Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisionszulassung nur bei ausdrücklichem Ausspruch; keine Umdeutung einer Revision in einen Antrag auf mündliche Verhandlung; Rechtsirrtum bei einem Vertreter der rechtsberatenden Berufe
Leitsatz (NV)
- Die Revision ist nur dann zugelassen, wenn die Zulassung im Urteil oder im Gerichtsbescheid ausdrücklich ausgesprochen ist.
- Eine Revision gegen einen Gerichtsbescheid kann nicht in einen Antrag auf mündliche Verhandlung umgedeutet werden.
- Der Rechtsirrtum eines Vertreters der rechtsberatenden Berufe über das einzulegende Rechtsmittel oder den einzulegenden Rechtsbehelf rechtfertigt insbesondere dann keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn die in Betracht kommenden Rechtsbehelfe und Rechtsmittel in der Rechtsmittelbelehrung zutreffend dargelegt sind.
Normenkette
FGO §§ 56, 90a, 115 Abs. 1
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage der Kläger und Revisionskläger (Kläger) durch Gerichtsbescheid, der dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 6. Dezember 2000 zugestellt wurde, als unzulässig ab.
Am 4. Januar 2001 legte der Prozessbevollmächtigte gegen den Gerichtsbescheid Revision ein. Auf den Hinweis der Geschäftsstelle des X. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH), dass das FG die Revision nicht zugelassen habe, beantragte er mit Schreiben vom 9. Februar 2001, das Revisionsschreiben als Antrag auf mündliche Verhandlung zu "deuten". Hilfsweise beantragte er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Antragsfrist.
Zur Begründung führte er aus, im Gerichtsbescheid werde weder darauf hingewiesen, dass die Revision zugelassen noch dass sie nicht zugelassen sei. Der Streitwert sei mit 8 000 DM festgesetzt. Aus diesem Grund sei die Revision nach § 115 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen gewesen. Aufgrund der Änderung der FGO und dem damit verbundenen Wegfall der Streitwertrevision habe "nun der BFH die Revision als unzulässig zurückgewiesen". Durch die zeitgleiche Zustellung der letzten Stellungnahme des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ―FA―) mit dem Gerichtsbescheid sei im Übrigen keine weitere Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben gewesen. Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass die Revision am 4. Januar 2001 beim FG eingegangen sei, zu einem Zeitpunkt, zu dem die Ausführungsbestimmungen der Änderung der FGO noch nicht in der einschlägigen Literatur für Steuerberater veröffentlicht gewesen seien. Diese Gründe reichten aus, um ein unverschuldetes Versäumen bei der Einlegung des zutreffenden Rechtsbehelfs zu begründen bzw. die eingelegte Revision in einen Antrag auf mündliche Verhandlung umzudeuten.
Entscheidungsgründe
II. 1. Da der angefochtene Gerichtsbescheid des FG vor dem 1. Januar 2001 zugestellt worden ist, richtet sich die Zulässigkeit eines dagegen eingelegten Rechtsbehelfs oder Rechtsmittels nicht nach den Vorschriften des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757), sondern noch nach den bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Vorschriften (Art. 4 2.FGOÄndG). Danach ist die von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger eingelegte Revision unzulässig.
2. Nach § 90a Abs. 2 FGO a.F. können die Beteiligten gegen einen Gerichtsbescheid innerhalb eines Monats nach dessen Zustellung Revision nur einlegen, wenn sie zugelassen worden ist. Ist die Revision nicht zugelassen worden, kann entweder Nichtzulassungsbeschwerde erhoben oder mündliche Verhandlung beantragt werden. Hierauf hat das FG in der dem angefochtenen Gerichtsbescheid beigefügten Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich hingewiesen.
3. Die Zulassung der Revision muss im Gerichtsbescheid ausdrücklich ausgesprochen sein. Fehlt ―wie im Streitfall― ein Ausspruch über die Zulassung, ist sie abgelehnt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 21. März 1995 VIII R 7/95, BFH/NV 1995, 995, m.w.N.).
4. Zu Unrecht berufen sich die Kläger auf § 115 Abs. 1 FGO a.F., nach dem eine Revision statthaft ist, wenn der Streitwert 1 000 DM übersteigt. Die Revision war aufgrund von Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abweichend von § 115 Abs. 1 FGO a.F. nur bei Zulassung durch das FG oder den BFH oder als zulassungsfreie Verfahrensrevision nach § 116 FGO statthaft.
5. Eine Umdeutung in einen Antrag auf mündliche Verhandlung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil das Rechtsmittel von einem Vertreter der steuerberatenden Berufe ―bei dem die Kenntnis der Prozessordnung vorausgesetzt wird― eingelegt und ausdrücklich als Revision bezeichnet worden ist (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1995, 995, und vom 25. März 1997 I B 112/96, BFH/NV 1997, 796, jeweils m.w.N.). Eine Umdeutung scheitert darüber hinaus auch daran, dass zwischen einer Revision und einem Antrag auf mündliche Verhandlung erhebliche rechtliche und verfahrensmäßige Unterschiede bestehen (vgl. zur Umdeutung einer Revision in eine Nichtzulassungsbeschwerde z.B. BFH-Beschluss vom 24. November 1994 X R 115/94, BFH/NV 1995, 626, m.w.N.).
6. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Antragsfrist lägen im Übrigen nicht vor. Wiedereinsetzung könnte nur gewährt werden, wenn der Prozessbevollmächtigte der Kläger ohne Verschulden verhindert gewesen wäre, den Antrag auf mündliche Verhandlung rechtzeitig zu stellen (§ 56 Abs. 1 FGO). In der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Gerichtsbescheids ist aber unmissverständlich ausgeführt, dass den Beteiligten die Revision nur für den Fall der Zulassung zusteht und dass bei Nichtzulassung mündliche Verhandlung beantragt oder Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden kann. Ein Rechtsirrtum über das einzulegende Rechtsmittel bzw. den einzulegenden Rechtsbehelf ist daher ―insbesondere bei einem Vertreter der rechtsberatenden Berufe― nicht entschuldbar. Die Kläger müssen sich das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten als eigenes zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung).
Fundstellen