Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung des Verfahrens wegen Antrag auf Billigkeitsmaßnahme
Leitsatz (NV)
Das Finanzgericht ist grundsätzlich nicht gehalten, das Klageverfahren, in dem über die Rechtmäßigkeit einer Steuerfestsetzung gestritten wird, auszusetzen, wenn der Steuerpflichtige erst in der mündlichen Verhandlung eine Billigkeitsmaßnahme des beklagten Finanzamts beantragt und der Antrag keine Aussicht auf Erfolg bietet.
Normenkette
AO 1977 § 163; FGO §§ 74, 115 Abs. 2 Nr. 3
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat einen Verfahrensmangel, auf dem das Urteil des Finanzgerichts (FG) beruhen könnte (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --), nicht i. S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO bezeichnet. Die Verfahrensrüge ist nicht schlüssig erhoben.
Die Entscheidung, ob das FG das Klageverfahren, in dem über die Rechtmäßigkeit einer Steuerfestsetzung gestritten wird, im Hinblick auf eine bei der Finanzbehörde beantragte Billigkeitsmaßnahme nach § 74 FGO aussetzt oder nicht, ist eine Ermessensentscheidung. Beantragt der Kläger die Gewährung von Biligkeitsmaßnahmen nach § 163 der Abgabenordnung (AO 1977), so ist nicht regelmäßig davon auszugehen, daß für eine Entscheidung nach § 74 FGO das Ermessen auf Null reduziert wäre und das Verfahren stets ausgesetzt werden müßte; es kommt vielmehr auf die Umstände des einzelnen Falles an (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH vom 14. Juli 1992 V R 91/85, nicht veröffentlicht -- NV --). Dabei kann dahinstehen, ob -- wie das FG meint -- nur bei Stattgabe des Antrages auf eine auf Billigkeitsgründen beruhende abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO 1977 ein Grundlagenbescheid vorliegt, der dazu führt, daß das Klageverfahren nach § 74 FGO ausgesetzt werden müsse, oder ob ein Verhältnis wie zwischen Grundlagen- und Folgebescheid auch schon bei Stellung des Antrags auf eine abweichende Steuerfestsetzung angenommen werden kann (vgl. BFH-Beschluß vom 4. Dezember 1987 V S 9/85, BStBl II 1988, 702, BFH/NV 1988, 466, sowie Urteil vom 14. Juli 1992 V R 91/85, NV). Diese Frage braucht indes nicht vertieft zu werden. Denn auch wenn der Auffassung des FG nicht zu folgen wäre, so hat doch das FG zusätzlich seine Gründe dargelegt, warum im Streitfall keine Veranlassung bestanden habe, das Klageverfahren auszusetzen oder zu vertagen. Entgegen der Ansicht des Klägers hat das FG das auch begründet, und zwar mit detaillierten Ausführungen dazu, daß dieser Antrag keine Aussicht auf Erfolg habe. Grundsätzlich darf das FG darauf abstellen, ob es prozeßökonomisch ist, das Klageverfahren abzuschließen, bevor über eine etwaige Unbilligkeit entschieden wird (BFH-Urteil V R 91/85, NV). Nicht unwesentlich ist in diesem Zusammenhang die Überlegung, daß der Kläger den Antrag auf die Billigkeitsmaßnahme offenbar erst in der mündlichen Verhandlung gestellt hatte (vgl. BFH-Urteil V R 91/85, NV). Denn das FG ist auch der Frage nachgegangen, ob denn die Verweigerung der Aussetzung zu einem Nachteil des Klägers führen würde. In dieser Frage ist das FG zum Ergebnis gekommen, daß der Kläger für den gestellten Billigkeitsantrag nicht schlüssig vorgetragen habe, weil der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) nach dem eigenen Vortrag des Klägers vor Abschluß des notariellen Kaufvertrages keine Kenntnis von der Verkaufsabsicht hatte haben können. Unter diesen Umständen stellt es -- wie bei der Berufung auf eine aussichtslose Verfassungsbeschwerde (BFH-Beschluß vom 25. August 1993 X B 32/93, BFHE 171, 412, BStBl II 1993, 797) -- jedenfalls keinen Verfahrensfehler dar, daß das FG das Klageverfahren nicht ausgesetzt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 420334 |
BFH/NV 1995, 325 |