Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortfall des Rechtsschutzinteresses für Revision des FA nach Bescheidsänderung entsprechend dem FG-Urteil
Leitsatz (NV)
Das Rechtsschutzinteresse des FA für die von ihm eingelegte Revision entfällt, wenn es in einem vorbehaltlosen Änderungsbescheid die Steuer in der vom FG bestimmten Höhe festsetzt. Über einen Fortsetzungsfeststellungsantrag des Klägers kann in einem solchen Fall nicht entschieden werden.
Normenkette
FGO § 100 Abs. 1 S. 4; AO 1977 § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute, errichteten im Streitjahr (1983) ein Zweifamilienhaus. Dabei entstanden ihnen u.a. Aufwendungen für den Anschluß an die Wasserversorgung und an die Entwässerungsanlage.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) behandelte bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr diese Aufwendungen als Anschaffungskosten des Grund und Bodens und setzte die Einkommensteuer auf ... DM fest.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage bezüglich der bezeichneten Anschlußkosten statt. Es berücksichtigte sie bei den erhöhten Absetzungen nach § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) und erhöhte die negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von 12243 DM auf 12570 DM. Es setzte die Einkommensteuer auf ... DM herab.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.
Das FA beantragte zunächst, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Einkommensteuer für 1983 auf ... DM festzusetzen.
Mit dem während des Revisionsverfahrens erlassenen, auf § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Änderungsbescheid vom 17. Oktober 1991 setzte das FA die Einkommensteuer für 1983 auf ... DM fest. Dem legte es negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von 12570 DM und - wie bisher - Kinderfreibeträge für zwei Kinder zu je 432 DM zugrunde. Es erklärte den Bescheid für vorläufig hinsichtlich der Höhe des Grundfreibetrags, soweit Festsetzungsverjährung noch nicht eingetreten ist. In den Erläuterungen des Bescheids führte es u.a. aus, der Bescheid ändere den Bescheid in Gestalt des Finanzgerichts-Urteils vom 3.2.1988.
Trotz eines Hinweises des Senatsvorsitzenden haben die Kläger nicht beantragt, den Änderungsbescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen (§§ 68, 121, 123 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Kläger beantragen nunmehr sinngemäß, die Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Einkommensteuerbescheids für 1983 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Juli 1985 festzustellen.
Das Feststellungsinteresse leiten die Kläger aus der Gefahr ab, daß das FA künftig bei der Bemessung der erhöhten Absetzungen die Kosten für den Anschluß an die Wasserversorgung und die Kanalisation nicht berücksichtigen werde.
Das FA führt hierzu aus, dem Antrag der Kläger könne stattgegeben werden. Es sei ihm daran gelegen, die Rechtsfrage bereits für den Veranlagungszeitraum 1983 zu klären.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unzulässig. Das FA hat nach dem Erlaß des Änderungsbescheids vom 17. Oktober 1991 das Rechtsschutzinteresse für seine Revision verloren.
Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Revision ist gegeben, wenn der Revisionskläger ein berücksichtigungswürdiges Interesse daran hat, ein Revisionsverfahren zu dem Zweck zu führen, eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und ihre Ersetzung durch eine ihm günstigere zu erreichen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Januar 1985 VIII R 37/84, unter 1., BFHE 143, 420, BStBl II 1985, 501). Ein Wegfall des Rechtsschutzintresses führt zur Unzulässigkeit der Revision (BFH-Urteil vom 24. November 1982 II R 172/80, BFHE 137, 6, BStBl II 1983, 237). Dies ist in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen und zu beachten (BFH-Beschluß vom 17. Januar 1985 VII B 46/84, BFHE 142, 564, BStBl II 1985, 302).
Das Rechtsschutzbedürfnis des FA an einer Ersetzung des angefochtenen Urteils durch eine ihm günstigere Entscheidung ist dadurch entfallen, daß es anstelle des Einkommensteuerbescheids in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Juli 1985, über den das FG mit dem vom FA angefochtenen Urteil entschieden hat, den Änderungsbescheid vom 17. Oktober 1991 erlassen hat, in dem es die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in der von den Klägern beantragten und vom FG festgesetzten Höhe berücksichtigt hat. Durch diesen Änderungsbescheid ist nicht nur das angefochtene Urteil gegenstandslos geworden, sondern das FA hat damit auch dem Klagebegehren der Kläger entsprochen. Es hat den Bescheid auf § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 gestützt, ohne den Vorbehalt hinzuzufügen, daß der BFH im Revisionsverfahren die Auffassung des FG bestätige. Eine solche Bedingung hätte auch unter Berücksichtigung der Revisionseinlegung ausdrücklich in den Bescheid aufgenommen werden müssen, wenn das FA dem Klagebegehren nicht uneingeschränkt hätte entsprechen wollen (BFH-Urteil vom 5. März 1991 VIII R 6/88, BFHE 164, 319, BStBl II 1991, 744).
Nach dem Fortfall seines Rechtsschutzbedürfnisses hätte das FA den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären müssen, um eine Verwerfung seiner Revision als unzulässig zu vermeiden. Statt dessen hat es seinen mit der Revision vertretenen Standpunkt in seinem Schriftsatz vom 13. Januar 1992 aufrechterhalten, in dem es weiterhin auch für das Streitjahr es als klärungsbedürftig ansieht, ob die Aufwendungen für den Anschluß an die Wasserversorgung und die Entwässerungsanlage zu der Bemessungsgrundlage für die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG gehören.
Die Revision des FA ist somit durch Beschluß nach § 126 Abs. 1 FGO als unzulässig mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 2 FGO zu verwerfen. Eine Entscheidung über das Fortsetzungsfeststellungsbegehren der Kläger nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO kommt damit nicht in Betracht, da dies nur im Rahmen eines zulässigen Revisionsverfahrens möglich gewesen wäre.
Fundstellen