Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung; Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit; Zulässigkeit von Vorbehaltsfestsetzungen im Investitionszulagenrecht
Leitsatz (NV)
- Nach § 164 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 können Steuern, solange die Steuerfestsetzung nicht abschließend geprüft worden ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne daß dies einer Begründung bedarf. § 164 AO 1977 ist auf die Festsetzung der Investitionszulage sinngemäß anwendbar.
- Für die Anwendung der Regelung genügt es, daß der Fall noch nicht abschließend geprüft worden ist und im Zeitpunkt der Festsetzung auch nicht bereits feststeht, daß eine abschließende Prüfung nicht mehr stattfinden wird. Der Vorbehaltsvermerk erfaßt ‐ anders als der Vorläufigkeitsvermerk ‐ stets den gesamten Bescheid, so daß eine Angabe zum Umfang des Vorbehaltes nicht in Betracht kommt.
Normenkette
AO 1977 § 155 Abs. 6, § 164 Abs. 1 S. 1, § 165 Abs. 1 S. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3; GmbHG § 15 Abs. 3, 4 S. 1; InvZulG 1993 § 5 Abs. 2 Nr. 1c, § 7 Abs. 1 S. 1
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Sie war durch Beschluß zu verwerfen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Die Beschwerde hat eine grundsätzliche Bedeutung hinsichtlich der drei aufgeworfenen Rechtsfragen lediglich behauptet, indes nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen hinreichend substantiiert dargetan (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln. Zur Begründung des allgemeinen Interesses reicht der Vortrag nicht aus, die Rechtsfrage sei bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden. Ebensowenig wird ein Zulassungsgrund durch den Einwand dargetan, das Finanzgericht (FG) habe im konkreten Fall das Recht unzutreffend angewendet (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 12. März 1998 III B 22/97, BFH/NV 1998, 1528, unter Ziff. 1 der Gründe, m.umf.N.).
b) Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht, soweit die Beschwerde die Zulässigkeit des Vorbehaltsvermerks nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) im Investitionszulagenerstbescheid vom 15. Juli 1994 unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Übermaßverbotes in Zweifel zieht und dementsprechend eine Rechtsgrundlage für den geänderten Investitionszulagenbescheid vom 10. Juli 1996 verneint.
Nach § 164 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 können Steuern, solange die Steuerfestsetzung nicht abschließend geprüft worden ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne daß dies einer Begründung bedarf. Das Gesetz überläßt es in diesem Rahmen der Finanzbehörde, ob sie einen Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehen lassen will (vgl. BFH-Urteil vom 15. Dezember 1992 VIII R 52/91, BFH/NV 1993, 684, 686, m.umf.N.). § 164 AO 1977 ist auf die Festsetzung der Investitionszulage gemäß § 155 Abs. 6 AO 1977 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1993 sinngemäß anzuwenden. Für die Anwendung dieser Regelung genügt es jedenfalls, daß der Fall noch nicht abschließend geprüft worden ist und im Zeitpunkt der Festsetzung nicht bereits feststeht, daß eine abschließende Prüfung nicht mehr stattfinden wird (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 164 AO 1977 Tz. 9 sowie Tz. 1 zur Gesetzesbegründung dieser Änderungsvorschrift). Im übrigen erfaßt der Vorbehaltsvermerk ―anders als der Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO 1977― stets den gesamten Bescheid, so daß eine Angabe zum Umfang des Vorbehaltes nicht in Betracht kommt (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 164 AO 1977 Tz. 10, 14, 15 und § 165 AO 1977 Tz. 2; Rüsken/Klein, Abgabenordnung, 6. Aufl., § 164 Anm. 1 und 2).
Ungeachtet dessen formuliert die Beschwerde bereits keine bestimmte, im Allgemeininteresse klärungsbedürftige Rechtsfrage. Letztlich wendet sich der Prozeßbevollmächtigte gegen die materiell-rechtliche Unrichtigkeit des FG-Urteils, was jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann (vgl. hierzu z.B. Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Anm. 58, m.w.N.).
2. Soweit die Beschwerde die Frage aufwirft, wann ein "schlechthin untragbares Ergebnis" vorliege, mit der Folge, daß eine nicht in notarieller Form getroffene Vereinbarung, durch welche die Verpflichtung eines Gesellschafters zur Abtretung eines Geschäftsanteils begründet werde (vgl. § 15 Abs. 4 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung ―GmbHG―), ausnahmsweise formlos wirksam sei, fehlt es ebenfalls an der ausreichenden Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage. Mit der bloßen Behauptung, zu der konkreten Rechtsfrage gebe es noch keine höchstrichterliche Entscheidung, wird, wie ausgeführt, noch keine grundsätzliche Bedeutung dargelegt (vgl. auch BFH-Beschluß vom 20. Februar 1997 III B 98/96, BFHE 182, 234, BStBl II 1997, 360, unter Ziff. 2 der Gründe, ständige Rechtsprechung).
3. Schließlich ist die grundsätzliche Bedeutung auch nicht hinsichtlich der Frage hinreichend dargetan, was der Gesetzgeber mit "unmittelbar … zuzurechnen" in den Fällen meine, in denen verdeckte Fremdbeteiligung ausgeschlossen sei und es nicht um Neubegründung von Geschäftsanteilen gehe, sondern nur die rein rechnerische Umverteilung des Stammkapitals bei gleichbleibendem Personenkreis der Gesellschafter relevant sei.
Weder mit dem Hinweis auf eine insoweit ausdrücklich klarstellende höchstrichterliche Entscheidung noch mit der Behauptung, eine Klärung sei im Interesse der Rechtssicherheit von grundlegender Bedeutung, wird, wie ausgeführt, eine im Allgemeininteresse klärungsbedürftige Rechtsfrage bezeichnet.
4. Die Klägerin hat es zudem unterlassen, die Klärungsfähigkeit der unter Ziff. 2 und 3 aufgeworfenen Rechtsfragen in einem künftigen Revisionsverfahren schlüssig darzulegen. In dem notariellen Vertrag vom 30. November 1993 heißt es nämlich ausdrücklich, daß der Anteil von Herrn X erst zu diesem Zeitpunkt geteilt worden ist und dieser je einen Anteil von 1 000 DM "ab heute" auf die beiden anderen Gesellschafter überträgt.
Von einer weiteren Begründung sieht der erkennende Senat nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.
Fundstellen