 297) nicht hinzugerechnet werden dürfe, sei auch die Frage, ob und um welchen Betrag sich der Rentenbarwert im Vergleich zum letzten Bilanzstichtag vermindert habe, im Rahmen der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 2 GewStG ohne Berücksichtigung der Wertsicherungsklausel zu beantworten. Im übrigen wurden die Einsprüche abgewiesen.
Die hiergegen erhobene Klage, mit der die Klägerin in erster Linie das Ziel verfolgte, die angefochtenen Bescheide aufzuheben, und hilfsweise beantragte, die Gewinne 1971 und 1972 auf der Grundlage des vom Finanzgericht (FG) über die Höhe der an den jeweiligen Bilanzstichtagen anzusetzenden Rentenbarwerte eingeholten Sachverständigengutachtens um 2 190 DM (1971) und 2 577 DM (1972) zu vermindern, blieb überwiegend ohne Erfolg.
Die Vorinstanz wies die Hauptanträge der Klägerin als unzulässig ab, da die Aufhebung dieser Bescheide zu einer höheren Steuerfestsetzung bzw. zu höheren Feststellungsbeträgen führen würde.
Den Hilfsanträgen betreffend die Gewinnfeststellung 1971 und die Einkommensteuer 1972 gab das FG statt. Zwar habe das FA die Rentenabrede zutreffend als betriebliche Veräußerungsrente qualifiziert, jedoch ergäbe sich auf der Grundlage der vom Sachverständigen ermittelten Rentenbarwerte eine Gewinnminderung um 2 190 DM (1971) und 2 577 DM (1972).
Den gegen den Gewerbesteuer-Meßbescheid 1972 gerichteten Hilfsantrag wies die Vorinstanz als unbegründet ab. Zwar seien auch für diesen Bescheid die vom Sachverständigen ermittelten Rentenbarwerte zu berücksichtigen. Nach einhelliger Ansicht in der Literatur sei das Urteil in BFHE 118, 44, BStBl II 1976, 297 aber dahin zu verstehen, daß der Saldo zwischen Rentenzahlung und Verminderung des Rentenbarwertes ohne Rücksicht darauf der Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 2 GewStG unterliege, ob es sich dabei um eine Rente mit oder ohne Wertsicherungsklausel handele, mit der Folge, daß das FA den Hinzurechnunggsbetrag 1972 um 26 798 DM zu niedrig angesetzt habe.
Die Klägerin hat gegen das Urteil der Vorinstanz Revision eingelegt und sich dabei auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts berufen.
Zur Zulässigkeit der Klage führte die Klägerin wörtlich aus, daß sie ,,eine Steuerherabsetzung" erstrebe, ,,nicht aber eine höhere Steuerfestsetzung".
Zur Frage der gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung trug die Klägerin vor: ,,Soweit sie ersehen könne", habe das FA ,,auch die durch das Wirksamwerden der in der Rentenvereinbarung enthaltenen Wertsicherungsklausel (. . .), gemäß § 8 Nr. 2 Gewerbesteuergesetz (. . .) hinzugerechnet".
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG, die Einspruchsentscheidung des FA sowie den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1971, den geänderten Einkommensteuerbescheid 1972, den Einkommensteuerbescheid 1974, die geänderte Festsetzung des Gewerbesteuer-Meßbetrags 1972 und den Gewerbesteuer-Meßbescheid 1974 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig. Denn die Begründung der Revision genügt insoweit nicht den Erfordernissen des § 120 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
1. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muß die Revisionsbegründung - entsprechend dem Zweck des § 120 FGO, das Revisionsgericht zu entlasten und den Revisionskläger zu zwingen, seine Rechtsansicht, insbesondere im Hinblick auf die abweichende Auffassung des FG zu überprüfen (Urteil des BFH vom 16. Oktober 1984 IX R 177/83, BFHE 143, 196, BStBl II 1985, 470, m. w. N.) - aus sich heraus erkennen lassen, daß der Revisionskläger sich mit den Gründen des finanzgerichtlichen Urteils auseinandergesetzt hat und aus welchen Gründen er eine Änderung dieser Entscheidung für geboten erachtet (Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 120 Anm. 32). Weist das FG die Klage als unzulässig ab, muß der Revisionskläger hierauf eingehen (Beschluß des Bundessozialgerichts - BSG - vom 8. März 1985 ll a RA 59/84, Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR - 1985, 700; Beschluß des BFH vom 9. April 1968 I R 178-180/67, nicht veröffentlicht - NV -; Gräber / Ruban, a. a. O. § 120 Anm. 33). Hat das FG über mehrere selbständige Streitgegenstände (vgl. dazu Gräber / von Groll, a.a.O., § 65 Anm. 28 ff.) entschieden, so bedarf es für jeden Streitgegenstand einer gesonderten Begründung, die den dargelegten Anforderungen genügt (Urteil des BFH vom 5. Dezember 1978 VIII R 116/77, BFHE 127, 1, BStBl II 1979, 305).
2. Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen ist die Revision der Klägerin, soweit sie sich gegen das Urteil der Vorinstanz betreffend den geänderten Einkommensteuerbescheid 1974 und den geänderten Gewerbesteuer-Meßbescheid 1974 richtet, nicht wirksam erhoben. Denn das FG hat die hiergegen erhobene Klage mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, daß die von der Klägerin begehrte Aufhebung dieser Bescheide in den betreffenden Streitjahren zu einer höheren Steuerfestsetzung bzw. zu einem höheren Festsetzungsbetrag führe. Die Revisionsbegründungsschrift geht auf diese Rechtsauffassung nur mit dem Hinweis ein, die Klägerin stelle unter Bezugnahme auf den finanzgerichtlichen Schriftsatz vom 17. Dezember 1982 klar, daß sie eine Steuerherabsetzung erstrebe, nicht aber eine höhere Steuerfestsetzung. Dieser Vortrag läßt eine aus sich heraus verständliche Auseinandersetzung mit der das vorinstanzliche Urteil tragenden Begründung nicht erkennen. Denn ihm kann weder entnommen werden, ob und mit welchen Gründen die Klägerin sich gegen die Rechtsauffassung der Vorinstanz wendet (vgl. hierzu Gräber / von Groll, a. a. O., § 40 Anm. 90 und 105, m. w. N.), noch können die Ausführungen dahin verstanden werden, das FG habe den Umfang des Klagebegehrens verkannt. Letzterer Deutung stünde insbesondere entgegen, daß die Klägerin mit der Revisionsschrift an den in erster Instanz gestellten Hauptanträgen festhält.
Eine andere Beurteilung ist auch unter Berücksichtigung dessen, daß in der Revisionsschrift auf den finanzgerichtlichen Schriftsatz vom 17. Dezember 1982 Bezug genommen wird (vgl. hierzu Gräber /Ruban, a. a. O., § 120 Anm. 34), nicht möglich, da die Klägerin sich auch in diesem Schriftsatz nicht mit den Argumenten des FG auseinandersetzte.
3. Aus den dargelegten Gründen ist die Revision auch insoweit unzulässig, als mit ihr die Entscheidung der Vorinstanz über den Gewinnfeststellungsbescheid 1971 sowie den Einkommensteuerbescheid 1972 und die Festsetzung des Gewerbesteuer-Meßbetrags 1972 angegeriffen wird.
Dabei braucht der Senat nicht dazu Stellung zu nehmen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Zulässigkeit einer Revision, mit der die Klägerin sich gegen die in erster Instanz abgelehnten Haupt- und Hilfsanträge wendet, davon abhängig ist, daß jedem dieser Anträge eine gesonderte Revisionsbegründung gegeben wird, die den in Abschn. 1 dargelegten Anforderungen entspricht. Im Streitfall war eine Auseinandersetzung mit den Gründen, die die Entscheidung des FG über den Hauptantrag tragen, jedenfalls deshalb geboten, weil aufgrund der Revision der Klägerin die im finanzgerichtlichen Verfahren hilfsweise gestellten Anträge (dazu Gräber / von Groll, a. a. O., § 43 Anm. 7) in der Revisionsinstanz nicht angefallen sind. Denn die Klägerin hat mit ihren Revisionsanträgen ausdrücklich nur die in erster Instanz gestellten Hauptanträge weiterverfolgt.
a) Die Bestimmung des Revisionsbegehrens anhand des Wortlauts der gestellten Revisionsanträge erweist sich im Hinblick auf die Entscheidung des FG über den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1971 und den geänderten Einkommensteuerbescheid 1972 bereits deshalb als zutreffend, weil die Vorinstanz den diesbezüglich gestellten Hilfsanträgen stattgegeben hat. Eine Beschwer der Klägerin besteht insoweit nicht (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 29. Januar 1964 V ZR 23/63, BGHZ 41, 38).
b) Obgleich das FG betreffend den Gewerbesteuer-Meßbescheid 1972 nicht nur den Hauptantrag als unzulässig angesehen, sondern auch den Hilfsantrag als unbegründet abgewiesen hat, erfaßt der von der Klägerin gestellte Revisionsantrag auch insoweit das eventuelle Klagebegehren erster Instanz nicht.
