Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Rückstellungen bei nachträglichen Änderungswünschen für ordnungsgemäß erbrachten Leistungen
Leitsatz (NV)
Eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeit ist nicht für solche Arbeiten zu bilden, die nach ordnungsgemäß erbrachten Leistungen zusätzlich erfolgen, um nachträgliche Änderungswünsche der Auftraggeber zu erfüllen. Insoweit handelt es sich um zukunftsbezogene Arbeiten, zu denen der Auftragnehmer nicht verpflichtet ist.
Normenkette
EStG § 5; FGO § 142; ZPO § 115
Tatbestand
Der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) ist selbständiger Diplom-Ingenieur. In den Streitjahren (1992 bis 1995) unterhielt er ein Ingenieurbüro für Beratung, Planung und Bauleitung im Bereich des Straßenbaus, Lärmschutzes, Wasserbaus und des städtischen Tiefbaus. Er war ganz überwiegend für öffentliche Auftraggeber tätig. Seinen Gewinn ermittelte er nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes.
Der Beklagte (das Finanzamt ―FA―) löste nach einer Außenprüfung eine vom Kläger im Jahr 1991 gebildete "Garantierückstellung" in Höhe von 75 000 DM auf und erkannte neue Rückstellungen für Garantie- und Kulanzleistungen sowie Anzahlungen in Höhe von 120 000 DM (1992), 180 000 DM (1993), 155 000 DM (1994) und 90 000 DM (1995) nicht an. Dagegen wandte sich der Kläger mit der Klage. Im Klageverfahren waren außerdem weitere, nicht näher bezifferte Betriebsausgaben streitig.
Mit Beschluss vom 11. Mai 1999 lehnte das Finanzgericht (FG) den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) ab. Es nahm dabei auf den am gleichen Tag ergangenen Beschluss in der Sache … Bezug, mit dem es einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide mangels ernstlicher Zweifel zurückgewiesen hatte. Aus den dort genannten Gründen habe die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Mit der Beschwerde macht der Kläger die Verletzung materiellen Rechts geltend.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung erhält ein Prozessbeteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Im Streitfall bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung bei der gebotenen summarischen Prüfung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Kläger macht mit der Beschwerde selbst nicht mehr geltend, dass die Voraussetzung für die zunächst von ihm gebildeten Garantierückstellungen in den Streitjahren vorgelegen hätten. Allerdings ist eine Rückstellung auch für eine ungewisse Verbindlichkeit zu bilden, wenn eine Verbindlichkeit besteht, diese im abgelaufenen Wirtschaftsjahr wirtschaftlich verursacht ist und sie nach den Verhältnissen am Stichtag wahrscheinlich geltend gemacht werden wird (vgl. Senatsurteil vom 4. Februar 1999 IV R 54/97, BFHE 187, 418, BFH/NV BFH/R 1999, 1029, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1999, 472). Der Kläger hat indessen nicht dargelegt, dass diese Voraussetzungen erfüllt waren. Er räumt selbst ein, dass die von ihm gebildeten Rückstellungen nur Leistungen betreffen, in denen seine Auftraggeber nach ordnungsgemäßem Abschluss der vertraglich festgelegten Leistungen mit nachträglichen Änderungswünschen an ihn herangetreten seien. Es handelt sich also nicht um Leistungen, die der Kläger aufgrund der abgeschlossenen Verträge schuldete, sondern um zukunftsbezogene Arbeiten, zu denen der Kläger nicht verpflichtet war. Wie der Kläger nunmehr betont, handelt es sich um Kulanzleistungen. Auch wenn er sich diesen nicht entziehen konnte, so muss doch feststehen, dass sie wirtschaftlich im abgelaufenen Wirtschaftsjahr verursacht waren. Sie lassen sich mit Serviceleistungen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. Dezember 1992 XI R 34/91, BFHE 170, 149, BStBl II 1994, 158) vergleichen, die nach ordnungsgemäßer Abwicklung von Verträgen anfallen. Das FA konnte daher darauf abstellen, dass der Kläger die notwendigen Belege und Unterlagen für eine höhere Rückstellung als die bereits zum Stichtag anerkannte Pauschalrückstellung nicht beigebracht hatte. Auch R 31c Abs. 12 des Amtlichen Einkommensteuer-Handbuches 1998 setzt bei einer Rückstellung für sog. Kulanzleistungen voraus, dass es sich um Fälle der Gewährleistung handelt. Der Kläger gibt aber im Beschwerdeverfahren nicht an, inwieweit die von ihm gebildeten Rückstellungen tatsächlich auf echte Garantieleistungen und bereits erbrachte Anzahlungen entfallen.
Unter diesen Umständen ist nicht mehr zu prüfen, ob der Kläger nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der beabsichtigten Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann.
Fundstellen
Haufe-Index 425019 |
BFH/NV 2000, 711 |