Entscheidungsstichwort (Thema)
Angriffe gegen die Vertragsauslegung seitens des FG; gesetzlicher Richter; Verstoß gegen § 96 Abs. 1 FGO
Leitsatz (NV)
1. Angriffe gegen die Vertragsauslegung seitens des FG wie auch die Würdigung der dem Vertragsschluss zugrunde liegenden Gesamtumstände können die Revisionszulassung nicht rechtfertigen.
2. Das Recht auf den gesetzlichen Richter ist nicht verletzt, wenn in dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts für das laufende Geschäftsjahr bereits anhängige Sachen einem anderen Spruchkörper zugewiesen werden als dem, bei dem sie im Zeitpunkt ihres Eingangs anhängig geworden sind.
3. Davon, dass das FG die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und erwogen hat, kann grundsätzlich ausgegangen werden, sofern nicht besondere Umstände des konkreten Falls auf einen diesbezüglichen Verstoß gegen § 96 Abs. 1 FGO hindeuten.
Normenkette
FGO § 96 Abs. 1-2, § 105 Abs. 2 Nr. 5, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3; GVG § 21e Abs. 1; EStG § 24 Nr. 1 Buchst. a; VermG § 7 Abs. 7 S. 2
Verfahrensgang
FG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 12.11.2007; Aktenzeichen 5 K 2320/04 B) |
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) gerügte Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative der Finanzgerichtsordnung --FGO--) besteht nicht. Das Urteil vom 11. Januar 2005 IX R 66/03 (BFHE 209, 87, BStBl II 2005, 480) betrifft die Steuerpflicht von seiten des Restitutionsberechtigten gemäß § 7 Abs. 7 Satz 2 des Vermögensgesetzes (VermG) erlangten Mietentgelten nach § 24 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Im vorliegenden Verfahren ist über die Behandlung einer vom potentiell Restitutionsverpflichteten geleisteten Vergleichssumme bei diesem zu befinden. Es handelt sich insoweit um unterschiedliche Sachverhalte.
Eine Divergenz besteht auch nicht zum Urteil des BFH vom 11. Januar 2005 IX R 50/03 (BFHE 209, 83, BStBl II 2005, 456), in dem der BFH --nach Rückübertragung eines vermieteten Grundstücks-- über die Abziehbarkeit von Zahlungen gemäß § 7 Abs. 7 VermG bei den Einkünften aus der Vermietung und Verpachtung entschied. Demgegenüber betrifft der Streitfall die Frage der Zuordnung des Entgelts für den Verzicht auf einen Restitutionsanspruch (auf Herausgabe des vermieteten Grundstücks) entweder zur Aufrechterhaltung der vermieteten Vermögenssubstanz oder zur Sicherung der Einkünfteerzielung durch die Vermietungstätigkeit. Es handelt sich auch insoweit nicht um vergleichbare Fallgestaltungen.
Soweit sich die Klägerin dagegen wendet, dass das Finanzgericht (FG) die streitbefangene Vergleichssumme als Entgelt dafür begreift, dass der Berechtigte auf den Restitutionsanspruch verzichtet hat und damit das Grundstück bei der Klägerin verblieb, wendet sie sich gegen die Würdigung des Vergleichsvertrags durch das FG im Einzelfall. Derartige Angriffe gegen die Vertragsauslegung seitens des FG wie auch die Würdigung der dem Vertragsschluss zugrunde liegenden Gesamtumstände können die Revisionszulassung nicht rechtfertigen (BFH-Beschluss vom 27. April 2007 VIII B 250/05, BFH/NV 2007, 1675). Von einem sog. qualifizierten oder gravierenden Rechtsanwendungsfehler (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Januar 2006 VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799, m.w.N.) ist schon deshalb nicht auszugehen, weil der von der Klägerin als für ihre Motivation vorrangig erachtete Anspruch aus § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG, wie sie selbst vorträgt, abhängig ist von dem Restitutionsanspruch auf Rückgabe des Grundstücks, über den vorrangig zu entscheiden ist.