Ungeachtet dessen, daß nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO die Revision oder Revisionsbegründung einen bestimmten Antrag enthalten muß, ist das Fehlen eines formellen Antrags dann unschädlich, wenn der Revisionsschrift oder der Revisionsbegründungsschrift eindeutig entnommen werden kann, daß und inwieweit der Revisionskläger das Urteil des FG anfechten und dessen Aufhebung beantragen will (Gräber / Ruban, a. a. O., § 120 Anm. 27, m. w. N.).
Deshalb ist ein bestimmter Antrag in der Regel dann gegeben, wenn der Kläger in der Vorinstanz nur einen Antrag gestellt hat und das finanzgerichtliche Urteil mit dem Ziel bekämpft, diesen Antrag weiterzuverfolgen. Hatte der Kläger jedoch mehrere Anträge gestellt und wurden diese - wie im Streitfall - teils als unzulässig (hier: Hauptantrag), teils als unbegründet (hier: Hilfsantrag) abgelehnt, so kann er die Forderung nach einem bestimmten Antrag nur dann erfüllen, wenn er deutlich erkennen läßt, in bezug auf welche Anträge er das finanzgerichtliche Urteil für falsch hält (Urteil des BFH vom 24. August 1976 VII R 104/75, BFHE 120, 20, BStBl II 1976, 788; Gräber / Ruban, a. a. O., § 120 Anm. 28).
Der Revisionsantrag der Kläger beinhaltet nach seinem Wortlaut auch im Hinblick auf die Entscheidung der Vorinstanz über den geänderten Gewerbesteuer-Meßbescheid 1972 nur die Wiederholung des im finanzgerichtlichen Verfahren gestellten Hauptantrags. Es bestehen somit zumindest Zweifel daran, ob die Klägerin im Revisionsverfahren das in erster Instanz hilfsweise geltend gemachte Klagebegehren weiterverfolgen will, mit der Folge, daß insoweit ein hinreichend bestimmter Revisionsantrag nicht vorliegt (Urteil des BGH vom 1. Juli 1975 VI ZR 251/74, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1975, 2013). Diese Unklarheit wird im Streitfall auch nicht dadurch beseitigt, daß die Klägerin in der Revisionsbegründungsschrift die Vermutung geäußert hat, FA und FG hätten auch die infolge der vereinbarten Wertsicherungsklausel eingetretene Erhöhung des Rentenbarwertes der Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 2 GewStG unterworfen. Dieser Vortrag ist bereits deshalb nicht geeignet, die Zweifel über den Umfang des Revisionsantrages auszuräumen, weil er auf eine nicht hinreichend gründliche Auseinandersetzung mit dem finanzgerichtlichen Urteil schließen läßt. Denn zum einen schied nach Auffassung des FA bei der Ermittlung des Gewerbesteuer-Meßbetrags 1972 gemäß der Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 1978 eine Hinzurechnung vollständig aus, zum anderen hat das FG den für dieses Streitjahr gestellten Hilfsantrag unter Beachtung des Verböserungsverbots mit der Begründung abgewiesen, daß die Rentenzahlungen 1972 (26 798 DM) in vollem Umfang nach § 8 Nr. 2 GewStG hinzuzurechnen gewesen wären, weil sich der Rentenbarwert - unter Berücksichtigung der Wertsicherungsklausel - im Jahre 1972 um 9 463 DM erhöht habe. Hinzu kommt, daß selbst dann, wenn man die Darlegungen der Klägerin als gegen die vom FG für die Hinzurechnungsfrage vertretene Rechtsauffassung gerichtet erachtete, der Revisionsbegründungsschrift nicht mit Sicherheit entnommen werden könnte, ob mit ihr auch die Entscheidung der Vorinstanz über den für das Streitjahr 1972 gestellten Hilfsantrag angegriffen werden soll. Angesichts der für dieses Jahr geleisteten Rentenzahlungen (26 798 DM) einerseits und der Höhe der vom Gutachter ermittelten Rentenbarwerterhöhung (9 463 DM) andererseits, hätte die Klägerin zumindest die mit ihrer Rechtsansicht verbundenen Auswirkungen darlegen müssen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die Frage der Hinzurechnung der Rentenzahlungen nicht für das Streitjahr 1972, sondern (u. a.) auch für die gerichtliche Entscheidung über den in der Revisionsinstanz wiederholten Klageantrag betreffend den Gewerbesteuer-Meßbetrag 1974 hätte von Bedeutung sein können.
Fundstellen