Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis der Berechtigung zur Vertretung einer GbR
Leitsatz (NV)
- Steht nach dem Gesellschaftsvertrag die Vertretung einer GbR allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu, bedarf es zum Nachweis der Bevollmächtigung einer von allen Gesellschaftern unterschriebenen Prozessvollmacht.
- Bestehen Zweifel an der Bevollmächtigung der als Vertreter auftretenden Person, ist die Bevollmächtigung auch einer Person im Sinne des § 62 Abs. 3 Satz 6 FGO durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen.
- Zweifel an der Bevollmächtigung können vorliegen, wenn ein im Klageverfahren noch nicht aufgetretener Berater dem Gericht eine unzureichende, nur von einem Gesellschafter unterzeichnete Vollmacht vorgelegt hat und auch nach Hinweis und Fristsetzung durch das Gericht eine von allen gemeinschaftlich zur Geschäftsführung berufenen Gesellschaftern erteilte Vollmacht nicht beibringt.
Normenkette
FGO § 62 Abs. 3 Sätze 1, 6
Tatbestand
I. An der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), einer GbR, sind als Gesellschafter die A-GmbH i.L. ―GmbH I―, die B-GmbH i.L. ―GmbH II― sowie der Notar Dr. S beteiligt. Nach dem Gesellschaftsvertrag der Klägerin vom 14. Juni 1995 steht die Führung der Geschäfte der Gesellschaft und die Vertretung allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu (§ 6 Abs. 1).
Die Klägerin hat gegen eine Grunderwerbsteuerfestsetzung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt ―FA―) Klage erhoben.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen.
Wegen der Nichtzulassung der Revision erhob für die Klägerin am 9. April 2001 zunächst Steuerberater B (B) Beschwerde. Zum Nachweis seiner Vertretungsmacht legte er eine von der C-GmbH (GmbH III) ausgestellte Vollmacht vor und erklärte auf Nachfrage des Gerichts, die GmbH III habe die Klägerin "ursprünglich" vertreten. Später legte er noch eine von den Geschäftsführern der GmbH I und II unterzeichnete Vollmacht vor. Dieses Beschwerdeverfahren wird unter dem Aktenzeichen II B 44/01 geführt.
Am 11. April 2001 legte für die Klägerin auch Rechtsanwalt und Steuerberater K (K) beim Bundesfinanzhof (BFH) Beschwerde ein. Mit Schreiben der Geschäftsstelle vom 18. April 2001 wurde K darauf hingewiesen, dass für die Klägerin bereits von einem anderen Bevollmächtigten Beschwerde eingelegt worden sei, und gebeten, unter Vorlage einer Prozessvollmacht mitzuteilen, welcher Prozessbevollmächtigte das Verfahren betreiben solle. Daraufhin teilte K unter Vorlage einer nur von Dr. S unterzeichneten Prozessvollmacht mit, er habe die alleinige Prozessvertretung des Klägerin übernommen.
Mit Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 13. Juni 2002 wurde K mitgeteilt, dass die nur von Dr. S unterschriebene Vollmacht nicht geeignet sei, die Bevollmächtigung durch die Klägerin nachzuweisen. Hierzu bedürfe es der gemeinschaftlichen Vollmachtserteilung durch alle Gesellschafter. Ferner erging erneut der Hinweis auf die doppelte Anhängigkeit der Streitsache sowie die Aufforderung, bis zum 15. Juli 2002 die ordnungsgemäße Bevollmächtigung durch die Klägerin nachzuweisen und eine Erklärung abzugeben, wie hinsichtlich der doppelten Anhängigkeit weiter verfahren werden solle.
K hat innerhalb der Frist keine weiteren Erklärungen abgegeben.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig, da die Bevollmächtigung des namens der Klägerin als Prozessbevollmächtigter aufgetretenen Rechtsanwalts und Steuerberaters K nicht durch Vorlage einer schriftlichen Vollmacht nachgewiesen worden ist (§ 62 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Die nur von Dr. S erteilte Vollmacht reicht ―worauf K bereits durch Schreiben vom 13. Juni 2002 hingewiesen wurde― nicht aus, die Bevollmächtigung durch die Klägerin nachzuweisen. Denn Dr. S war als Gesellschafter allein nicht berechtigt, die Klägerin zu vertreten. Nach dem Gesellschaftsvertrag steht die Vertretung der Klägerin allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu. Danach bedarf es zum Nachweis der Bevollmächtigung einer von allen Gesellschaftern unterschriebenen Prozessvollmacht. Diese hat K trotz Aufforderung und Fristsetzung nicht beigebracht. Die ―gemeinschaftlich mit Dr. S zur Vertretung der Klägerin befugten― Gesellschafterinnen GmbH I und II haben dem K bislang keine Vollmacht erteilt.
Zwar braucht das Gericht nach § 62 Abs. 3 Satz 6 FGO i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) den Mangel der Vollmacht nicht von Amts wegen zu berücksichtigen, soweit eine Person i.S. des § 3 Nrn. 1 und 3 des Steuerberatungsgesetzes auftritt. Im Rahmen des dem Gericht insoweit zustehenden Ermessens kann aber auf eine Vollmachtsvorlage insbesondere auch im Hinblick auf die Wahrung des Steuergeheimnisses nur dann verzichtet werden, wenn keine Zweifel an der Bevollmächtigung der als Vertreter auftretenden Person bestehen (BFH-Beschlüsse vom 20. Februar 2001 III R 35/00, BFH/NV 2001, 813, und vom 21. September 2001 III B 79/01, nicht veröffentlicht; vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 62 Rdnr. 44; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., Stand April 2002, § 62 FGO Rdnr. 32). Bestehen Zweifel, ist die Bevollmächtigung auch einer Person i.S. des § 62 Abs. 3 Satz 6 FGO durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen (§ 62 Abs. 3 Satz 1 FGO).
Im Streitfall bestehen Zweifel an der Bevollmächtigung des K durch die Klägerin. Denn K, der im Klageverfahren noch nicht für die Klägerin aufgetreten war und dem Gericht zunächst eine unzureichende Vollmacht vorgelegt hat, konnte auch nach Hinweis und Fristsetzung eine von allen gemeinschaftlich zur Geschäftsführung berufenen Gesellschaftern der Klägerin erteilte Vollmacht nicht beibringen. Zweifel ergeben sich auch aus der doppelten Anhängigkeit des Beschwerdeverfahrens, die trotz entsprechender Hinweise in beiden Verfahren nicht beseitigt wurde.
Die Kosten dieses Verfahrens sind dem als vollmachtlosem Vertreter zu behandelnden Rechtsanwalt und Steuerberater K aufzuerlegen (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 11. Juni 1997 VII R 73/96, BFH/NV 1997, 892).
Fundstellen