Entscheidungsstichwort (Thema)
Qualifikation gemischter Tätigkeiten
Leitsatz (NV)
Übt ein Steuerpflichtiger sowohl eine freiberufliche als auch eine gewerbliche Tätigkeit aus, so sind die Tätigkeiten zu trennen, sofern dies nach der Verkehrsauffassung möglich ist. Das gilt auch dann, wenn sachliche und wirtschaftliche Bezugspunkte zwischen den verschiedenen Tätigkeiten bestehen. Sind allerdings bei einer Tätigkeit beide Tätigkeitsarten derart miteinander verflochten, dass sie sich gegenseitig unlösbar bedingen, so liegt eine einheitliche Tätigkeit (gemischte Tätigkeit ohne Trennungsmöglichkeit) vor, die steuerlich danach zu qualifizieren ist, ob das freiberufliche oder das gewerbliche Element vorherrscht.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2; EStG § 15 Abs. 2, § 18 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (Urteil vom 25.09.2007; Aktenzeichen 11 K 423/04) |
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Der geltend gemachte Revisionszulassungsgrund der Divergenz ist nicht gegeben.
1. Eine die Rechtseinheit gefährdende Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegt nur vor, wenn das Finanzgericht (FG) bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von einer Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 48). Das FG muss dabei seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung nicht übereinstimmt (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. September 2005 V B 126/04, BFH/NV 2006, 557). Es ist nicht stets erforderlich, dass das FG den abweichenden Rechtssatz in den Urteilsgründen ausdrücklich formuliert hat. Er kann auch konkludent in scheinbar nur fallbezogenen Rechtsausführungen ausgesprochen sein. Eine Abweichung kann deshalb auch vorliegen, wenn das FG einem bestimmten Sachverhalt eine andere Rechtsfolge beigemessen hat als sie der BFH zu einem im Wesentlichen gleichen Sachverhalt ausgesprochen hat. Indes reichen weder eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen noch die angeblich fehlerhafte Anwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles noch schlichte Subsumtionsfehler des FG aus. Denn nicht schon die Unrichtigkeit des FG-Urteils im Einzelnen, sondern erst dessen Fehlerhaftigkeit im Grundsätzlichen rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen Divergenz gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO (vgl. BFH-Beschlüsse vom 16. Mai 2006 VIII B 160/05, BFH/NV 2006, 1477, m.w.N.; vom 22. Februar 2007 VI B 29/06, BFH/NV 2007, 969; vom 29. Januar 2008 VIII B 37/07, n.v.).
2. Eine Abweichung zu den in der Beschwerdeschrift bezeichneten BFH-Urteilen vom 11. Februar 1988 IV R 223/85 (BFH/NV 1988, 737) und vom 2. Oktober 2003 IV R 48/01 (BFHE 204, 80, BStBl II 2004, 363) liegt nicht vor.
a) In den vermeintlichen Divergenzentscheidungen gibt der BFH seine in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätze zur Trennbarkeit von Tätigkeiten und zur Qualifikation gemischter Tätigkeiten wieder. Übt ein Steuerpflichtiger sowohl eine freiberufliche als auch eine gewerbliche Tätigkeit aus, so sind die Tätigkeiten zu trennen, sofern dies nach der Verkehrsauffassung möglich ist. Das gilt auch dann, wenn sachliche und wirtschaftliche Bezugspunkte zwischen den verschiedenen Tätigkeiten bestehen. Sind allerdings bei einer Tätigkeit beide Tätigkeitsarten derart miteinander verflochten, dass sie sich gegenseitig unlösbar bedingen, so liegt eine einheitliche Tätigkeit (gemischte Tätigkeit ohne Trennungsmöglichkeit) vor, die steuerlich danach zu qualifizieren ist, ob das freiberufliche oder das gewerbliche Element vorherrscht (BFH-Urteile vom 24. April 1997 IV R 60/95, BFHE 183, 150, BStBl II 1997, 567; vom 10. Juni 2008 VIII R 101/04, BFH/NV 2008, 1824; vom 8. Oktober 2008 VIII R 53/07, BFH/NV 2009, 80).
