Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Nichtzulassungsbeschwerde bei kumulativer Urteilsbegründung; überlange Verfahrensdauer
Leitsatz (NV)
1. Hat das FG sein Urteil auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt, so muss wegen jeder der Urteilsbegründungen ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden.
2. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG müssen für eine überlange Verfahrensdauer Umstände vorgetragen werden, die der Finanzverwaltung oder dem FG angelastet werden können und die Dauer des Verfahrens als unverständlich und nicht gerechtfertigt erscheinen lassen.
3. Eine durch überlange Verfahrensdauer bedingte Unmöglichkeit der Sachaufklärung wirkt sich zugunsten einer Partei nur dann aus, wenn diese auf eine Beschleunigung gedrungen hat.
Normenkette
GG Art. 19 Abs. 4; FGO § 115 Abs. 2, § 116 Abs. 3
Verfahrensgang
Sächsisches FG (Urteil vom 19.03.2007; Aktenzeichen 3 K 2021/03) |
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Gegen die Entscheidung des Finanzgerichts (FG), die geltend gemachten Zahlungen an die A-AG nicht als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes) abzuziehen, ist keine Revision möglich.
1. Die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die Tatsachen, die eine betriebliche Veranlassung und damit die Annahme einer Betriebsausgabe dem Grunde und der Höhe nach rechtfertigen, trifft die Kläger und Beschwerdeführer --Kläger-- (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. Juli 1983 VII R 43/80, BFHE 138, 527, BStBl II 1983, 760, und vom 21. August 1985 I R 73/82, BFHE 145, 316, BStBl II 1986, 250). Dies gilt umso mehr für Auslandssachverhalte, in denen der Steuerpflichtige in erhöhtem Maße zur Erbringung von Nachweisen und Vorlage von Beweismitteln verpflichtet ist (§ 76 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- i.V.m. § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung).
2. Das FG hat in seinem Urteil den Betriebsausgabenabzug der in Rechnung gestellten Beratungsleistungen der A-AG aus zwei Gründen abgelehnt: Zum Ersten hätten die Kläger nicht in ausreichendem Maß nachgewiesen, dass die A-AG, die nach Auskunft des Bundesamts für Finanzen eine Domizilgesellschaft sei, Beratungsleistungen an das Einzelunternehmen des Klägers erbracht habe. Zum Zweiten fehle es an der finanzgerichtlichen Überzeugung, dass den in Rechnung gestellten Beträgen tatsächlich eine wirtschaftliche Leistung zugrunde gelegen habe.
3. Hat das FG sein Urteil kumulativ begründet, d.h. auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt, so muss wegen jeder der Urteilsbegründungen ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden und vorliegen (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 28, m.w.N. aus der BFH-Rechtsprechung).
4. Obwohl das FG in seinem Urteil unter 1.1. zunächst prüft, ob die A-AG Beratungsleistungen erbracht hat, sind die im Anschluss daran unter 1.2. dargelegten Erwägungen zur Frage, ob tatsächlich wirtschaftliche Leistungen den in Rechnung gestellten Beträgen zugrunde gelegen haben, schwerwiegender und damit vorrangig zu überprüfen.
Das FG begründet seine diesbezüglichen Zweifel damit, dass sich die zur Eigenanalyse vorgelegten monatlichen Zahlenanalysen lediglich als Zusammenfassung einzelner vom inländischen Steuerberater der Kläger zur Verfügung gestellter Daten erwiesen hätten; Beratungsleistungen seien dadurch nicht erbracht worden. Es sei zudem realitätsfremd anzunehmen, dass für derart standardisierte Auswertungen --selbst wenn sie durch fernmündliche Erörterungen ergänzt worden seien-- Zahlungen in Höhe von 85 725 DM aufzubringen gewesen seien. Die erst von den Klägern mit Schriftsatz vom 15. März 2007 vorgetragenen konkreten Beratungsleistungen, die durch die Vorlage der Schreiben vom 28. Februar 1992, 29. März 1993 und 16. Mai 1994 dokumentiert wurden, reichten nach Auffassung des FG nicht aus, den wirtschaftlichen Gehalt der in Rechnung gestellten Leistungen zu begründen.
a) Die Kläger haben den von ihnen gerügten Verstoß des FG gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) nicht in der gebotenen Weise dargelegt. Die formgerechte Rüge mangelnder Sachaufklärung durch Nichterhebung angebotener Beweise setzt voraus, dass die Kläger die ermittlungsbedürftigen Tatsachen (Beweisthemen), die angebotenen Beweismittel, die genauen Fundstellen (Schriftsatz oder Terminsprotokoll, in denen die Beweismittel benannt worden sind, die das FG nicht erhoben hat), das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme, inwieweit das Urteil des FG aufgrund dessen sachlich-rechtlicher Auffassung auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann, zur Begründung darlegen und ausführen, dass --sofern die Voraussetzungen des § 295 der Zivilprozessordnung gegeben sind-- bei nächster sich bietender Gelegenheit die Nichterhebung der Beweise gerügt worden ist oder dass die Absicht des FG, die angebotenen Beweise nicht zu erheben, nicht rechtzeitig erkennbar war, um dies noch vor dem FG rügen zu können (Senatsbeschluss vom 17. Februar 2004 X B 142/03, nicht veröffentlicht). Diesen Erfordernissen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die gegen die Begründung des FG vorgebrachten Einwände der Kläger beziehen sich auf die Frage, inwieweit die Leistungsentgelte angemessen gewesen seien und ob für die Aufteilung in einen angemessenen und in einen unangemessenen Teil der Vergütung die Einholung eines Sachverständigengutachtens notwendig gewesen sei. Dabei übersehen die Kläger aber, dass das FG aufgrund seiner Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gekommen ist, dass es von dem tatsächlichen Zugrundeliegen einer wirtschaftlichen Leistung der A-AG bzw. dem dahinter als Anteilseigner stehenden W insgesamtnicht überzeugt war, so dass es auf die Frage der Aufteilung in einen angemessenen und unangemessenen Teil der Vergütung überhaupt nicht mehr ankam.