Da im Streitfall über die Auslegung eines Vergleichsvertrags im Einzelfall zu befinden ist, kommt der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
2. Auch die geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegen nicht vor.
a) Zutreffend verweist der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) darauf, dass nach dem Umzug des FG Berlin von Berlin nach Cottbus zum 1. Januar 2007 ein Wechsel der Senatszuständigkeit erforderlich wurde, so dass ein neues Präsidium ab 1. Januar 2007 die Geschäfte gemäß § 21e Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes i.V.m. § 4 FGO zu verteilen hatte. Maßgebend für die Ordnungsmäßigkeit der Besetzung des erkennenden Gerichts ist der für den Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung geltende Geschäftsverteilungsplan (BFH-Beschluss vom 14. November 1995 VIII R 84/93, VIII R 1/94, BFH/NV 1996, 416; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 4 Rz 26). Das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes --GG--) ist nicht verletzt, wenn in dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts für das laufende Geschäftsjahr bereits anhängige Sachen einem anderen Spruchkörper zugewiesen werden als dem, bei dem sie im Zeitpunkt ihres Eingangs anhängig geworden sind (BFH-Urteil vom 14. November 1995 VIII R 3-5/95, BFH/NV 1996, 481).
b) Das finanzgerichtliche Urteil leidet auch nicht an einem Begründungsmangel (§ 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO). Vielmehr setzt es sich in der Sache durchaus mit der von der Klägerin hervorgehobenen Regelung des § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG und ihrem Vortrag auseinander, wonach es ausschließlich darum gegangen sei, die bislang erzielten Einkünfte behalten zu dürfen und weiterhin mit dem fraglichen Grundstück Einkünfte zu erzielen. Das FG erachtet lediglich der Sache nach den Vortrag der Klägerin für irrelevant und stellt auf die Veranlassung durch die Abwehr des Restitutionsanspruchs ab.
c) Auch ein Verstoß gegen den Inhalt der Akten (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) liegt nicht vor. Davon, dass das FG die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und erwogen hat, kann grundsätzlich ausgegangen werden, sofern nicht besondere Umstände des konkreten Falls auf einen diesbezüglichen Verstoß gegen § 96 Abs. 1 FGO hindeuten (BFH-Urteil vom 5. Oktober 1999 VII R 25/98, BFH/NV 2000, 235, unter 1.). Anhaltspunkte dafür, dass das FG den Vortrag der Klägerin, dass es ihr um die extrem hohen Folgekosten und nicht um die Restitution als solche gegangen sei, nicht zur Kenntnis genommen und erwogen hätte, sind nicht ersichtlich. Vielmehr beurteilt das FG den diesen Folgekosten vorgreiflichen Restitutionsanspruch für maßgeblich. Insoweit wendet sich die Klägerin lediglich gegen die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des FG.
d) Auch liegt keine unzulässige Überraschungsentscheidung (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 GG) vor. Eine solche Verletzung des rechtlichen Gehörs würde verlangen, dass das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hätte, mit der auch ein kundiger Prozessbeteiligter unter Berücksichtigung vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen musste (vgl. BFH-Beschluss vom 2. November 2006 VIII B 64/06, BFH/NV 2007, 262). Hiergegen spricht im Streitfall schon, dass die Klägerin zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung seitens des FG auf die BFH-Urteile vom 17. April 2007 IX R 56/06 (BFHE 216, 53, BStBl II 2007, 959); vom 19. Dezember 2000 IX R 66/97 (BFH/NV 2001, 769) und vom 9. September 1997 IX R 75/94 (BFH/NV 1998, 310) hingewiesen wurde. Danach musste der Klägerin klar sein, dass das FG ggf. auf den im Raum stehenden Rückgewähranspruch abstellen könnte.
Fundstellen