b) Das FG hat im angegriffenen Urteil weder ausdrücklich noch konkludent einen Rechtssatz aufgestellt, der diesen höchstrichterlichen Maßstäben widerspricht. Insbesondere liegt dem Urteil nicht die in der Beschwerdeschrift dargestellte Auffassung zugrunde, bei einer von einer natürlichen Person entfalteten Tätigkeit mit gewerblichen und freiberuflichen Elementen müsse die Gesamttätigkeit immer getrennt beurteilt werden, eine Trennung habe also stets stattzufinden und nicht nur regelmäßigdann, sofern dies nach der Verkehrsauffassung möglich sei.
aa) Der Beschwerde ist allerdings zuzugeben, dass sich das FG nicht explizit mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Trennbarkeit von Tätigkeiten auseinandergesetzt hat. Dies stellt für sich genommen aber weder eine Abweichung im Rechtsgrundsätzlichen noch überhaupt einen Rechtsanwendungsfehler dar. Vorliegend hat das FG bei der ihm obliegenden Tatsachenfeststellung die einzelnen Umstände des Streitfalles dahin gewürdigt, dass die planmäßige Erfindertätigkeit (Entwicklung und technische Verbesserung des Prüfgeräts, Erwerb des noch nicht erteilten Patents und dessen Verwertung) im Jahr 1987 nicht aufgegeben, sondern fortgesetzt und allein der "Geschäftsbereich" der Herstellung des aufgrund des Patents zu produzierenden Apparats aufgegeben wurde. Damit hat das FG zwar in tatsächlicher Hinsicht offenkundig die eigentliche Erfindertätigkeit und die Produktion des aus der Erfindung hervorgegangenen technischen Instruments als trennbare Einzelaktivitäten betrachtet, ohne indes in rechtlicher Hinsicht die Auffassung zu vertreten, dass derart zusammenhängende Tätigkeiten einer einzigen natürlichen Person immer getrennt zu beurteilen seien.
bb) In Bezug auf die vermeintliche Divergenzentscheidung des BFH in BFH/NV 1988, 737, die sich ebenfalls mit der Erfindertätigkeit einer natürlichen Person (Einzelunternehmer) befasst, ist eine konkludente Abweichung des FG nicht gegeben. Denn die jeweiligen Sachverhalte unterscheiden sich erheblich. Während der BFH in jenem Verfahren von einer Tätigkeitsverflechtung ausging, weil die Anregung zu der technischen Neuerung und deren weitere Entwicklung (Erfindertätigkeit) aus dem laufenden Betrieb eines bereits bestehenden Produktionsunternehmens hervorging und die entwickelte Erfindung gerade auch das Herstellungsverfahren im Betrieb verbessert hatte, so dass auch die zusätzlich erfolgte Lizenzgewährung an einen Dritten als betrieblicher Vorgang zu bewerten war, gab der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) im Streitfall nach den tatsächlichen Feststellungen des FG das Gewerbe "Prüfgerätebau" --im Sinne eines Strukturwandels-- auf, beendete die eigentliche wissenschaftliche Erfindertätigkeit aber nicht, wodurch die Verflechtung mit einem (fort-) bestehenden Produktionsbetrieb aufgehoben wurde.
Soweit in der Beschwerdeschrift in diesem Zusammenhang sinngemäß vorgetragen wird, die Tätigkeit (oder der Betrieb) sei insgesamt eingestellt worden und auch die Ingenieurtätigkeiten (Neuentwicklungen, Weiterentwicklungen) seien fortan von der zuvor neu gegründeten Produktions-GmbH ausgeübt worden, kann damit die Zulassung der Revision wegen Divergenz nicht erreicht werden. Denn die Kläger greifen mit diesen Ausführungen die tatsächlichen Feststellungen des FG sowie deren tatrichterliche Würdigung als unzutreffend an und stellen damit die materielle Rechtmäßigkeit des Urteils in Frage. Das Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient aber nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17. Januar 2006 VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799, m.w.N.; vom 24. Juli 2008 VIII B 181/07, BFH/NV 2008, 2007).
Fundstellen
Haufe-Index 2136757 |
BFH/NV 2009, 758 |