b) Sollte das Vorbringen der Kläger so zu interpretieren sein, dass sie die fehlerhafte Beweiswürdigung durch das FG rügen, machen sie keinen Verfahrensfehler geltend, sondern greifen die materiell-rechtliche Auffassung des FG an. Die Grundsätze der Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und deshalb der Prüfung des BFH im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde entzogen (s. hierzu z.B. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz 76 und 82, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Zudem widerspricht die Schlussfolgerung des FG, eine tatsächliche Leistungserbringung habe den Zahlungen an die A-AG nicht zugrunde gelegen, weder Denkgesetzen noch Erfahrungssätzen, sie ist möglich und rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.
c) Darüber hinaus haben die Kläger auch nicht im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes eine dem FG anzulastende überlange Verfahrensdauer schlüssig dargelegt. Hierzu müssten Umstände vorgetragen werden, die der Finanzverwaltung oder dem FG angelastet werden könnten und die Dauer des Verfahrens als unverständlich und nicht gerechtfertigt erscheinen ließen (BFH-Beschluss vom 17. Januar 2006 VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799). Bereits am Vortrag der beanstandeten Verfahrensdauer fehlt es. Das konkrete Streitverfahren beruhte auf einer Klage gegen die Einspruchsentscheidung vom 23. Juli 2003, die am 21. August 2003 von den Klägern erhoben und am 29. Juli 2004 begründet wurde. Die Kläger haben keine Umstände dargelegt, weshalb das FG dieses Klageverfahren, das einen umfangreichen Prüfungsstoff zum Gegenstand hatte, mit dem Urteil vom 19. März 2007 erst in unangemessener langer Zeit entschieden habe. Darüber hinaus wirkte sich eine durch überlange Verfahrensdauer bedingte Unmöglichkeit der Sachaufklärung zugunsten der Kläger nur dann aus, wenn diese auf eine Beschleunigung gedrungen hätten (Gräber/Ruban, a.a.O., Vor § 76 Rz 8, m.w.N. aus der BFH-Rechtsprechung). Ein solches Bemühen der Kläger ist den Akten jedoch nicht zu entnehmen.
Der Beschwerdeführer muss zudem für eine zulässige Verfahrensrüge darlegen, dass es bei einer kürzeren Verfahrensdauer zu einer anderen Entscheidung hätte kommen können (BFH-Beschluss vom 10. Juli 2002 X B 170/00, BFH/NV 2002, 1481, m.w.N.). Die Kläger tragen zwar vor, dass es dem Zeugen W möglich gewesen wäre, sich zu erinnern, wenn Vorverfahren und Klageverfahren nicht acht Jahre gedauert hätten, nunmehr aber der seit Jahren gesundheitlich angegriffene und im Ruhestand lebende Zeuge W die Unterlagen bereits vor Jahren vernichtet habe und sich nicht mehr an die Vorfälle mit der notwendigen Sicherheit erinnern könne. Zum einen liegt hierin ein neuer Tatsachenvortrag, der in der Revisionsinstanz keine Berücksichtigung findet (BFH-Entscheidungen vom 20. Mai 1969 II 25/61, BFHE 96, 129, BStBl II 1969, 550; vom 23. Juli 1981 IV R 156/76, BFHE 133, 421, BStBl II 1981, 672). Zum anderen steht dieser Vortrag im Widerspruch zu dem Schreiben der Prozessvertreter der Kläger vom 7. Februar 2007, in dem sie ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Aussage des Zeugen W als essentiell erachtet werde und wegen einer kurzfristigen Verhinderung des Zeugen aufgrund unvorhergesehener Umstände um eine Terminverschiebung gebeten wird. Ein Hinweis, dass der Zeuge Schwierigkeiten habe, sich zu erinnern, fehlt demgegenüber. Das Argument der überlangen Verfahrensdauer kann damit auch nicht zum Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde führen.
5. Da das Urteil des FG auf zwei selbständig tragende Begründungen gestützt ist und eine Begründung --wie gerade dargelegt-- nicht erfolgreich mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffen werden kann, ist es unerheblich, ob und inwieweit die zweite Begründung des FG durch Verfahrens- oder sonstige Fehler beeinflusst war, da das Urteil nicht auf diesen Mängeln beruht (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O. § 115 Rz 97, m.w.N. aus der BFH-Rechtsprechung). Deshalb kann es dahinstehen, ob die von den Klägern in Bezug auf diesen Teil der Urteilsbegründung geltend gemachten Verfahrensmängel,
- die Überzeugungsbildung des FG sei nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens abgeleitet,
- es läge eine Aktenwidrigkeit des gewürdigten Sachverhaltes vor,
- das Gericht habe ohne eigene Sachkunde als Schriftexperte gehandelt sowie
- es läge eine Überraschungsentscheidung vor, da die Echtheit der Unterschriften nie in Frage gestanden habe,
den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 FGO entsprechen bzw. überhaupt vorliegen. Aus den selben Gründen ist auch das Vorbringen der Kläger, dem FG sei bei der Zurechnung des Handeln des Zeugen W ein Fehler von Gewicht unterlaufen, der geeignet gewesen sei, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu schädigen, unerheblich.
Fundstellen